Bis zu fünfeinhalb Millionen Menschen schalten jeden Freitagabend ein, wenn im ZDF die «heute-show» das politische Weltgeschehen mit schärfster Satire auseinandernimmt. Keine andere Comedysendung im deutschsprachigen Raum erreicht so viele Zuschauer, und kommt gleichzeitig bei den Kritikern so gut an. Sagenhafte 42 Preise und Nominationen für Auszeichnungen hat die Sendung seit der Erstausgabe am 26. Mai 2009 schon erhalten, darunter sechs Mal den Deutschen Comedypreis. Das alles mit gutem Grund.
Denn keine andere Sendung vermag die Schwächen, Fehler und Unverschämtheiten der deutschen Politik so treffsicher zu geisseln wie die «heute-show». Unvergessen, wie 2011 etwa der eitle Freiherr von und zu Karl-Theodor von Guttenberg, ein Liebling konservativer CSU-Kreise, wegen der brillanten Karikatur in der Sendung zur Spottfigur im ganzen Land wurde («Baron von Mogel»). Oder wie 2013 die Machenschaften des korrupten Limburger Bischofs Tebartz van Elst einem grösseren Publikum offenbart wurden und für ausgiebiges Lachen über die rückständige katholische Kirche sorgten («Herr Tebartz, Euer Hochwürgen»).
Treffsichere Witze und eine Kombination aus Situationskomik und politischer Satire sind der Grund, weshalb die Sendung so beliebt wurde. Das allein hätte allerdings nicht gereicht, um Kultstatus zu erreichen. Schliesslich gibt es heute im Internet Comedyclips an jeder Ecke. Nein, die grösste Stärke der «heute-show» ist ihre Fähigkeit, Skandale so darzustellen, dass das Ausmass des moralischen Bankrotts der Politik den Zuschauern eindrücklich vor Augen geführt wird.
Politiker werden auch im sauberen Deutschland ständig bei moralisch verwerflichen Handlungen erwischt. Das sorgt meist aber nur für ein verhaltenes Aufsehen, denn den Bürgerinnen und Bürgern wird die Perversion einer Handlung alleine aufgrund eines seriösen Zeitungsartikels nicht klar. Erst eine Sendung wie die «heute-show» vermag darzustellen, wie verwerflich es wirklich ist, wenn die SPD bei den Koalitionsverhandlungen mit der CDU ihre Wahlversprechen fortwirft, nur um ein paar Ministerposten zu bekleiden. Oder wenn ein Multimillionär wie Uli Hoeness den Staat um Steuereinnahmen in Millionenhöhe betrügt.
Gleich verhält es sich mit dem Demaskieren von Borniertheit. Der rechten AfD schadet es viel mehr, wenn die «heute-show» die kleinkarierten Positionen der Partei in einer eleganten Persiflage ad absurdum führt, anstatt wenn der Hundertste Experte den Bürgerinnen und Bürgern vordoziert, dass das eben eine rechtsextreme Partei sei, die der Demokratie schade (siehe Ausschnitt).
Diese Art von gelungener Satire hat die «heute-show» gross gemacht.
Doch mit dem Erfolg wetzten sich die Zähne der Satireshow in den letzten Jahren zunehmend ab. Seitdem Angela Merkel und die CDU weg sind, wird die Regierung nicht mehr gleich heftig kritisiert. Dass ein Minister Merkels gelobt wird, ohne dass es ein vergiftetes ironisches Lob ist – früher undenkbar.
Heute, wo die SPD regiert, hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach in den Sendungen dagegen sowas wie Kultstatus erreicht. Schlimmer noch: Wenn die SPD-geführte Regierung kritisiert wird, dann meist ausgehend von einem noch linkeren Standpunkt, anstatt von einem bürgerlichen, welcher der Position der grössten Oppositionspartei CDU entsprechen würde. Der Verdacht liegt nahe, dass die Autoren wegen einer gewissen ideologischen Nähe zur aktuellen Regierung milder geworden sind.
Das ist schlecht, weil der wichtigste Auftrag einer Satiresendung ist, sich über die Mächtigen lustig zu machen – nicht Witze auf Kosten von Minderheiten. Die «heute-show» übernimmt zurzeit aber viele Regierungspositionen, was letztes Jahr auch zu einer internen Kontroverse führte. Schauspielerin Christine Prayon gab nach 348 Folgen ihren Rückzug aus der Sendung bekannt, weil sie fand, die Sendung würde zu unkritisch die Position der Regierung vertreten – etwa beim Thema Impfen oder beim Ukrainekrieg. Es würden laut Prayon «Andersdenkende der Lächerlichkeit preisgegeben».
Tatsächlich ergriff die «heute-show» früher eher Partei für Randgruppen, selbst wenn es offensichtlich verwirrte Spinner waren. In Sketchs argumentierte sie gegen ein Verbot der Neonazi-Partei NPD oder verteidigte sexistische Stereotype. Egal wie abwegig eine Position war, solange sie für den komödiantischen Zweck Sinn machte, wurde sie in der Sendung gebracht – und das gar ohne Belehrung der Zuschauer. Heute dagegen schwingt anstelle der vormaligen Leichtigkeit oft eine schwere Moralkeule aus dem Fernseher.
Es stünde der «heute-show» deshalb gut an, weniger politisch wertende Witze zu reissen und sich auf das Tadeln echter moralischer Skandale zu besinnen, am besten ausgehend vom Standpunkt der Opposition. Sonst verliert die show ihre Glaubwürdigkeit bei den Zuschauern, und diese sehnen sich zurecht nach einer «gestern»-show – dabei wäre die beste Sendung womöglich eine gut gemachte «heute-show» von morgen.
p.s Bernd! - ein Klassiker.