«Aargau steuert auf traurigen Jahresrekord zu» titelte die AZ im Juli 2015. Nun ist es Gewissheit. Mit 14 vollendeten Tötungsdelikten steht der Kanton wohl nicht nur schweizweit an der Spitze der Kriminalitätsstatistik, auch im Jahresvergleich nimmt sich das vergangene Jahr als das blutigste in der Geschichte des Aargau aus.
Verantwortlich dafür sind die beiden vierfachen Morde von Würenlingen (9. Mai) und Rupperswil (21. Dezember) und der Doppelmord von Sarmenstorf (8. Juli). Dazu kommen je eine Tötung in Niederlenz (1. Februar) und Gipf-Oberfrick (4. November). Im Vergleich zu den vergangenen fünf Jahren ist die traurige Zahl von 14 Opfern absoluter Spitzenwert. Zum Vergleich: In den Jahren von 2010 bis 2014 gab es im Kanton Aargau zusammengenommen 15 vollendete Tötungsdelikte – also rund so viele wie alleine im Jahr 2015.
Was die Aufklärungsrate angeht, ist die Statistik eindeutig. Sämtliche Delikte in der Zeit zwischen 2010 und 2014 wurden aufgeklärt – das Urteil gegen Zeljko J., den Todesschützen von Gränichen von 2012, ist noch nicht rechtskräftig.
In der näheren Vergangenheit gibt es im Kanton Aargau nur zwei Tötungsdelikte, welche unaufgeklärt bleiben: Die Fälle Karl Paul Dittmann von Koblenz 2009 und Heidi Scheuerle von 1996 (siehe Box).
Betrachtet man die einzelen Verbrechen im 2015 fällt auf: Sämtliche Täter stammen aus dem engeren Umfeld der Opfer. Bei den Tötungen handelte es sich allesamt entweder um Beziehungsdelikte oder Familiendramen.
Dass die Ermittler im Vierfachmord von Rupperswil zu allererst im Umfeld der Opfer nach Hinweisen suchen, macht mit Blick auf die nähere Vergangenheit also durchaus Sinn. Und auch hinsichtlich der Aufklärung kann gesagt sein: Statistisch gesehen gibt es kaum Zweifel, dass das brutale Verbrechen aufgeklärt und die Täter gefasst werden.
Es ist ein verschneiter Sonntagabend in einem beschaulichen Familienquartier in Niederlenz. Plötzlich stürmt eine 43-jährige Frau auf die Terrasse ihres Zweifamilienhauses und schreit laut. Nachbarn rufen die Polizei. Als die Beamten eintreffen, stossen sie auf den schwerverletzten 43-jährigen Ehemann und die leichtverletzte Ehefrau. Für die vierjährige Raquel kam jede Hilfe zu spät. Der Ehemann wurde dringend verdächtigt, die kleine Raquel mit einem Küchenmesser erstochen zu haben. Bevor er sich selbst schwer verletzte, fügte er auch seiner Frau Verletzungen zu. Anfang Mai nahm sich der Mann mit einem Kopfsprung im Treppenhaus der Strafanstalt Lenzburg das Leben.
Die Bluttat von Würenlingen schockiert die Schweiz und sorgt für internationale Schlagzeilen: Am Montag, 4. Mai fährt ein 36-jähriger Schweizer türkischer Abstammung zum Haus seiner Schwiegereltern in Würenlingen. Dort angekommen, richtete er ein Massaker an. Mit insgesamt 14 Schüssen tötete er seinen 57-jährigen Schwiegervater, seine 59-jährige Schwiegermutter, den 31-jährigen Schwager und einen 45-jährigen Nachbarn, den er zufällig antrifft. Unmittelbar danach richtet er sich selbst. Dem Amoklauf sollen Erbschaftsstreitigkeiten vorausgegangen sein. Fest steht: Der Mann litt sein längerer Zeit unter psychischen Problemen. Erst neun Tage vor der Bluttat wurde er aus einer psychiatrischen Klinik entlassen, in die er wegen Selbst- und Fremdgefährdung eingeliefert wurde.
Es war ein Unglück mit Ansage: Bereits seit Jahren soll das Verhältnis zwischen A.S. und seinen Eltern zerrüttet gewesen sein. Der Vater galt im Dorf als Alkoholiker und Choleriker. Er soll seine Söhne in früheren Jahren auch körperlich misshandelt haben. Der 32-jährige A.S. habe dieses Verhalten mehrmals gegenüber seinem Freundeskreis zur Sprache gebracht und auch der Polizei gemeldet. Schliesslich war es am Abend des Mittwochs, 8. Juli, als sich die Ereignisse überschlugen. A.S. steht unter dringendem Tatverdacht, seine Eltern in ihrem Haus in Sarmenstorf erstochen zu haben. Nach kurzer Flucht konnten A.S. und seine 29-jährige Ehefrau am frühen Donnerstagmorgen in der Gegend rund um den Hallwilersee verhaftet werden. Auch seine Ehefrau wird verdächtigt, an der Tat beteiligt zu sein.
Durch Schreie alarmiert rufen Nachbarn am Mittwochmorgen, 4. November, die Polizei. Diese trifft nach weniger als fünf Minuten ein. Im Garten treffen sie auf eine schwerstverletzte 30-jährige Afghanin und ihren 40-jährigen Ehemann. Die junge Frau erliegt noch am Tatort ihren Stich- und Schnittverletzungen. Der Ehemann lässt sich widerstandslos festnehmen. Er steht unter dringendem Tatverdacht, seine Frau getötet zu haben. Bislang verweigerte er gegenüber der Polizei die Aussage. Die Familie mit drei Kindern lebte seit fünf Jahren in der Schweiz und galt als vorläufig aufgenommen. Die Kinder wurden mittlerweile fremdplatziert.
Nachdem die Feuerwehr zu einem Brand in einem Mehrfamilienhaus in Rupperswil gerufen wurde, trifft sie auf vier tote Personen. Bald stellt sich heraus: Die 48-jährige Carla Schauer und ihre Söhne Dion (19) und Davin (13) sowie die Freundin des älteren Sohnes, Simona F. (21), wurden ermordet. Kurz vor der Tat hat Carla Schauer noch in zwei Banken der Umgebung einen unbekannten Geldbetrag abgehoben. Die Vermutungen gehen bis dato in die Richtung, dass es sich beim Verbrechen um einen Raubmord mit Erpressung handeln könnte. Die Polizei ermittelt jedoch explizit in alle Richtungen. (rhe) (aargauerzeitung.ch)