Eine der pointiertesten Gegnerinnen der Konzernverantwortungsinitiative ist die Grünliberale Nationalrätin Isabelle Chevalley. Das ist vor allem deshalb interessant, weil sich die Waadtländerin seit 20 Jahren in Afrika engagiert. Burkina Faso ist ihre zweite Heimat, seit drei Jahren hat sie einen diplomatischen Pass des westafrikanischen Landes. So hat sie sich vorgenommen, den «Kontinent zu reinigen» – Abfall ist ihr grosses Thema. Sie baut konkrete Projekte auf, etwa in Burkina Faso, wo Frauen Plastiksäcke zu Stoffen verarbeiten, um daraus Taschen zu nähen. Im Abstimmungskampf warnt sie nun davor, dass die Initiative die Armut von afrikanischen Bauern vergrössere.
Die Logik dahinter: Die Initiative sieht eine Kausalhaftung bei Verstössen gegen Menschenrechte und Umweltstandards vor – selbst für ökonomisch kontrollierte Zulieferer. Die Gegner der Initiative argumentieren, das berge Rechtsrisiken für Schweizer Firmen, die in Entwicklungsländern tätig sind. Das Resultat werde sein, dass die Unternehmen weniger investieren oder sich ganz zurückziehen würden. Chevalley formulierte es in einem Interview mit der Zeitung «Le Matin Dimanche» so:
Paul Hälg, Verwaltungsratspräsident des Bauchemiekonzerns Sika, sagte es ähnlich in einem Interview mit diesem Medium. Mit der Initiative müsste man ein hohes Rechtsrisiko bei Investitionen etwa in Afrika einkalkulieren, so Hälg:
Entwicklungsökonomen sind irritiert über diese Aussagen. 15 Professoren von sieben verschiedenen Schweizer Hochschulen halten in einem gemeinsamen Schreiben fest, dass die Initiative ein geeignetes Instrument sei, um sicherzustellen, dass die Aktivitäten von Schweizer Unternehmen entwicklungsfördernd und eben nicht entwicklungshemmend wirken. Dabei stellen sie die Bedeutung der Unternehmen für die Armutsbekämpfung nicht in Frage. Im Gegenteil: «Die Privatwirtschaft ist ein entscheidender Motor der Entwicklung und der Armutsbekämpfung», schreiben die Ökonomen. Allerdings nur, wenn dabei grundlegende Menschenrechte gewährleistet sind und keine groben Verletzungen des natürlichen Lebensumfelds einhergehen, sodass die Einkommensmöglichkeiten der Menschen nicht erheblich beeinträchtigt würden.
Katharina Michaelowa von der Universität Zürich hält es aus entwicklungspolitischer Sicht für notwendig, dass Geschädigte vor Schweizer Gerichten klagen können:
Im eigenen Land würden die Menschen nie eine Chance bekommen, ihre Rechte durchzusetzen. Daran, dass Schweizer Firmen ihre Investitionen in Entwicklungsländer aufgrund höherer Rechtsrisiken überdenken würden, glaubt die Professorin nicht. Einerseits, weil man in Entwicklungsländern bereits mit kostengünstigen Massnahmen viel bewegen könne, um etwa die Umweltsituation zu verbessern. Eine Standortverlegung verursache hingegen hohe Kosten. Andererseits aber auch, weil die Unternehmen schlicht auf die Gewinnung lokaler Rohstoffe angewiesen seien und ihre wirtschaftliche Tätigkeit nicht einfach verschieben könnten.
Entsprechend würden Firmen, die tatsächlich gegen Menschenrechte und Umweltstandards verstossen, künftig Anpassungen vornehmen um rechtskonform zu werden. Michaelowa zielt mit dieser Aussage natürlich auf die grossen Rohstoffkonzerne wie Glencore, die im Zentrum der Abstimmungskontroverse stehen. Dass die Haftung auch für wirtschaftlich kontrollierte Zulieferer gilt, hält Michaelowa für notwendig: «Das ist eine Antiumgehungsklausel. Firmen könnten sonst einfach die rechtlichen Strukturen ändern, um der Haftung zu entgehen.»