Schweiz
ÖV

Öffentlicher Verkehr will neue Preis- und Abo-Formen einführen

ZUR EINFUEHRUNG DES SWISSPASSES VOR DREI MONATEN STELLEN WIR IHNEN HEUTE, MITTWOCH, 4. NOVEMBER 2015, FOLGENDES NEUES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG --- A conductor verifies a train passenger's Swis ...
Fährt die Schweiz bald günstiger? Die ÖV-Branche testet neue Preismodelle.Bild: KEYSTONE

Jetzt wird es richtig kompliziert: Bahn und Bus testen viele neue Preismodelle

Neue, flexiblere Arbeitsmodelle rufen nach neuen, flexibleren Abos für den öffentlichen Verkehr: Die Swisspass-Allianz testet einen Strauss verschiedener Preismodelle. Wir schaffen Übersicht.
01.09.2021, 14:3001.09.2021, 15:24
Florence Vuichard / CH MEdia
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Noch sind die Folgen von Corona spürbar, noch haben die Auslastungszahlen in Zügen und Bussen das Vorpandemie-Niveau nicht erreicht. Im Juli etwa lagen die Zahlen noch immer gut 11 Prozent unter dem Stand von 2019, wie der Chef der Swisspass-Allianz Helmut Eichhorn betont.

In der Lockdown- und Homeoffice-Zeit haben sich auch die Kundenbedürfnisse gewandelt. Die Transportunternehmen, Tarifverbünde und die Alliance Swisspass reagieren nun auf das veränderte Mobilitätsverhalten mit neuen Preismodellen, die in den nächsten Monaten und Jahre als Pilotprojekte getestet werden sollen:

Nationales «ÖV-Konto» von bis zu 3000 Franken

Das Generalabonnement (GA) kann ab sofort nicht mehr r
Schön war sie, die GA-Karte. Heute ist alles SwissPass.Bild: sda

Zuerst zahlen, dann fahren – und zwar mit Rabatt. Das ist die Idee hinter den Guthaben-Preismodellen: Kundinnen und Kunden erwerben über die Easy-Ride-Funktion der SBB-App ein Guthaben von 1000 respektive 3000 Franken, zahlen aber dafür «nur» 800 respektive 2000 Franken und können damit während eines Jahres Billette und Tageskarten für sich beziehen – ebenfalls über die Easy-Ride-Funktion. Die Kundinnen und Kunden gehen dabei kein finanzielles Risiko ein: Denn wird der Kaufpreis von 800 respektive 2000 Franken während der einjährigen Abolaufdauer nicht vollständig aufgebraucht, dann wird die Differenz zwischen Kaufpreis und genutztem Guthaben zurückerstattet.

Läuft bei SBB und Co.: Das automatische Ticketing mit der Funktion Fairtiq.
Läuft bei SBB und Co.: Das automatische Ticketing mit der Funktion Fairtiq.bild: screenshot

Das Pilotprojekt wird während eines Zeitraums von 15 Monaten getestet, konkret zwischen dem 1. Dezember 2021 und dem 27. Februar 2023. Nach Ablauf der auf ein Jahr beschränkten Abodauer werden die Billette und Tageskarten auf der SBB-App wieder dem ursprünglich hinterlegten Zahlungsmittel verrechnet. Die Rekrutierung der maximal 1200 Testpersonen startet im November 2021 – und erfolgt über eine zufällige Auswahl aus dem Kundenverzeichnis der ÖV-Branche. Gesucht sind je 600 Personen pro Guthabenkategorie.

Details in Kürze
– Start Kundenrekrutierung: November 2021.
– Erster Gültigkeitstag: 1. Dezember 2021.
– Letzter Gültigkeitstag: 27. Februar 2023.
Persönliches Guthaben, mit welchem über die EasyRide-Funktion der SBB-App inhaberbezogene Fahrausweise gekauft werden können.

Zwei Guthabengrössen stehen zur Verfügung: 3000 Franken öV-Guthaben zum Preis von 2000 Franken – oder: 1000 Franken öV-Guthaben zum Preis von 800 Franken.

Regionales «ÖV-Konto» von bis zu 500 Franken im Kanton Zug

Details in Kürze
– Start Kundenrekrutierung: Anfang November 2021.
– Erster Gültigkeitstag: Anfang November 2021.
– Letzter Gültigkeitstag: 31. Dezember 2022.
Persönliches Guthaben, mit welchem über die App von Fairtiq inhaberbezogene Fahrausweise gekauft werden können. Es steht eine Guthabengrösse zur Verfügung: 500 Franken öV-Guthaben zum Preis von 400 Franken.

Ein vergleichbares Guthaben-Modell wird auch auf regionaler Ebene getestet, und zwar in Zug. Hier kann ein Jahresguthaben von 500 Franken für den Preis von 400 Franken erworben werden. Gekauft wird das Guthaben über die App von Fairtiq. Sobald das Guthaben freigeschaltet ist, wird jeder über die Fairtiq-App gekaufte Fahrausweis innerhalb des Perimeters des Tarifverbunds Zug automatisch vom gekauften Guthaben abgezogen.

Nach Ablauf der einjährigen Abolaufdauer oder nach Aufbrauchen des Guthabens werden Billette und Tageskarten wieder dem ursprünglich hinterlegten Zahlungsmittel verrechnet. Das Gleiche gilt auch für sämtliche Tickets, die den Perimeter des Zuger Verkehrsverbunds durchbrechen. Auch hier gilt: Wird der Kaufpreis nicht amortisiert, erhält die Testperson die Differenz zwischen Kaufpreis und genutztem Guthaben zurückerstattet.

Der Versuch dauert von November 2021 bis Ende Dezember 2022 und ist nur für die angeschriebenen rund 1600 ehemaligen Abonnentinnen und Abonnenten des Jahresabos «Zuger Pass Plus» erwerbbar. Es können maximal 500 Produkte verkauft werden.

Wahltage-Abo für zwei oder drei Tage pro Woche

Details in Kürze
– Start Kundenrekrutierung: 16. August 2021.
– Erster Gültigkeitstag: 16. August 2021.
– Letzter Gültigkeitstag: 31. Januar 2023.
Das FlexiAbo wird als Abonnement für zwei respektive drei Tage pro Woche angeboten und enthält 104 respektive 156 Nutzungstage. Die Kundinnen und Kunden können den Reisetag bis zum selben Tag aktivieren und bis 23.59 Uhr am Vortag ändern oder stornieren.

Das Wahltage-Abonnement ist letztlich ein Art Jahres-Abo für ausgewählte Tage, die im Vorfeld über einen digitalen Kalender oder am Schalter bestimmt werden können. Die Kundinnen und Kunden können die gewünschten Reisetage auch noch am Tag selbst aktivieren – oder bei Bedarf bis 23.59 Uhr am Vortag ändern oder gar stornieren. Die Aktivierung erfolgt über das Kundenkonto bei swisspass.ch. Das ist das Prinzip des Ausflugs-GA, das es im April 2018 eingeführt wurde und entweder 20 oder 30 Tage pro Jahr umfasst.

Breiter ausprobiert wird dieses Wahltage-Abonnement derzeit nur im Waadtland. Dort testet der Tarifverbund Mobilis dieses Konzept mit dem sogenannten «Flexi-Abo». Es ist ein Abonnement für zwei respektive drei Tage pro Woche und enthält folglich 104 respektive 156 Nutzungstage. Die Rekrutierung von Kundinnen und Kunden hat bereits am 16. August 2021 gestartet. Erster Gültigkeitstag war besagter 16. August 2021, letzter ist der 31. Januar 2023. Das Angebot steht während der Pilotphase sämtlichen Kundinnen und Kunden offen. Es wird analog den bestehenden Jahresabonnementen in denselben Angebots- und Zonenkategorien zu einem reduzierten Preis angeboten.

Ab Dezember soll im Kanton Freiburg ein ähnliches Konzept getestet werden.

Deckelung der Fahrkosten

Die Fahrkosten sollen einen bestimmten Betrag nicht überschreiten. Das ist die Idee hinter dem sogenannten «Capping-Preismodell». Ist der Preisdeckel erreicht, sind sämtliche weiteren Fahrten kostenlos. Ein Preis-Capping kann auf Tages-, Wochen-, Monats- oder Jahresbasis bestehen und sich auf einen bestimmten Betrag oder eine Anzahl Fahrausweise beziehen. Auf regionaler Ebene finden derzeit drei Pilotversuche statt.

  • Kanton Aargau: Ab dem 1. September können Kundinnen und Kunden im Aargau mit Preisdeckel im ÖV fahren. Inhaberbezogene Fahrausweise, welche über die Fairtiq-App für Reisen innerhalb des Perimeters des Tarifverbunds A-Welle gekauft wurden, werden fortlaufend abgerechnet. Je nach Anzahl der genutzten Zonen wird ein Preisdeckel festgelegt. Am Monatsende wird die Differenz zwischen Preisdeckel und effektiver Kosten der Kundin respektive dem Kunden in Form von Fairtiq-Guthaben gutgeschrieben.

    Die Preisdeckelung pro Monat beträgt je nach Anzahl Zonen zwischen 100 und 318 Franken. Der Preis setzt sich zusammen aus dem regulären Preis für ein Monatsabonnement der entsprechenden Zonen plus einem Zuschlag von zehn Prozent. So wird sichergestellt, dass reguläre Abonnentinnen und Abonnenten, die das Abo weiterhin im Voraus bezahlen, günstiger reisen.
  • Uri: Wer im Talboden von Uri Bahn oder Bus fährt, bezahlt pro Tag mit einem Halbtax-Abo nie mehr als 5 Franken respektive 7.50 Franken ohne Halbtax – ganz egal, wie viele Fahrten zurückgelegt werden. Von diesem Angebot profitieren kann, wer die Tickets über die Easy-Ride-Funktion oder die Fairtiq-App tätigt. Das heisst: Sobald Fahrten, die ausschliesslich innerhalb des Urner Talbodens an einem Tag die Limite von 5 respektive 7.50 Franken erreichen, kommen keine weiteren Kosten für diesen Tag hinzu. Das Angebot, das allen zugänglich ist, startet am 12. Dezember 2021, wie lange es anhält, ist derzeit noch unklar.
  • Lausanne: Gedeckelt werden die Kosten nicht nur über die ausgegebenen Franken, sondern auch über die Anzahl gelöster Tickets – etwa in Lausanne für zum Vollpreis gekaufte Tickets für die Zonen des Perimeters «Grand Lausanne» plus optional maximal eine zusätzliche, angrenzende Zone. Wer innerhalb des Monats 20 Tickets zum Vollpreis per SMS gekauft hat, fährt ab der 21. Fahrt in diesem Perimeter gratis und bekommt dazu einen Promocode, den er bei allen weiteren SMS-Ticketkäufen mitschicken muss. Der Test lief vom 1. Juli bis zum 31. August 2021. Dann werden keine weiteren Gebühren verrechnet. Das Angebot stand sämtlichen Kundinnen und Kunden offen.

Modelle mit dem Sparticket

Was national möglich ist, soll auch regional möglich werden. So soll es neu auch Sparbillette auch auf Strecken innerhalb eines Tarifverbunds geben. Ziel ist es auch hier, die «Spitzen» zu brechen, indem Kundinnen und Kunden mit Preisnachlässen zu Fahrten ausserhalb der Stosszeiten animiert werden sollen. Je tiefer die Auslastungsprognose des Transportgefässes ist, desto günstiger ist der Preis.

Als erster ÖV-Verbund hat der Luzerner Tarifverbund Passepartout dieses Konzept am 9. Juli 2021 eingeführt – und zwar unbefristet. Vorerst können Reisende von Sparbilletten auf fünf Strecken profitieren: Luzern–Escholzmatt, Luzern–Zofingen, Luzern–Küssnacht am Rigi, Luzern–Engelberg und Luzern–Lungern. Die Spartickets können frühestens 60 Tage bis spätestens eine Stunde vor Abfahrt gekauft werden. Die Rabatte reichen von 1 Franken in der zweiten Klasse respektive 1.50 Franken in der ersten Klasse bis zu 120 Franken. Das Ticket ist fahrplan- und streckengebunden, Umtausch und Rückerstattung sind grundsätzlich nicht möglich.

Fazit?

Haben die regionalen Pilotprojekte Erfolg, dürften sie auch national getestet werden - und vielleicht auch eingeführt werden. Das nationale Guthaben-Abo ist am weitesten: Dieses könnte bei Erfolg bereits per Ende 2022 definitiv eingeführt werden, heisst es bei Alliance Swisspass.

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47 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Clife
01.09.2021 15:38registriert Juni 2018
Ich würde lieber eine nationale Steuer für öV zahlen von 300.- und dafür kein Serafe/Billag anstatt umgekehrt. Vom öV hat man wesentlich mehr als vom Fernsehen, insbesondere weil die Mehrheit der Bevölkerung mehr vom öV hätte und ich denke, dass man Streaming Dienste dem klassischen Fernsehen bevorzugt (und in Zukunft dies auch mehr bevorzugen wird).
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fidget
01.09.2021 15:15registriert Dezember 2018
Verstehe ich nicht ganz. Das ist doch kein Abo, sondern einfach eine Prepaidkarte mit reduziertem Preis. Meine Tickets müsste ich aber immer noch zum vollen Preis lösen. Je nach gewählter Prepaidkarte hat man dann rechnerisch einen Rabatt von 20% oder 33%. Sofern es das Halbtaxabo für 165.- weiterhin gibt, was ich sehr hoffe, fährt man damit in jedem Fall günstiger.
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Furz
01.09.2021 15:54registriert April 2015
Meines Erachtens ist der öffentliche Verkehr von nationaler Bedeutung und sollte so billig sein, dass sich dass jedermann mehrmals pro Monat leisten kann. Nahverkehr gratis. Je weiter desto teurer . Aber immer noch bezahlbar
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