Statt einer Begrüssung, wie man sie von anderen Konzerten kennt, begann der Abend sofort mit Musik. Schon beim ersten Ton [des Konzerts] war klar: Hier wird keine gewöhnliche Jazz-Show geboten. Das erste Stück begann mit einem spritzigen, lebendigen Tempo, das die Energie im Raum sofort entfachte. Das Publikum ging sofort/augenblicklich? mit. Füsse stampften und Köpfe wippten im Takt.
Dabei war es nicht bloss technisches Können, das begeisterte, sondern der sichtbare Genuss am Spiel. Besonders das Klavier von Marko Churnchetz stach hervor und führte die Komposition in eine swingende Richtung. Es war, als ob jeder Schlag der Drums von Nasheet Waits, jedes Zupfen der Basssaiten von Josh Ginsburg und die rhythmischen Gitarrenklänge von Tom Guarna die Zuschauer weiter in die Musik hineintauchen liessen. Die Bühne wurde von einer elektrisierenden Energie durchzogen, die den Raum förmlich zum Vibrieren brachte.
Vier Musiker aus zwei Kontinenten, eine gemeinsame Sprache: die Musik. Die Band wurde ursprünglich aus der Not heraus zusammengestellt. Aufgrund von finanziellen Restriktionen konnten nur zwei Musiker aus den USA eingeflogen werden, der Rest stammt aus Europa. Was wie ein Kompromiss klingt, entpuppte sich als Glücksfall. Trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft und musikalischen Prägung verschmolz die Band zu einer geschlossenen Einheit. Ihr Zusammenspiel war von einer Selbstverständlichkeit geprägt, als würden sie seit Jahren gemeinsam auftreten.
Tom Guarna, ein in Brooklyn geborener Jazzgitarrist, begann seine musikalische Laufbahn im Alter von fünfzehn Jahren. Nach seinem Studium der klassischen Gitarre und Komposition am Brooklyn Conservatory of Music und der Juilliard School entwickelte er sich zu einem der gefragtesten Gitarristen in der Jazzszene.
Mit seinem Gitarrensolo verlangsamte sich die Atmosphäre. Sanfte Klänge, ein fast traumartiges Gefühl überzog den Raum. Der Sound war lyrisch, emotional und voller Tiefe. Ein Moment, in dem die Welt still zu stehen schien. „Guarna spielt Bebop lines, wie man sie sonst nur von Saxophonisten kennt“, sagte ein Zuhörer nach dem Konzert. Ein Detail, das seine musikalische Eigenart unterstreicht.
Das zweite Stück des Abends überraschte mit einem spannenden Wechselspiel: Acht Takte Swing, acht Takte Latin. Es war wie ein musikalisches Gespräch voller Spannung, hin und her. Am Ende dieses Stücks explodierte Nasheet Waits in einem Schlagzeugsolo. Laut, kompromisslos und voller Energie. Es war ein Solo, das die Halle wachrüttelte. Hier wurde deutlich, warum Nasheet Waits zu den herausragendsten Schlagzeugern der internationalen Jazzszene zählt und warum er als würdiger Erbe seines Vaters, des legendären Freddie Waits, gehalten wird. Doch Nasheet ruht sich nicht auf seinem Titel aus. Er hat eine eigene, kompromisslose Stimme, die das Publikum unmittelbar begeisterte. Mit jedem Schlag schien er die musikalische Begabung seines Vaters weiterzutragen, während er gleichzeitig seine ganz eigene, kraftvolle Stimme etablierte.
Besonders eindrucksvoll war, wie Churchetz mühelos zwischen akustischem Klavier und Fender Rhodes wechselte und in manchen Momenten sogar beide Instrumente gleichzeitig spielte. Während das Klavier für klassische Jazz-Ästhetik sorgte, verlieh das Fender Rhodes dem Sound eine warme, elektronische Tiefe. Dadurch entstand ein zeitgenössischer Klang, der dem traditionellen Jazz einen frischen, modernen Anstrich verlieh. Gerade für ein jüngeres Publikum wirkte dieser Mix einladend und zugänglich.
Tom Guarna blieb während des gesamten Konzerts wortkarg, wodurch gelegentlich der Eindruck von Distanz entstand. Zwar spricht die Musik für sich, doch kleine Pausen, ein paar Worte oder eine Anekdote hätten der dichten Intensität Raum zum Atmen gegeben. Stattdessen reihte sich Stück an Stück, was die Darbietung stellenweise etwas schwer wirken liess.
Trotz kleiner Schwächen betreffend Kommunikation blieb der Abend in Erinnerung. Ein intensives musikalisches Erlebnis, das durch das Zusammenspiel aussergewöhnlicher Musiker entstanden ist. Tom Guarna und seine Band schafften es, die Emotionen zu wecken und das Publikum auf eine fesselnde Reise zu entführen. Ein Konzert, das zeigte, wie kraftvoll und lebendig diese Musik auch heute noch sein kann. Ein Abend, der Lust auf mehr macht und der noch lange nachklingen wird.