Terroristen der Palästinensischen Befreiungsfront hatten eine Paketbombe mit Höhenmesser auf dem Postweg nach Tel Aviv geschickt. Per Zufall landete sie in Zürich im Gepäckraum von Swissair-Flug 330. Am 21. Februar 1970 starben 47 Menschen, als die Coronado beim Aufprall im Wald bei Würenlingen (AG) in Stücke gerissen wurde. Der Flugzeugabsturz war der schwerste Terroranschlag auf Schweizer Boden (siehe Chronologie unten).
Die Täter wurden nie bestraft, obwohl sie bald bekannt waren. Nun könnte der Fall nach langem Ringen wieder aufgerollt werden. Die «Neue Zürcher Zeitung» schreibt in ihrer Ausgabe vom Mittwoch, dass die Bundesanwaltschaft den Fall Würenlingen noch einmal überprüfe. Bei der Ermittlungsbehörde des Bundes ist ein Gesuch um Wiederaufnahme des Strafverfahrens eingegangen. Arthur Schneider, langjähriger Gemeindeammann von Würenlingen, hat das Gesuch gestellt.
Auslöser dazu ist unter anderem ein FBI-Bericht, den die «NZZ» im vergangenen September publik gemacht hat. In dem Bericht der Amerikaner werden zwei Deutsche genannt, die am Bau der Bombe beteiligt gewesen sein sollen. Das waren völlig neue Erkenntnisse, die den Schweizer Ermittlungsbehörden bis dato unbekannt waren.
Arthur Schneider war 1970 frisch gewählter Gemeinderat und erlebte den Absturz hautnah mit. Seither lässt ihm der Fall keine Ruhe. Dass die Täter nie belangt wurden, ist für ihn unerträglich. Aus Tausenden von Notizen und Dokumenten schrieb Schneider das Buch, das er 2015 unter dem Titel «Goodbye everybody» publizierte – das waren die letzten Worte des Co-Piloten vor dem Aufprall.
Im FBI-Bericht ist von «Two Unidentified West Germans» – zwei unbekannten Westdeutschen – die Rede, die am Bombenbau beteiligt gewesen sein sollen. Das müsste laut Schneider Grund genug sein für die Schweizer Behörden, den Fall neu aufzurollen. Er schickte schon 2015 allen sieben Bundesräten, dem Bundeskanzler, dem Bundesanwalt und allen Bundesparlamentariern ein Exemplar seines Buches – zusammen mit einem Brief, man möge doch den Fall endlich richtig aufklären.
Der SVP-Nationalrat Maximilian Reimann hat im Dezember 2016 schliesslich mit einer Anfrage an den Bundesrat geholfen, die Wiederaufnahme der Ermittlungen anzustossen. Reimann wollte vom Bundesrat wissen, was an den Hinweisen auf die beiden unbekannten Deutschen dran sei.
In der Antwort des Bundesrats heisst es, es sei Sache der Bundesanwaltschaft, das zu klären. Diese prüft nun Schneiders Gesuch. Ob und wann die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen tatsächlich wieder aufnimmt, ist noch unklar. Man wolle Schneider «zu gegebener Zeit das Ergebnis der Prüfung mitteilen», sagt Linda Studer, Sprecherin der Bundesanwaltschaft.
Dass der Fall noch nicht verjährt ist, ist allein der früheren Bundesanwältin Carla Del Ponte zu verdanken. 1995, zum 25. Jahrestag des Absturzes, erklärte sie den Fall mit einem juristischen Kniff für unverjährbar: In der Swissair-Zentrale ging nämlich zwei Tage nach dem Anschlag von Würenlingen per Telefon eine Drohung weiterer Bombenanschläge ein.
Das sei als «erpresserische Drohung gegen die schweizerischen Behörden» zu werten, befand Del Ponte. Trotzdem wurde das Strafverfahren von ihrem Nachfolger Valentin Roschacher im Jahr 2000 ad acta gelegt.
Nun könnte es wieder aus dem Aktenschrank hervorgeholt und vielleicht endlich juristisch aufgearbeitet werden.