Eines kann man Evi Allemann nicht vorwerfen: fehlenden Mut zum Risiko. Nur ein Jahr, nachdem die Berner SP-Regierungsrätin als Möchtegern-Nachfolgerin von Simonetta Sommaruga schon in der Fraktion unterlegen war, versucht sie es erneut. Am Montag stieg die 45-Jährige wie erwartet ins Rennen um die Nachfolge von Alain Berset ein.
Es war ein etwas holpriger Start. Mit dem Französischen tut sich Allemann, die als Vertreterin eines «bilinguen» Kantons angepriesen wurde, eher schwer. Ihre Kantonalpartei habe sie im Vorfeld nicht in ihre Pläne einbezogen, schrieb die «Berner Zeitung». Co-Präsidentin Anna Tanner aber betonte, man werde sie gemeinsam mit Matthias Aebischer nominieren.
Die Herkunft ist das grösste Hindernis, weil Bern schon mit Albert Rösti im Bundesrat vertreten ist. Ein weiteres Problem: Die frühere Nationalrätin sitzt seit 2018 nicht mehr im Parlament. Viele, die am 13. Dezember wählen werden, kennen Allemann nicht. Trotzdem wagt sie es erneut, was vermuten lässt, dass sie sich gute Chancen ausrechnet.
Tatsächlich soll es Planspiele geben, sie aufs SP-Ticket und am Ende in den Bundesrat zu befördern. Ersteres ist realistisch. Vor einem Jahr scheiterte Allemann am komplizierten Wahlverfahren in der SP-Fraktion. Dieses Mal werden die Plätze auf dem Ticket – zwei oder vielleicht drei – einzeln vergeben. Das erhöht Evi Allemanns Chancen beträchtlich.
Eine Voraussetzung dafür ist, dass Allemann als einzige Frau antreten wird. Dieses Kalkül könnte aufgehen, denn bislang ist keine Konkurrentin in Sicht. Teil zwei des Plans ist deutlich schwieriger. Deshalb soll neben der Bernerin derjenige der kandidierenden Männer nominiert werden, «der Allemanns Chancen maximiert», schrieb der «Tages-Anzeiger».
Es ist vorstellbar, dass solche Planspiele existieren. Man sollte die Veranlagung der Sozialdemokraten zur Selbstüberschätzung nie unterschätzen. Allerdings haben sie mehr als einen Haken. So scheint man im Allemann-Lager bisher nicht zu wissen, welcher der bisher fünf Aspiranten auf die Berset-Nachfolge als «Alibi-Kandidat» infrage kommt.
Das erstaunt nicht, denn keiner ist für die Bürgerlichen in der Bundesversammlung völlig unwählbar, nicht der Bündner Jon Pult, der als «Linksausleger» gilt, und auch nicht Matthias Aebischer und Roger Nordmann, bei denen es Vorbehalte wegen ihrer Herkunft gibt. Daran ändern auch die «Störmanöver» von Bauernpräsident Markus Ritter nichts.
Dies ist der eigentliche Knackpunkt einer «Allemal für Allemann»-Strategie. Ohne Mithilfe zumindest eines Teils der Bürgerlichen wird sie nicht aufgehen, erst recht nicht, wenn es am Sonntag zum Rechtsrutsch kommt, den die Umfragen erwarten lassen. In diesem Fall muss man sich eine seit Jahrzehnten geltende «Weisheit» in Bundesbern vor Augen führen:
Zweimal hat die SP versucht, auf Teufel komm raus eine Frau in den Bundesrat zu bringen. Beide Male ist sie gescheitert: 1983 mit Lilian Uchtenhagen und zehn Jahre später mit Christiane Brunner. Seither ist viel Zeit vergangen, aber an der Abneigung der bürgerlichen Parlamentsmehrheit gegen linke Machtspielchen hat sich wenig geändert.
Eine zu offensichtlich auf Evi Allemann zugeschnittene Wahlstrategie der SP-Fraktion könnte zu einem bürgerlichen Backlash führen. Klappen könnte sie eventuell, wenn die beiden ehemaligen Juso-Präsidenten Cédric Wermuth und Fabian Molina noch ins Rennen einsteigen und nominiert werden. Doch selbst das wäre keine Erfolgsgarantie:
Evi Allemann ist eine qualifizierte, wenn auch farblose Kandidatin (was aus bürgerlicher Sicht nicht unbedingt gegen sie spricht). Wenn es die SP jedoch übertreibt, könnten die Bürgerlichen das seit einiger Zeit bestehende «Tabu» brechen und jemanden wählen, der oder die nicht auf dem offiziellen Partei-Ticket steht – zum Beispiel Daniel Jositsch.
Ich denke, viele SP Wählende haben grundsätzlich nichts gegen zwei Bundesrätinnen für eine gewisse Zeit. Wenn dies aber mit Gezwänge erwirkt wird, bzw. zugunsten eines solchen Plans gute männliche Kandidaten ausgebremst werden, dann geht es auch sehr vielen SP Wählenden zu weit.
Dinge wie Kompetenz