Es gibt Anrufe, die kommen direkt aus dem innersten Kreis der Hölle. Weil sie einen mitten hineinstürzen in die Qual des totalen Versagens. Sie gehen so: «Simone, wo bist du?» – «Ähm, zuhause, ich koch mir gerade ...» – «Wieso bist du nicht hier?» – «Wo hier? Ich muss doch erst um 13.55 Uhr bei euch sein für das Interview mit Dings, jetzt ist 11.58 Uhr.» – «Eben! Das Roundtable mit Kristen Stewart beginnt jetzt!» – «Heute ist nur das Interview mit Dings. Stewart ist morgen!» – «Nein, jetzt!» – «Nein, morgen! Am 2. Oktober!» – «Simone, heute ist der 2. Oktober!» Und so war es.
Aber man steht sich ja bekanntlich selbst am heftigsten im Weg. Also auf zum nächstmöglichen Kristen-Termin. Um 15.30 Uhr neben dem Opernhaus. Jetzt nicht mit vielen Journalisten wie beim Roundtable, sondern mit sehr vielen. Dafür nicht 20, sondern 30 Minuten. Anlass: ihr neuer Film «Seberg».
Kristen Stewart, die Schauspielerin, für die Fame nicht immer einfach war, spielt Jean Seberg, die Schauspielerin, die am Fame scheiterte und allzu früh erlosch. Die sich im heissen Jahr 1968 in einer Mischung aus Naivität und Idealismus einen schwarzen Lover nahm, der der sozialistisch-revolutionären Black Panther Party nahe stand. Jahrelang wurde Seberg deshalb vom FBI überwacht, sie versuchte, sich das Leben zu nehmen, sie verlor ein Kind und ihre ganze kreative Energie, mit 40 fand man sie tot in ihrem Auto.
Ich weiss, was er meint, aber genau das ist ja das hohe Identifikationspotential der Kristen Stewart für junge Frauen von heute, dass sie nicht anschmiegsam und feminin und lieblich strahlend ist, sondern ein kühles, souveränes Wesen, das sich scheinbar in allem verweigert, eine ältere Schwester von Billie Eilish vielleicht.
Wie sie es schaffe, ihr Privatleben privat zu halten, fragt jemand. «Mein Privatleben ist nicht privat. Mein Job will, dass ich die intimsten Seiten von mir zeige. Ich teile mein Leben, meine Existenz mit Anderen, ich lasse sie in mich hinein.» Und es sei eine Gnade, zu «dienen», sich in den Dienst einer Geschichte zu stellen.
Wie verhält sie sich zu sozialen Medien? «Gar nicht. Ich habe das Glück, mich nicht einsam zu fühlen, mit genügend kreativen Menschen in Kontakt zu stehen und mit ihnen zu arbeiten, dank meiner Filme eine unendlich weite Strasse zu haben, auf der ich mich öffentlich ausdrücken kann. Aber ich sehe, wie wichtig es für andere ist.»
Tags darauf dann noch eine «Conversation» mit Kristen Stewart im Filmpodium, die gleiche Frau, die sie am 2. Oktober vor der Presse moderierte, befragt sie am 3. Oktober noch einmal vor Fans, Kostenpunkt für die Fans: 90 Franken Eintritt. Was der Grund sein mag, dass es nicht voll ist. Schliesslich gibt Kristen Stewart ja kein Konzert im Letzigrund, sie redet nur 43 Minuten lang, dann muss sie zum Flughafen.
Eine trägt in ihrem Nacken ein auffälliges Augen-Tattoo, sie schaut einen auch von hinten an.
Kristen Stewart trägt äusserstes Understatement. Eine verwaschene hellblaue Jeans. Einen schwarzen Kapuzenpulli. Im Haar eine Sonnenbrille. Beim verpassten Roundtable am Vortag soll sie einen Nadelstreifenanzug getragen haben, beim Pressetermin am Nachmittag eine Lederjacke, ein blaues Cap, Unterhemd, darüber Weste, Hosen aus einem Stoff, der aussah wie Burberry.
Wo sieht sie sich jetzt? Nach der «Twilight»-Erfolgsfranchise, nach ihrer Etablierung als unabhängiger Star im Arthouse-Segment, nach ihrem Coming-out und mit einem geschätzten Vermögen von 70 Millionen Dollar. Und hatte sie während «Twilight» das Gefühl, jetzt sei ihr Moment gekommen?
Sie sieht sich an einem sehr entspannten Ort. Stressfrei, gesund, bereit für «ein langes Leben». Und «ihren Moment» sieht sie eher als Kontinuum: «Ich bin so glücklich, ich war noch nie in meinem Leben gelangweilt, ich fand immer Leute, die meine Partner in Crime waren, mit denen ich kreativ sein konnte.»
Begonnen hat ihr Glück ganz klar mit Jodie Foster und der Arbeit an «Panic Room», sie inhalierte da quasi Foster, «she's such a fucking wonderful figurehead!», sie versuchte, ihr in allem zu folgen und fand das auch gar nicht schwierig, nicht zuletzt, weil die beiden sich damals äusserlich so sehr glichen, dass sie wirklich Mutter und Tochter hätten sein können. Stewart hatte ihre Rolle in David Finchers Film übrigens als Erste. Danach probte sie mit vielen potentiellen Müttern. Zwei Wochen lang zum Beispiel mit Nicole Kidman. Und dann kam Foster.
Auch in «Twilight» war sie die Erste, die ein Engagement hatte. «Die Zeit von Twilight kommt mir vor wie die Highschool. Fünf Jahre mit den gleichen Leuten.»
Kristens Tattoos seien die coolsten weltweit, sagt ein Mädchen im Publikum mit vor Verehrung brüchiger Stimme, wie sie die denn auswähle? «Meine Tattoos sind alle sehr persönlich. Und sehr billig. Ich war noch nie in einem teuren Studio. Meine Mutter ist total tätowiert, mein Bruder auch, ich könnte mir nie was anderes als meine Arme tätowieren.»
Und was rät sie jungen Frauen, die Schauspielerin werden wollen? «Es ist die seltsamste Kunstform, denn du kannst sie nicht alleine verfolgen. Aber wenn sie von einem guten Ort her kommt und das Ziel ist, Geschichten zu erzählen, mit anderen zusammen Schätze zu heben, in denen man sich vergraben will – dann ist das Schauspiel.»
ich kann mit der frau nicht viel anfangen, halt wegen twilightschnulzen...sry....
aber alleine für die aussage oben, sollte sie den sympathienobelpreis verdienen...