David Copperfield ist ein grosser Illusionist. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere liess er ein Flugzeug verschwinden, einen Bahnwaggon des Orient-Express – und dann die Freiheitsstatue im New Yorker Hafen, 93 Meter hoch. Schwups, weg war sie.
Auch bei der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft verstehen sich die Verantwortlichen auf Blendwerk. Sie kündigen Sparprogramme an, eines nach dem anderen. Sie reden von Dutzenden Millionen Franken, die aus dem Budget gestrichen würden. Von einem Stellenabbau, der ohne Entlassungen nicht zu realisieren sei.
Dann zeigen die offiziellen Zahlen der SRG: Der Betriebsaufwand ist im vergangenen Jahr nicht gesunken, sondern um 39 Millionen Franken gestiegen.
Auch die Zahl der Angestellten ist im Jahr 2024 nicht kleiner geworden. Die SRG hat den Personaletat im Gegenteil aufgestockt. Wie stark, will sie erst Ende April mitteilen. Schon im Vorjahr hatte der Rundfunk 200 zusätzliche Stellen geschaffen. Für das öffentlich finanzierte Radio und Fernsehen arbeiten 7200 Personen – mehr denn je. Die Stellenreduktion ist eine Chimäre.
Ein Unternehmen, das nach eigenem Bekunden finanziell unter Druck steht, stellt laufend neue Leute ein. Das ist wie ein Mann, der abnehmen will. Und täglich eine Schwarzwäldertorte verspeist.
Die Entwicklung ist umso bemerkenswerter, als Medienminister Albert Rösti (SVP) Ende 2023 eine Senkung der Medienabgabe ankündigte: Jeder Haushalt bezahlt künftig 300 statt 335 Franken. Die Exponenten der SRG protestierten heftig. 900 Stellen seien in Gefahr, sagten sie. Der Plan des Bundesrates führe zu Einschnitten in den Programmen.
Nun hätte jedes Unternehmen die Kostenbremse aktiviert. Zumal Rösti die Gebührensenkung im Sommer 2024 bestätigte. Die SRG grummelte – und erhöhte ihre Kosten.
Dauerhaft Mittel einzusparen, liegt dem Rundfunk nicht. Der vormalige SRG-Generaldirektor Gilles Marchand senkte zwar nach der No-Billag-Abstimmung von 2018 einige Ausgaben – wie er es angekündigt hatte. 2020 präsentierte er ein neues Sparpaket von 50 Millionen Franken. Die Aufwendungen gingen dann aber um lediglich 150'000 Franken zurück. Nathalie Wappler, die Direktorin des Schweizer Radios und Fernsehens, gab Ende 2021 einen Stellenabbau bekannt. Ein Jahr später blies sie ihn ab.
Es lag genug Geld in der Kasse, weil die damalige Medienministerin Simonetta Sommaruga den Gebührenplafond für die SRG angehoben hatte, von 1,2 auf 1,25 Milliarden Franken. Die zusätzlichen 50 Millionen kompensierten einen Rückgang an Werbeerträgen.
Rückstellungen zu bilden – das ist nicht nach der Art der SRG. Wenn Geld da ist, gibt es der Rundfunk aus.
Jetzt erklärt Wappler, dass das Schweizer Fernsehen die Geschäftsleitung verkleinern werde. Am Leutschenbach fragen sich Mitarbeiter: Warum hat Wappler das Gremium auf 13 Mitglieder anwachsen lassen? Das Schweizer Fernsehen ist keine international tätige Grossbank.
SVP-Nationalrat Gregor Rutz, Mitglied der Medienkommission, meint: «Die SRG untergräbt ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie die angekündigten Einsparungen nicht umsetzt.»
Dabei ist es nicht so, dass die Verantwortlichen bei Radio und Fernsehen nie Mittel gekürzt hätten. Sie strichen auch Stellen. Nur: Der Abbau in einer Abteilung ging einher mit dem Ausbau an einem anderen Ort. Manchmal übertraf die Aufstockung die Reduktion.
SRF-Finanzchef Guy Luginbühl betonte in diesem Zusammenhang, dass sich das Unternehmen in einem «Transformationsprozess» befinde. Das bedeutet: Der Rundfunk müsse in Technologie investieren.
Es brauchte zusätzliches Personal, um die Streaming-Plattform «Play Suisse» funktionstüchtig zu machen. SRF hat auch die Abteilung Distribution ausgebaut. Dort überlegen sich die Angestellten, auf welchem Kanal sie mit den Programmen welche Zielgruppe erreichen. Und in jeder Unternehmenseinheit der SRG kümmern sich inzwischen mehrere Mitarbeiter um den Auftritt des Rundfunks in den sozialen Medien.
Zugleich müsste das Schweizer Fernsehen die Kosten in seinen angestammten Abteilungen reduzieren. Das gelingt unter anderem darum nicht, weil die Organisation kompliziert ist. Kleine Gruppen von Journalisten nehmen sich der gleichen Themen an; das erhöht den Koordinationsbedarf.
Diese Struktur haben sich die SRF-Verantwortlichen von Unternehmensberatern aufschwatzen lassen. Die Berater sind teuer. Am Leutschenbach finden einige Mitarbeiter: Der Schaden, den die Consultants anrichteten, überwiege den Nutzen.
Nun soll aber alles besser werden. Die SRG hat seit dem vergangenen November eine neue Generaldirektorin. Susanne Wille setzt die Gepflogenheiten ihres Vorgängers fort: Sie kündigt ein Sparprogramm an.
Willes Hauptaufgabe ist es zunächst, die Halbierungsinitiative der SVP abzuwehren. Wahrscheinlich im kommenden Jahr entscheiden die Schweizer Stimmberechtigten darüber, ob die Medienabgabe auf 200 Franken sinkt.
Die SRG-Chefin muss jetzt beweisen, dass das Unternehmen haushälterisch mit seinen Mitteln umgeht. Dass der Rundfunk Einsparungen nicht nur ankündigt, sondern auch umsetzt. Die Botschaft an die Gebührenzahler: Schon mit einer Abgabe von 300 Franken haben sich das öffentliche Radio und Fernsehen zu strecken. Eine Abgabe von 200 Franken plus die Befreiung aller Unternehmen von der Abgabe würden den Service public in den elektronischen Medien jedoch vernichten.
Wille hat angekündigt, dass die SRG 270 Millionen Franken einsparen müsse. Das ist viel bei gegenwärtigen Aufwendungen von 1,54 Milliarden. Wie kommt Wille auf die hohe Zahl? Die Medienabgabe wird sinken, so viel steht fest. Und der Bundesrat hat einen Teuerungsausgleich reduziert, der bisher grosszügig bemessen war.
Wille geht ausserdem davon aus, dass die kommerziellen Einnahmen der SRG bis 2029 um 90 Millionen Franken zurückgehen werden. Mit Werbung und Sponsoring nahm die Radio- und Fernsehgesellschaft im vergangenen Jahr 208 Millionen ein. Der Ertrag sei «stabil», schreibt die SRG. Nun sollen diese Einnahmen in nur vier Jahren um 43 Prozent sinken. Ist das plausibel?
Nachvollziehbar ist die Prognose nur, wenn Wille und ihre Untergebenen einen schlechten Job machen. Soll man davon ausgehen?
Es entsteht der Eindruck, dass sich die SRG in Zweckpessimismus ergeht. Das Sparvolumen von 270 Millionen beruht auf einer Reihe von Annahmen. Sie scheinen so gewählt, dass man der Öffentlichkeit mitteilen kann: Es wird auch ohne 200-Franken-Initiative der SVP finanziell eng für den Rundfunk. Eintausend Stellen stehen auf dem Spiel, heisst es. Möglicherweise sind es aber viel weniger.
In der Deutschschweiz, in der Romandie und im Tessin haben Radio und Fernsehen neue Sparrunden verkündet. Die Frage ist nun: Spart die SRG diesmal wirklich Mittel ein – oder wiegen die Kosten für die wachsenden Online-Aktivitäten die Ausgabenreduktion erneut auf?
Zwischen David Copperfield und der SRG gibt es einen Unterschied: Der Illusionist bringt – offenbar – Objekte zum Verschwinden, die tatsächlich existieren. Die Verantwortlichen des Rundfunks zaubern Sparpakete weg, die nie mehr waren als Produkte ihrer Fantasie.
(aargauerzeitung.ch)
Bei SRF laufen konstant Sparprogramm, während bei anderen Unternehmenseinheiten wie eben auch der übergeordneten SRG nach wie vor aus dem vollen geschöpft wird. Wer den Betrieb ein bisschen kekennt, weiss, ss bei SRF im Programm überall gespart wird, während der Wasserkopf in der Verwaltung der SRG überhaupt nicht kleiner wird. Ein guter Artikel müsste also zwischen SRF, RTS, RSI und vor allem der SRG differenzieren. Dann würden die Leute verstehen, dass völlig am falschen Ort gespart wird!