Die Schweizer Bevölkerung bringt der AHV immer weniger Vertrauen entgegen. Entsprechend gewinnt die private Altersvorsorge weiter an Bedeutung, wie das am Donnerstag von Raiffeisen veröffentlichte Vorsorgebarometer zeigt.
Eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung setze in der Vorsorge auf Eigenverantwortung, heisst es in der neuen Studie. Das beeinflusse das Vorsorgeverhalten positiv – je stärker man sich in der Verantwortung sehe, desto eher werde ein Säule-3-Produkt eröffnet.
Verstärkt wurden die Tendenzen durch die Coronakrise, wie Studienmitautor Daniel Greber von der ZHAW bei der Präsentation der Studie vor den Medien sagte. Mit «weniger Möglichkeiten, Geld auszugeben» sei die Vorsorge verstärkt worden. Gleichzeitig hatten die Leute auch mehr Zeit, sich Gedanken über ihre Vorsorgeplanung zu machen, ergänzte Tashi Gumbatshang von Raiffeisen.
Je nach Alter und nach Region zeigten sich allerdings auch Unterschiede: Je älter die Person, desto mehr sieht sie sich laut der Umfrage selbst in der Verantwortung, während sich junge Erwachsene deutlich häufiger «auf den Staat» verlassen. Zudem ist in der Deutschschweiz die Eigenverantwortung punkto Vorsorge am stärksten ausgeprägt, in der Romandie am geringsten.
In der «Vertrauensfrage» erklärten noch 16 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer, für ihre Altersvorsorge auf die AHV zu vertrauen. Etwas höher als im Vorjahr fiel mit 17,8 Prozent das Vertrauen auf die Pensionskasse aus. Das höchste Vertrauen geniesst aber die private Altersvorsorge via die dritte Säule mit einem Anteil von 50,3 Prozent.
Mehr Zuspruch erhielt auch eine Anpassung des Rentenalters: Mittlerweile stehe eine Mehrheit von über 76 Prozent einer solchen positiv gegenüber, nur 21,5 Prozent wollten den Status Quo beibehalten, heisst es in der Studie. Bei der Ausgestaltung gehen die Meinungen allerdings auseinander: Eine Erhöhung auf 65 Jahre für beide Geschlechter wird von einem guten Drittel Prozent befürwortet, rund 30 Prozent will dagegen kein fixes Rentenalter und eine «Entpolitisierung» des Themas.
Andererseits zeigt die Befragung aber auch, dass das Arbeiten über das Pensionierungsalter hinaus für immer weniger Personen eine Option ist. Einen Widerspruch zum vermehrten Wunsch zum flexibleren Rentenalter erklärten die Studienverfasser zum Teil auch damit, dass sie etwa keine Fragen über Teilzeit-Arbeitsmodelle nach der Pensionierung gestellt hatten.
Beliebter geworden ist in der beruflichen Vorsorge der Kapitalbezug des in der Pensionskasse angesparten Guthabens statt einer Rente. Immerhin fast 15 Prozent der Deutschschweizer und 18 Prozent der Westschweizer gaben an, lieber das Kapital als eine Rente beziehen. Ein möglicher Grund sei die Senkung der Umwandlungssätze für die 2. Säule, sagte Greber vor den Medien.
Gleichzeitig bürdet ein Kapitalbezug den Pensionierten auch viel Verantwortung für die Einteilung seiner Finanzen auf. Unterschätzt werde dabei oft die Lebenserwartung: Ein heute 65-jähriger Mann dürfte heute im Durchschnitt noch mit gut 20 Jahren rechnen können, eine Frau mit rund zwei Jahren mehr, erinnerte Greber. Zum anderen würden auch die Lebenskosten im Alter oft unterschätzt, ergänzte Raiffeisen-Banker Gumbatshang. (sda/awp)