Es gibt eine neue heilige Familie, sie heisst William, Kate und Baby George und erobert die Welt im Sturm. Trotzdem war ich etwas schockiert, als Präsident Obama neulich beim Staatsbesuch der Briten in Amerika nichts Besseres zu tun hatte, als sich mit William über George zu unterhalten. Waren Sie auch schockiert?
Ich bin geteilter Meinung. Ich bin Demokrat, deshalb scheint mir die Idee von vererbten Privilegien höchst mittelalterlich, und prinzipiell sollte es sowas wie eine Royal Family gar nicht geben, weder in England noch anderswo. Und doch, und doch – sie sind so unglaublich beliebt, und die Aufgabe, die Monarchie abzuschaffen, ist so viel härter geworden durch die Tatsache, dass dieses Trio, nun ja, total nett wirkt. Sie arbeiten hart, sie setzen sich für gute Zwecke ein, sie sind so viel liebenswürdiger als manche der Narren, die vor ihnen da waren. Deshalb unterdrücke ich den Bolschewiken in mir, lasse sie um die Welt reisen und mit Präsidenten plaudern und tue mein Bestes, mich kein bisschen dafür zu interessieren.
Prinzen und Prinzessinnen, «Downton Abbey» und ein leicht futuristischer, aber dennoch nostalgiegetränkter «Sherlock» sind derzeit Englands wichtigste popkulturelle Exporte. Ist Ihnen wohl damit?
Wir neigen dazu, rückwärts zu schauen und sind besessen von unserem kulturellen Erbe, was schade ist, aber etwas, wofür ich mitverantwortlich bin, ich habe mehr als genug Adaptionen von Dickens, Hardy etc. geschrieben. Ich gestehe, ich bin kein grosser Fan von «Downton Abbey», aber wie alle englischen Jungs wuchs ich mit James Bond, Monty Python, «Withnail and I» und britischem Pop auf und neige deshalb selbst zur Nostalgie. Aber wo sind unsere neuen kulturellen Botschafter? Mir kommt nichts in den Sinn, und wir können nicht auf ewig «Doctor Who» und «Sherlock» schauen.
Wie wär's mit dem neugeborenen Revolutionär Russell Brand?
In England spaltet er die Leute total. Und wieder bin ich geteilter Meinung – und frag mich, komm ich eigentlich als jemand rüber, der keine eindeutige Meinung hat? Ich denke, er ist ein grossartiger Katalysator und eine populäre Stimme für viele fortschrittliche Anliegen, und sein Herz sitzt definitiv am richtigen Ort. Er ist charismatisch und eloquent, und sein Sinn für Ungerechtigkeit ist aufrichtig und eine Inspiration für eine junge Generation, die desillusioniert ist mit der alten Parteienpolitik.
Aber? Es muss noch ein «Aber» kommen ...
Aber ich wünschte, er wäre präziser, weniger anfällig für Verschwörungstheorien und schludriges Denken. Und ich wünschte, die Linke hätte noch eine andere Stimme, die genauso charismatisch wäre, aber etwas Anderes sagen würde als «Stimmt nicht ab, bezahlt eure Steuern nicht». Ich weiss, dass er nicht behauptet, alle Antworten zu haben, aber ist zu einer Zielscheibe jener geworden, die sagen, die Linke sei unrealistisch, naiv, schlecht informiert und oberflächlich. Ich bewundere ihn. Aber mit grossen Vorbehalten.
Ihr Kollege Julian Fellowes schreibt Romane und hat «Downton Abbey» erfunden. Sie schreiben ebenfalls Romane und Drehbücher für TV-Serien, etwa für «Cold Feet». Haben Sie je geahnt, dass TV-Serien einmal so angesagt sein könnten wie heute?
Ich liebe Fernsehen, und ich habe viel dafür geschrieben, aber nie für eine Langzeit-Serie. Ich weiss, es ist heute Gesetz zu behaupten, dass Serien der «neue Roman» oder das «neue Kino» seien, aber ich bin mir nicht so sicher. Das Muster ist doch immer gleich: Eine Show startet, und alle behaupten, es sei das neue «Sopranos»/«Breaking Bad»/«The Wire». Die zweite Staffel ist nicht so gut wie die erste. Die dritte ist ein Desaster. Die vierte ist eine Rückkehr zur alten Form, aber alle sind müde, und so hinkt sie weiter für eine oder zwei langweilige Staffeln. Dann wird der Stecker gezogen, und die allerletzte Folge ist immer, immer eine Enttäuschung, und du bleibst zurück mit dem Gefühl: Habe ich wirklich dafür zwölf wache Tage meines Lebens verschwendet?
Ihre Lösung?
Für mich ist der Roman der «neue Roman» – eine diskrete, in sich geschlossene Erfahrung mit einem Anfang, einer Mitte und einem Ende. Oder Filme! «Breaking Bad» ist ein grosses Werk, aber wie oft muss mir gesagt werden, dass der besonnene Familienvater nicht der ist, der er zu sein scheint? Braucht das fünfzig Stunden? Hätten Sie da nicht lieber dreissig tolle Filme gesehen? Fünfzehn tolle Romane gelesen? Sorry, schimpfe ich gerade?
Irgendwie schon. Aber zu etwas ganz Anderem: Bitte verraten Sie uns das perfekte Rezept für Weihnachts-Gebäck! Nein, pardon, die Frage lautet: Was ist das perfekte Rezept für einen Bestseller?
Hm. Kann ich die Gebäck-Frage beantworten? Wenn es ein Rezept für Bestseller gäbe, so würde ich es ständig anwenden und für mich behalten. Alles, was ich vorschlagen kann, ist dies: Es ist das Beste, mit Leidenschaft über etwas zu schreiben, das einem wirklich am Herzen liegt, es wieder und wieder zu überarbeiten und den Leuten nur die absolut beste Arbeit zu zeigen.
Ihnen ist mit «Zwei an einem Tag» («One Day») ein Riesenbestseller gelungen. Wie grausam war der Druck für «Drei auf Reisen» («Us»)?
Hätte ich die Wahl, an einen Erfolg oder ein Versagen anzuschliessen, so würde ich definitiv den Erfolg wählen. Das härteste ist, so denke ich, das Selbstbewusstsein – sich dauernd zu fragen: «Werden sie es mögen?», «Ist es das, was die Leser wollen?», anstatt die Geschichte zu schreiben, die ich am aufregendsten finde. In anderen Worten: Voraussagen zu machen oder einen imaginären Durchschnittsleser zu erahnen. Die fünf Jahre seit meinem letzten Buch waren gefüllt mit verschwendeter Zeit, Fehlstarts, Ablenkungen und Sackgassen – einer riesigen Menge an vergeudeten Wörtern, bevor mir endlich etwas einfiel, das ich richtig gerne hatte. Der Druck ist da, aber das ist okay. Seinen Lebensunterhalt mit Schreiben zu verdienen, ist ein Privileg, aber kein leichtes.
Sie sind ein Mann. Und Sie schreiben die sensibelsten Liebesgeschichten, die alle zum weinen bringen, selbst einen Hollywood-Kerl wie Russell Crowe. Wurden Sie mit einem Überschuss an emotionalen Fähigkeiten oder weiblichen Hormonen geboren?
Ich fand es immer seltsam, dass dieser grosse Bereich menschlicher Erfahrung – sich ver- und entlieben, Ehe, Familie – für Männer ein fremder Planet sein sollte. Ob Mann oder Frau, diese Beziehungen sind doch oft die zentralen Ereignisse unseres Lebens, und es wäre bizarr, wenn Männer sie nicht angehen würden. Wenn die Leser mit starken Gefühlen darauf reagieren, ist das wunderbar – ist das nicht ein Teil dessen, was Autoren erreichen wollen? Zudem liebe ich es, Komödien zu schreiben, und nichts macht uns absurder und blöder, als sich zu verlieben.
Auf Deutsch erscheinen Sie bei einem charmanten Schweizer Verlag. Weshalb sind Sie der Schweiz in «Drei auf Reisen» so grausam aus dem Weg gegangen? Mögen Sie uns nicht?
Traurigerweise fragt man mich das Gleiche in Lissabon, Berlin, Oslo ... Ich müsste mehr über Städte und Länder schreiben, besonders über die wunderschöne Schweiz – klingt das jetzt, als wollte ich mich einschleimen? Ich hoffe nicht. Vielleicht im Sequel. «The Grand Tour –Part Two».