Körperlichkeit spielt in der Familie Kravitz eine sichtbar grosse Rolle. Neulich frustrierte Lenny Kravitz alle anderen 60-Jährigen dieses Planeten mit seiner perfekten Physis. Tochter Zoë zeigt immer gerne viel Haut. Und wen wählte sich Zoës Mutter Lisa Bonet als Nachfolger von Lenny aus? Den sanften Überhünen Jason Momoa. Der ist allerdings auch schon wieder Geschichte.
Dafür ist Zoë aktuell mit Hollywoods Frauenfantasie schlechthin sehr glücklich, nämlich mit Channing Tatum, dem magisch bestückten Stripper Mike aus «Magic Mike», «Magic Mike XXL» und «Magic Mike's Last Dance». Ganz zu schweigen von seinem Auftritt als Coverboy von Liebesromanen in «The Lost City». Alles klar?
Zoë Kravitz, 35, kennen wir bisher als Schauspielerin: als verletzliche Amazone an der Seite von Charlize Theron in «Mad Max: Fury Road», als mysteriös-geschmeidige Catwoman neben Robert Pattinsons Batman, als cool-verschwafelte Plattenladen-Besitzerin im serialisierten Remake von «High Fidelity». Und vor allem als elegant-esoterisches Luxusgeschöpf in «Big Little Lies», der Serie, die uns weismachen will, dass besonders reiche Menschen besonders therapiebedürftig sind.
Doch jetzt ist sie auch Regisseurin und ihr Debut «Blink Twice» fegt gerade mit einem Selbstbewusstsein und einer Radikalität durch die Kinolandschaft, dass man sich am Ende nur noch die Augen reibt und sagt: Wait, what? Denn «Blink Twice» ist zwar ein Horrorfilm, aber ein Mainstream-Horrorfilm, und da ist es doch erstaunlich, dass Kravitz, die auch das Drehbuch geschrieben hat, enorm viel von dem, was in den letzten Jahren unter MeToo herausgekommen ist, mit einem klaren No-Bullshit-Furor auseinandernimmt. Diese Frau hat genug und fertig.
Ausgerechnet Channing Tatum spielt für sie eine Mischung aus dem Schlechtesten, was der Kapitalismus zu bieten hat, und einem Märchenprinzen. Also quasi Elon Musk getarnt als Magic Mike. Der Film beginnt als überdrehte Romcom-Persiflage. Tatum ist der charismatische Tech-Tycoon Slater King, der scheinbar aus einer grosszügigen Laune heraus ein paar junge Frauen und gute Freunde mit auf seine Privatinsel nimmt.
Die Partys dort sind paradiesisch, Champagner und Drogen gibt's schon zum Aufstehen, die Insel ertrinkt beinahe in prächtigen roten Lilien. Einzig eine Schlangenplage stört, eine unheimliche alte Frau tut nichts anderes, als Schlangen zu jagen und zu zerstückeln. Kommunikationstechnik darf man keine benutzen, Erinnerungsfotos werden mit Polaroid-Kameras geschossen.
Aber was hat es mit dem sogenannten «Therapeuten» (Kyle MacLachlan in einer Minirolle) auf sich? Und wieso ist die Managerin der Insel (Geena Davis) eigentlich so ultimativ verhühnert? Was ist mit den Geschenktüten, die alle Gäste zum Abschied erhalten? Und dem Parfum im Bad? Wofür steht der Code «Red Rabbit»? Und wieso hat Frida (Naomi Ackie), eine der jungen Frauen, immer wieder Dreck unter den Fingernägeln?
Lange sieht «Blink Twice» aus wie eine stylishe Fassung von «White Lotus», eine klassische Klassen-Satire. Doch man ahnt, all das strahlende Weiss, das Slater so sehr liebt und das alle tragen müssen, als wären sie in einem Kult, ist nichts als eine Leinwand für Entsetzliches. Weiss verlangt nach Dreck. Und Blut. Und es wird kommen. Wird immer wieder durchblitzen durch die Partystimmung und schliesslich überhandnehmen.
Je aufmerksamer man beim Zuschauen ist, desto mehr Spass macht der Film, jedes noch so nebensächlich scheinende Detail findet seine Bestimmung, und der Abgrund, in den wir schliesslich durch Fridas Augen blicken, ist grauenhaft. «Blink Twice» ist ein grosser Spass mit einem todernsten Kern. Und wie Zoë Kravitz uns am Ende aus dem Film entlässt, ist ein kleiner, überraschender Geniestreich.
«Blink Twice» läuft ab dem 22. August im Kino.