Die zuletzt gespielten Töne verblassen, die Lichter werden gedimmt und kurze Zeit später erneut raufgefahren. Der Schlagzeuger Stacey gibt den Beat des nächsten Songs vor, doch er muss gleich wieder aufhören, denn Martins hat den Einsatz mit seiner Gitarre verpasst. Auch der nächste Versuch des Schlagzeugspielers den Song anzuspielen, muss unterbrochen werden. Der Bandleader hat einen anderen Song als der Schlagzeuger im Kopf gehabt, wie dem Publikum schliesslich aus dem Geflüster der Band klar wird.
Nach kurzer Absprache gibt das Schlagzeug erneut den Rhythmus vor und Martins setzt gekonnt mit seiner Gitarre ein. Ohne sich von der kleinen Panne einschüchtern zu lassen, spielt die Band mit vollem Einsatz. Schon beim nächsten Gitarren-Solo wird der Patzer vom Publikum bereits vergessen sein.
Mit einer Ungezwungenheit bedient sich der Musiker an der Tonpalette seiner Gitarre. Die Finger spielen die Töne auf dem Instrument rauf und runter in solch einem enormen Tempo, als gäbe es keinen Morgen. Auch sonst scheinen Grenzen für den 28-Jährigen unbekannt zu sein. Der Gitarrist spielt fast schon verboten hohe Töne, sodass dem Publikum bewusst wird, weshalb an der Kasse Ohrenstöpsel zur Verfügung standen.
Doch Martins kann nicht nur laut, hoch und energiegeladen spielen. Während seine Bandmitglieder eine kleine Verschnaufpause einlegen, beginnt er sitzend auf dem Stuhl die tiefgründige Melodie aus Ravels F-Dur Streichquartett zu spielen. Anders als die bereits gespielten Songs ist dieses Stück schwelgerischer und ruhiger, wobei Martins Gesang mit dem melancholischen Klang der Gitarre zu verschmelzen scheint. Perfekt als Abwechslung und Kontrast zu den impulsiven und kraftvollen Stücken.
«I’m a shy guy» (Er ist ein schüchterner Typ), sagt Martins, während die Band sich für den nächsten Song vorbereitet. Davon ist allerdings das ganze Konzert durch kaum was zu merken. Schon beim Eintreten nach der Anmoderation hinterlässt der Gitarrist mit seiner Pelzkragen-Jacke und einer Sonnenbrille auf der Nase einen lässigen, lockeren Eindruck.
Während seinen Soli lehnt sich Martins selbstsicher leicht zurück und hält die Gitarre schräg nach vorne gegen das Publikum geneigt. Die Sonnenbrille bleibt stets aufgesetzt, doch der Mund öffnet sich zwischendurch, auch ohne zu singen. Die Knie wippen im Takt mit der Musik und zwischendurch geht ein Blick rauf in den Himmel oder zur Band nach hinten.
Martins Musik lebt nebst dem Jazz-Fusion Sound auch von Pop- und Rocksensibilitäten, wobei zwischendurch seine brasilianische Ader zum Ausdruck kommt. Die Weise seine Musik dem Publikum zu präsentieren, hat etwas ganz Unbekümmertes und Persönliches. Mit seiner Musik schafft der Gitarrist eine Atmosphäre, bei der man meint, als Freund bei ihm zu Hause beim «Jammen» zuzuhören.
Auch die Art, wie er zwischen den Songs sich mit den Bandkollegen abspricht oder seine Gitarre ungeniert neu stimmt, gibt einem ein Gefühl der Nähe. Seine Musik allerdings nimmt das Publikum mit auf eine Reise, weit weg vom Pflegidach in Muri. Dem Publikum wird eine Fantasiewelt eröffnet, die durch den engelsgleichen Gesang und den unfassbar hohen Gitarrentönen fast schon göttlich scheint.