Lenny Kravitz ist der lebende Beweis dafür, dass sich die Völker dieser Erde ordentlich mischen sollten: Der Vater Sy sorgte für den ukrainisch-jüdischen, die Mama für den bahamesisch-afroamerikanischen Touch. Was dabei herauskam, wissen Sie ja. Das:
Lenny ist im Mai dieses Jahres 50 geworden. Ja, auch er wird älter. Aber glauben Sie ja nicht, dass man ihm das ansieht. Am Freitagabend war er so heiss wie noch nie. Lenny Kravitz, der einzige Mann auf der Welt, der mit einem Nasenring alles andere als bescheuert aussieht.
Der zweite Song versetzte das Publikum bereits in Ekstase. Lenny spielte «American Woman». Der «The Guess Who»-Coverhit seines Albums «5», für den er den «Grammy Award for Best Male Rock Vocal Performance» erhielt.
Überhaupt hatte man ein bisschen das Gefühl, dass die Menschen vornehmlich wegen der alten Songs da waren. Eine Art Nostalgie-Zusammenkunft war das. Eine mit einem gewaltig hohen Frauenanteil.
Und da war dieser atemberaubende Saxophonist, der für die Jazz-Elemente sorgte. «From Dusk Till Dawn» leidet im Original ein bisschen unter Eintönigkeit, aber der Song wurde durch diesen göttlichen Bläser nochmal ganz neu erfunden.
Irgendwann griff er sogar zur Querflöte. Das schien allerdings einige Zuschauer leicht zu verstören. Die meisten lechzten schon nach den ersten Tönen wieder nach dem guten alten Lenny, so wie sie ihn eben kennen – mit seiner hübschen Mischung aus poppigem Schnulz mit viel Rock-Gitarre. Aller Befremdlichkeit zum Trotz, dieses Querflöten-Solo war grandios.
Nicht unerwähnt bleiben sollten auch die drei hinreissenden Background-Sängerinnen, die sich tadellos die vollen zwei Stunden mit zackig-sexy Bewegungen im Rhythmus hielten. Jeder normale Mensch wäre nach so einem Fitness-Programm tot umgefallen.
Bei «Let Love Rule», dem Debüt-Erfolg aus dem Jahr 1989, ist Lenny dann plötzlich von der Bühne heruntergehüpft und durch die Menschenmenge hindurchgewatet. Von oben sah das ein bisschen nach Moses aus, der das Meer teilt. Das kam gut an. Auch die Balkongäste, die Sitzplätze hatten, erhoben sich nun alle ganz entzückt, um zu sehen, wie Lenny durch die Leute spazierte. Und alle sangen: «We've got to let love rule – Leeet Looove Ruuule ...».
Von da an gab es kein Halten mehr. Das ganze Roundhouse tobte. Eine Dame irgendwo unter mir schrie «Lenny I want ...» , den Rest hab ich nicht verstanden, weil sich ihre Stimme vor lauter Wollust überschlug. Das letzte, was Kravitz seinen Fans schenkte, bevor er die Gitarre hochaltend die Bühne verliess, war, na was wohl: «Fly Away».