Noch sind die Folgen von Corona spürbar, noch haben die Auslastungszahlen in Zügen und Bussen das Vorpandemie-Niveau nicht erreicht. Im Juli etwa lagen die Zahlen noch immer gut 11 Prozent unter dem Stand von 2019, wie der Chef der Swisspass-Allianz Helmut Eichhorn betont.
In der Lockdown- und Homeoffice-Zeit haben sich auch die Kundenbedürfnisse gewandelt. Die Transportunternehmen, Tarifverbünde und die Alliance Swisspass reagieren nun auf das veränderte Mobilitätsverhalten mit neuen Preismodellen, die in den nächsten Monaten und Jahre als Pilotprojekte getestet werden sollen:
Zuerst zahlen, dann fahren – und zwar mit Rabatt. Das ist die Idee hinter den Guthaben-Preismodellen: Kundinnen und Kunden erwerben über die Easy-Ride-Funktion der SBB-App ein Guthaben von 1000 respektive 3000 Franken, zahlen aber dafür «nur» 800 respektive 2000 Franken und können damit während eines Jahres Billette und Tageskarten für sich beziehen – ebenfalls über die Easy-Ride-Funktion. Die Kundinnen und Kunden gehen dabei kein finanzielles Risiko ein: Denn wird der Kaufpreis von 800 respektive 2000 Franken während der einjährigen Abolaufdauer nicht vollständig aufgebraucht, dann wird die Differenz zwischen Kaufpreis und genutztem Guthaben zurückerstattet.
Das Pilotprojekt wird während eines Zeitraums von 15 Monaten getestet, konkret zwischen dem 1. Dezember 2021 und dem 27. Februar 2023. Nach Ablauf der auf ein Jahr beschränkten Abodauer werden die Billette und Tageskarten auf der SBB-App wieder dem ursprünglich hinterlegten Zahlungsmittel verrechnet. Die Rekrutierung der maximal 1200 Testpersonen startet im November 2021 – und erfolgt über eine zufällige Auswahl aus dem Kundenverzeichnis der ÖV-Branche. Gesucht sind je 600 Personen pro Guthabenkategorie.
Ein vergleichbares Guthaben-Modell wird auch auf regionaler Ebene getestet, und zwar in Zug. Hier kann ein Jahresguthaben von 500 Franken für den Preis von 400 Franken erworben werden. Gekauft wird das Guthaben über die App von Fairtiq. Sobald das Guthaben freigeschaltet ist, wird jeder über die Fairtiq-App gekaufte Fahrausweis innerhalb des Perimeters des Tarifverbunds Zug automatisch vom gekauften Guthaben abgezogen.
Nach Ablauf der einjährigen Abolaufdauer oder nach Aufbrauchen des Guthabens werden Billette und Tageskarten wieder dem ursprünglich hinterlegten Zahlungsmittel verrechnet. Das Gleiche gilt auch für sämtliche Tickets, die den Perimeter des Zuger Verkehrsverbunds durchbrechen. Auch hier gilt: Wird der Kaufpreis nicht amortisiert, erhält die Testperson die Differenz zwischen Kaufpreis und genutztem Guthaben zurückerstattet.
Der Versuch dauert von November 2021 bis Ende Dezember 2022 und ist nur für die angeschriebenen rund 1600 ehemaligen Abonnentinnen und Abonnenten des Jahresabos «Zuger Pass Plus» erwerbbar. Es können maximal 500 Produkte verkauft werden.
Das Wahltage-Abonnement ist letztlich ein Art Jahres-Abo für ausgewählte Tage, die im Vorfeld über einen digitalen Kalender oder am Schalter bestimmt werden können. Die Kundinnen und Kunden können die gewünschten Reisetage auch noch am Tag selbst aktivieren – oder bei Bedarf bis 23.59 Uhr am Vortag ändern oder gar stornieren. Die Aktivierung erfolgt über das Kundenkonto bei swisspass.ch. Das ist das Prinzip des Ausflugs-GA, das es im April 2018 eingeführt wurde und entweder 20 oder 30 Tage pro Jahr umfasst.
Breiter ausprobiert wird dieses Wahltage-Abonnement derzeit nur im Waadtland. Dort testet der Tarifverbund Mobilis dieses Konzept mit dem sogenannten «Flexi-Abo». Es ist ein Abonnement für zwei respektive drei Tage pro Woche und enthält folglich 104 respektive 156 Nutzungstage. Die Rekrutierung von Kundinnen und Kunden hat bereits am 16. August 2021 gestartet. Erster Gültigkeitstag war besagter 16. August 2021, letzter ist der 31. Januar 2023. Das Angebot steht während der Pilotphase sämtlichen Kundinnen und Kunden offen. Es wird analog den bestehenden Jahresabonnementen in denselben Angebots- und Zonenkategorien zu einem reduzierten Preis angeboten.
Ab Dezember soll im Kanton Freiburg ein ähnliches Konzept getestet werden.
Die Fahrkosten sollen einen bestimmten Betrag nicht überschreiten. Das ist die Idee hinter dem sogenannten «Capping-Preismodell». Ist der Preisdeckel erreicht, sind sämtliche weiteren Fahrten kostenlos. Ein Preis-Capping kann auf Tages-, Wochen-, Monats- oder Jahresbasis bestehen und sich auf einen bestimmten Betrag oder eine Anzahl Fahrausweise beziehen. Auf regionaler Ebene finden derzeit drei Pilotversuche statt.
Was national möglich ist, soll auch regional möglich werden. So soll es neu auch Sparbillette auch auf Strecken innerhalb eines Tarifverbunds geben. Ziel ist es auch hier, die «Spitzen» zu brechen, indem Kundinnen und Kunden mit Preisnachlässen zu Fahrten ausserhalb der Stosszeiten animiert werden sollen. Je tiefer die Auslastungsprognose des Transportgefässes ist, desto günstiger ist der Preis.
Als erster ÖV-Verbund hat der Luzerner Tarifverbund Passepartout dieses Konzept am 9. Juli 2021 eingeführt – und zwar unbefristet. Vorerst können Reisende von Sparbilletten auf fünf Strecken profitieren: Luzern–Escholzmatt, Luzern–Zofingen, Luzern–Küssnacht am Rigi, Luzern–Engelberg und Luzern–Lungern. Die Spartickets können frühestens 60 Tage bis spätestens eine Stunde vor Abfahrt gekauft werden. Die Rabatte reichen von 1 Franken in der zweiten Klasse respektive 1.50 Franken in der ersten Klasse bis zu 120 Franken. Das Ticket ist fahrplan- und streckengebunden, Umtausch und Rückerstattung sind grundsätzlich nicht möglich.
Haben die regionalen Pilotprojekte Erfolg, dürften sie auch national getestet werden - und vielleicht auch eingeführt werden. Das nationale Guthaben-Abo ist am weitesten: Dieses könnte bei Erfolg bereits per Ende 2022 definitiv eingeführt werden, heisst es bei Alliance Swisspass.