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Der Betreff des Bösen: Bank blockiert Zahlung wegen arabischen Namens

«Personen mit arabisch klingenden Namen stehen bei Banktransaktionen gewissermassen unter Generalverdacht» (Symbolbild).
«Personen mit arabisch klingenden Namen stehen bei Banktransaktionen gewissermassen unter Generalverdacht» (Symbolbild).Bild: KEYSTONE
Gesetz zur Terrorismusfinanzierung

Der Betreff des Bösen: Bank blockiert Zahlung wegen arabischen Namens

Geld-Transaktionen werden überwacht. Wird eine Überweisung als verdächtig eingestuft, verlangen Banken weitergehende Auskünfte. Es genügt, dass ein arabisch-klingender Name im Betreff steht, wie das Beispiel eines «Nordwestschweiz»-Lesers zeigt.
19.09.2014, 08:1219.09.2014, 12:10
remo hess / aargauer Zeitung
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Ein Artikel von
Aargauer Zeitung

Die Geschichte ist schnell erzählt: Sandro* kauft zusammen mit seinem Kollegen Manuel* ein Geburtstagsgeschenk für den gemeinsamen Freund Amar*. Zu diesem Zweck zahlt Sandro von seinem Konto bei der Raiffeisenbank 100 Franken auf das Postfinance-Konto von Manuel ein. Um die Überweisung kenntlich zu machen, schreibt er «Geschenk Amar» in die Mitteilungszeile.  Prompt meldet sich die Raiffeisenbank: Postfinance verlange Vor- und Nachname, Nationalität, Geburtsdatum und Wohnort von Amar. Postfinance werde «den Betrag ohne die genannten Angaben weder retournieren noch dem Kundenkonto von Manuel gutschreiben», heisst es im Brief.

«Offenbar stimmte ein Name in Zusammenhang mit der Transaktion mit einem Namen auf einer Sanktionsliste überein.»
Marc Andrey, Postfinance-Sprecher

«Kenne deine Kunden»

Beim Namen Amar, der aus dem Raum Afghanistan stammt, läuten bei der Postfinance offensichtlich die Alarmglocken. Tatsache ist, dass sämtliche Geldinstitute in der Schweiz die Transaktionen ihrer Kunden elektronisch überwachen. Das müssen sie. Das fordert das Geldwäschereigesetz. Die Finanzdienstleister müssen wissen, wer über ihre Plattformen Zahlungen abwickelt. Sie sind haftbar, nicht nur für Geldwäsche, sondern auch für Terrorismusfinanzierung. «Die Umsetzung liegt aber immer bei den einzelnen Geldinstituten», so Tobias Lux von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma). Dabei hat jede Bank ihr eigenes Risikomodell.

Amar, der Taliban

Unter anderem füttern sie ihre Systeme mit der vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) veröffentlichten Liste sanktionierter Personen und Organisationen. Gibt es eine Übereinstimmung, geht die rote Ampel an. Dies bestätigt auch Postfinance: «Offenbar stimmte ein Name in Zusammenhang mit der Transaktion mit einem Namen auf einer Sanktionsliste überein», so Postfinance-Sprecher Marc Andrey. 

Und wirklich: Schlägt man beim vom Seco angebotenen Suchformular den Namen Amar nach, erscheinen verschiedene Einträge, unter anderem von Taliban-Führern der ersten Garde. 

«Schweizer Banken sind beim Monitoring klar strenger geworden – es gilt der Grundsatz: Wehret den Anfängen.»
Peter V. Kunz, Wirtschaftsprofessor

Allein: Amar ist ein geläufiger Name in der arabischen Welt. Es stellt sich daher die Frage nach der Verhältnismässigkeit. Genügt ein diffuser Verdacht, begründet lediglich auf einem Vornamen, damit eine Transaktion gestoppt wird? Ja, heisst es bei Postfinance. Wenn das System eine Übereinstimmung mit einem Namen auf einer Sanktionsliste melde, sei Postfinance verpflichtet, die Transaktion zu prüfen, um eine tatsächliche Übereinstimmung auszuschliessen. Der Betrag spielt offenbar keine Rolle: «Sämtliche Transaktionen werden geprüft», so Andrey. 

«Schweizer Banken sind beim Monitoring klar strenger geworden – es gilt der Grundsatz: Wehret den Anfängen», sagt Wirtschaftsprofessor Peter V. Kunz. Die Milliarden-Busse der BNP Paribas habe gezeigt, dass man bei der Einhaltung von internationalen Sanktionen besser zweimal hinschaut. Für ihn ist klar: «Die Aufmerksamkeit für Transaktionen mit Bezug zum islamischen Raum ist gestiegen.» Und: «Personen mit arabisch klingenden Namen stehen gewissermassen unter Generalverdacht», so Kunz. 

«Personen mit arabisch klingenden Namen stehen gewissermassen unter Generalverdacht.»
Peter V. Kunz

Bürokratiemonster 

Selbstversuch: Alarm bei Iran
«Nordwestschweiz» machte den Selbstversuch: Zwei Redaktoren überwiesen sich gegenseitig 100 Franken mit dem Betreff «Iran» auf dem Einzahlungsschein. Prompt gingen bei den involvierten Banken Credit Suisse und Raiffeisen die Alarm-Glocken los. Die beiden Redaktoren erhielten umgehend einen Anruf eines Kundenberaters ihrer Bank mit der Bitte nach detaillierten Informationen zur besagten Transaktion. Die Geldinstitute rechtfertigten ihr Interesse gegenüber den Redaktoren mit der rechtlich unsicheren Lage im Zusammenhang mit den internationalen Sanktionen des Westens gegenüber Iran. (rhe)

Ob solche Verdachtsfälle zehnmal, hundertmal oder gar Tausende Male pro Jahr vorkommen, will Postfinance nicht sagen. Nur so viel: «Der Aufwand für das Monitoring ist gross. Das System muss unterhalten, aktualisiert und verifiziert werden.» Zudem benötigen diese Arbeiten auch entsprechendes Personal. 

Doch dieses leisten sich die Geldinstitute anscheinend gerne – katastrophal wäre der Reputationsverlust, würde sich herausstellen, dass man zur Finanzierung des internationalen Terrorismus beigetragen hätte. So nehmen die Compliance-Abteilungen auch in Kauf, das eine oder andere Mal übers Ziel hinauszuschiessen. 

Das Nachsehen haben dabei die aus ihrer Sicht zu Unrecht bestraften Kunden. Sandro jedenfalls weiss noch nicht, ob er die verlangten Angaben an Postfinance liefern will: «Es widerstrebt meinem Verständnis von Privatsphäre.» Was dann mit den blockierten 100 Franken geschieht, ist unklar. Laut Peter V. Kunz hätte Sandro Anrecht darauf, das Geld zurückzufordern. Postfinance dagegen bleibt vage: Würden Gelder im Rahmen von Sanktionsmassnahmen respektive den entsprechenden Listen gemeldet und gesperrt, verfahre Postfinance nach Anweisung der zuständigen Behörde. Bei Übereinstimmung einer Transaktion mit einer gelisteten Person, Unternehmung oder Organisation muss nämlich ein Finanzinstitut die betreffenden Transaktionen der zuständigen Behörde melden. 

Jetzt auf

Frage der Verhältnismässigkeit

Die Filter, in denen potenzielle Terroristen- und Kriminellengelder hängen bleiben sollen, scheinen zu funktionieren. In Zeiten des E-Banking, wo täglich Zigtausende Transaktionen automatisiert getätigt werden, sind die Unternehmen auf entsprechende Monitoring-Programme angewiesen. Der Grad der Standardisierung ist hoch – das trägt dem Einzelnen kaum Rechnung. Die Verhältnismässigkeit zu wahren, liegt im Ermessen des zuständigen Compliance-Mitarbeitenden

* Es handelt sich um fiktive Namen; die echten Namen sind der Redaktion bekannt. 

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