«Mit steinernem Gesicht», rapportierte das «Thuner Tagblatt», erläuterte Rudolf Gnägi am 11. September 1972 seine Niederlage. Er war soeben im Bundesrat mit dem Plan gescheitert, 60 US-Kampfflugzeuge Corsair A-7 zu kaufen. Zu teuer, sagten die Kollegen.
Das Militärdepartement lernte aus der Schlappe und organisierte sich Rückenwind aus der Wirtschaft für die Rüstungsgeschäfte: durch die Einführung der Gegengeschäfte, auch Offset genannt. Ausländische Rüstungsfirmen müssen die Aufträge, die sie von der Schweiz erhalten, kompensieren, indem sie ihrerseits Aufträge an Schweizer Firmen vergeben.
«Historisch gesehen sind Offset-Geschäfte reine politische Schmiermittel», sagt Historiker Peter Hug, der lange für die SP Schweiz arbeitete. Auf Kosten des Steuerzahlers werde die Zustimmung industrieller Kreise erkauft.
So brachte Gnägi 1975 die Beschaffung von 72 Kampfjets Tiger F-5 für 1172 Millionen Franken locker durch. Die Schweizer Industrie werde an «diesem grossen Vorhaben beteiligt», schrieb er in die Botschaft ans Parlament. Die USA hätten sich bereit erklärt, den Kaufpreis «mindestens bis zu einem Wert von 30 Prozent durch Gegengeschäfte auszugleichen».
Offset verteuert die Rüstungsgeschäfte, weil die ausländischen Firmen Mehraufwand und Mehrkosten haben, um die Gegengeschäfte auszuwählen und abzuwickeln. Ein Teil dieses Geldes fliesst in die Taschen von Vermittlern, Beratern und Lobbyisten.
30 Prozent Offset waren nur der Anfang. Bald waren es 100 Prozent, und die sind noch heute die Regel. So viel hätte Saab, Hersteller des 2014 vom Volk abgelehnten Gripen-Jet, kompensieren müssen – was Aufträge für über zwei Milliarden bedeutet hätte.
Lockheed Martin muss für den F-35 «nur» Gegengeschäfte im Umfang von 60 Prozent oder rund 3 Milliarden organisieren. Ein Grund war, dass Verteidigungsministerin Viola Amherd nicht die gleichen Fehler machen wollte wie die Österreicher. Dort war beim Kauf des Eurofighters Schmiergeld im Spiel, und dabei ging es auch ums Offset-Geschäft. Der Jet-Hersteller musste 200 Prozent des Kaufpreises kompensieren, aber Österreichs Industrie war darauf nicht ausgelegt. Via dubiose Geschäftemacher, Strohleute und Briefkastenfirmen wurde alles Mögliche und Unmögliche als Offset abgerechnet, um auf die 200 Prozent zu kommen.
Auch wenn keine Korruption im Spiel ist, verteuert das Offset die Rüstungsgüter. Um wie viel, ist strittig. Darüber herrsche «ein Zahlenkrieg», befand 2019 Kurt Grütter. Der frühere Direktor der Finanzkontrolle hatte von Amherd den Auftrag erhalten, Kosten und Nutzen von Offset zu beurteilen.
Für rote Köpfe bei den Offset-Profiteuren sorgte wenige Jahre zuvor der inzwischen verstorbene Pilatus-Patron Oskar Schwenk. Er bezeichnete Offset-Geschäfte als «absoluten Blödsinn», der die Rüstungsgüter für die Käuferländer massiv verteuere. Wenn Pilatus zu 100 Prozent Kompensationsgeschäften gezwungen werde, «schlagen wir 15 bis 20 Prozent drauf», sagte Schwenk.
Schwenk musste sich unter anderem von Armasuisse vorhalten lassen, er verkaufe seine Trainingsflugzeuge halt offenbar nur an industrielle Entwicklungsländer. Da kämen Gegengeschäfte eben teuer zu stehen. In der Schweiz mit ihrer modernen Industrie führe Offset nicht oder kaum zu Mehrkosten. Aber konkrete Zahlen lieferte das Offset-Lager nicht.
Ausgerechnet die Auseinandersetzung zwischen der Schweiz und den USA um die Kosten für den Super-Kampfjet F-35 bringt jetzt etwas Licht ins Offset-Dunkel. Und es zeigt sich, dass Schwenk mit seinen 20 Prozent nicht übertrieb: Beim F-35 betragen die Kosten für die Offset-Geschäfte sogar 25 Prozent und mehr.
Armasuisse bestätigt dies gegenüber CH Media. «Die Offsetkosten dürften sich auf etwa 700 bis 800 Millionen US-Dollar belaufen», so Sprecherin Daniela Renzo. Dies entspreche «rund 25 Prozent der Offset-Verpflichtungen von ca. 3 Milliarden US-Dollar».
Warum verfügt Armasuisse jetzt plötzlich über konkrete Zahlen zu den Offset-Kosten? Seit dem Treffen mit der zuständigen US-Behörde am 11. Juni 2025 sei Armasuisse in der Lage, die Offset-Kosten abzuschätzen, sagt Sprecherin Renzo. Möglich sei dies dank dem «Einsichtsrecht in die Verträge zwischen der US-Regierung und Lockheed Martin respektive der damit verbundenen Transparenz».
Armasuisse hat offenbar keinen Einfluss auf die Offset-Kosten. «Die Verantwortung für die Kosten und Umsetzung der Offsetverpflichtung liegt bei den Herstellern – in diesem Fall Lockheed Martin.» Armasuisse sei «nicht in die Preisgestaltung oder die interne Kalkulation dieser Kosten eingebunden», so die Sprecherin.
Klar ist dafür, wer die 700 bis 800 Millionen zahlen soll: die Schweiz. Zwar müssten die Offsetkosten laut Vertrag im offerierten Preis einberechnet sein. Allerdings explodiert dieser Preis ja gerade, und den von der Schweiz behaupteten Festpreis für die Jets gibt es laut den Amerikanern nicht. «Die Offsetkosten zur Erfüllung der Offsetverpflichtungen von Lockheed Martin sind in den Kosten der 36 F-35A enthalten und werden über diese verrechnet», hält Armasuisse fest.
Ironie der Geschichte, oder wie man das nennen sollte: Darko Savic, Projektleiter der umstrittenen Jet-Beschaffung, arbeitet heute für Pilatus. Jene Firma also, deren einstiger Chef Offset als «totalen Blödsinn» bezeichnete. Pilatus ist jetzt sogar einer der Nutzniesser der teuren F-35-Gegengeschäfte. Im letzten April teilte Armasuisse mit: «Flugzeughersteller Pilatus erhält Zugang zu F-35A-Technologie durch Offset-Vereinbarung».
Gab es nicht mal vor Jahren einen Bericht der so viel gescholtenen Finanzkontrolle, die darauf hinwies, dass diese Offset-Geschäfte im Rüstungsbereich wegen Intransparenz nicht wirklich überprüfbar wären - und sich u.a. deshalb im Graubereich der Zulässigkeit befinden würden.
Da bitte dranbleiben.