Die spanischen Songtexte, welche Liebeskind und Diaz performen, verstehen wahrscheinlich die wenigsten im Raum. Als Liebeskind ankündigt, dass sie gleich ihr Lieblingslied singen wird, erklärt sie dem Publikum: «I wish I could translate all the lyrics for you but I think you will get what it is about just from the music itself» («Ich wünschte, ich könnte den ganzen Songtext für euch übersetzen, aber ich denke, ihr werdet es verstehen, nur aus der Musik selbst»).
Trotzdem erläutert sie kurz, dass das Lied eine tragische und wahre Liebesgeschichte beschreibt. Der Komponist habe das Lied kurz vor seinem Tod für seine Geliebte geschrieben, die er dann nie mehr sah. Die Frau hörte anschliessend das Lied über sich im Radio. Eine tragische Liebesgeschichte, welche die beiden auf der Bühne in Muri präsentieren.
Und Liebeskind hat eindeutig recht – das Publikum benötigt die exakte Übersetzung nicht, um den Schmerz zu fühlen, der im Song steckt. Die schleppende Melodie übermittelt dem Publikum mehr als reine Worte es könnten. Die Klänge der Gitarre und Liebeskinds kräftige Stimme, die bei diesem Song beinahe flehend die Emotionen des kranken Mannes übermittelt, lassen viele Köpfe im Publikum langsam mitwippen. Eine Zuschauerin lacht, als sie sagt: «Ich wusste gar nicht, was sie sagt, und musste trotzdem an einigen Stellen beinahe weinen!».
Doch nebst der Musik verkörpern die beiden Performer die Stücke auch durch ihre Körpersprache. Beinahe schauspielerisch schüttelt Liebeskind den Kopf oder nickt bestätigend im Rhythmus der Worte, während sie mit einer Hand das Mikrofon hält und mit der anderen die spanischen Worte mit Gesten unterstreicht. Ab und zu wendet sie sich Diaz zu und singt die Worte, als würde sie ihn direkt ansprechen; dieser führt den Dialog mit Akkorden.
Zwischen den Songs trinkt die Sängerin einen Schluck Wasser und fragt das Publikum, ob sie Boleros überhaupt kennen, woraufhin beinahe ausschliesslich Kopfschütteln aus den Reihen des Pflegidachs folgt. Liebeskind erklärt daraufhin, dass die Boleros aus Mexiko und Cuba stammen und meistens von der Liebe, aber auch von Schmerz handeln – es sind Tragödien, welche die beiden auf die murianer Bühne bringen. Doch dem Publikum ist der Inhalt der Songs bereits bekannt geworden durch die emotionale Show, welche die beiden liefern. In den Scheinwerferlichtern spielt sich mehr ab als nur Musik, – es wird eine Geschichte erzählt.
Während einer weiteren Pause zwischen den Songs erklärt Liebeskind, wie sie ihren musikalischen Partner gefunden hat. Die beiden haben während der Pandemie in einem Park angefangen, Musik zu machen und wurden dadurch enge Freunde. «Rehearsal is easy because he is not only my friend but also my neighbour! We live in the same building» («Proben ist einfach, denn er ist nicht nur ein Freund von mir, sondern auch mein Nachbar! Wir leben im gleichen Gebäude»), erzählt Liebeskind im Interview, woraufhin Diaz lacht.
Gemeinsam Songs produziert haben die beiden jedoch noch nicht, verraten die beiden. Bisher blieben sie beim reinen gemeinsamen Auftreten. «Actually we should though!» (Wir sollten aber eigentlich!»), fügen beide hinzu und schauen sich nachdenklich an. Ob man schon bald Musik der beiden zu hören bekommen wird? Zwei Songs von Liebeskind selbst werden zwischen den Boleros jedoch allemal eingestreut. Der Song «As the moon» spielen die beiden direkt vor dem noch nicht veröffentlichten «Somehow».
Am Ende des Konzerts spricht Liebeskind das Publikum ein letztes Mal direkt an. Sie bedankt sich herzlich, auf der Bühne in Muri aufgetreten haben zu können und erzählt davon, wie verrückt es ist, in Muri zu sein, wo sie das Pflegidach schon so lange kennt. Viele ihrer Freunde waren schon hier, und nun konnte auch sie auftreten. Einen Tag nach dem Auftritt werden sich die beiden bereits auf die Weiterreise begeben; sie treten am 28.08.2023 in der argentinischen Botschaft auf.