Das Geschäft hat die nüchterne Bezeichnung Armeebotschaft 2022. Der Inhalt aber ist von einiger Brisanz: Es geht um die Beschaffung des Kampfjets F-35 für die Schweizer Luftwaffe als Ersatz für den in die Jahre gekommenen F/A-18, plus des Flugabwehrsystems Patriot. Die US-Fabrikate hatten sich in der Evaluation gegen europäische Anbieter durchgesetzt.
Der Ständerat hat das Acht-Milliarden-Geschäft bereits in der Sommersession abgesegnet. Am Donnerstag ist der Nationalrat am Zug. Alles andere als eine Annahme wäre eine saftige Überraschung. Dennoch dürfte die Kontroverse um den Hightech-Jet andauern, und das nicht nur wegen der Volksinitiative von SP, Grünen und GSoA, die den Kauf verhindern will.
Als das Verteidigungsdepartement VBS Ende Juni 2021 bekannt gab, man wolle den F-35 von Hersteller Lockheed Martin beschaffen, waren viele verblüfft. Im Vorfeld war spekuliert worden, der französische Rafale habe das Rennen gemacht. Unter anderem wurde gemunkelt, VBS-Chefin Viola Amherd (Mitte) bevorzuge ein europäisches Flugzeug.
Man habe bei dem Entscheid nur das Kosten-Nutzen-Verhältnis berücksichtigen dürfen, argumentierte das VBS, und das spreche eindeutig für den US-Kampfjet. Zweifel daran gab es sofort, denn der F-35 gilt auch in den USA nicht gerade als Billigprodukt. Es gibt im Gegenteil Vorwürfe wegen explodierender Kosten für Beschaffung und Unterhalt.
Die Eidgenössische Finanzkontrolle äusserte in einem im Juli veröffentlichten Bericht Zweifel am vereinbarten Fixpreis, trotz Zusicherung der US-Botschaft in Bern. Eine Unsicherheit gebe es auch bei den Wartungskosten über die gesamte Lebensdauer. Das VBS wies diesen Befund des Aufsichtsorgans in einem ungewöhnlich scharfen Statement zurück.
Ungereimtheiten gab es auch beim Typenentscheid. Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrats hat ihn untersucht und ihren Bericht am letzten Freitag vorgelegt. Sie stellte fest, dass der Bundesrat sich mit der Fixierung auf den Kostenfaktor «unnötig» eingeschränkt habe. Er hätte auch «politische Überlegungen» einbeziehen können.
Am Ende tat er dies trotzdem. Das VBS bestätigte im Juli gegenüber Radio SRF, dass es Abklärungen zu Gegengeschäften in Auftrag gab. Um welches Herstellerland es ging, wird im GPK-Bericht nicht ausgeführt, doch es ist kein Geheimnis, dass sich Frankreich intensiv um den Zuschlag für den Rafale bemühte und der Schweiz einiges versprach.
Sie sollte einen höheren Anteil aus der Grenzgänger-Besteuerung erhalten, was das Finanzdepartement freute. Ausserdem wollte sich Frankreich bei der EU für die Schweiz einsetzen, was das Aussendepartement freute. Die zuständigen Bundesräte verhandelten deshalb bis kurz vor «Torschluss» mit Paris, wie die GPK verklausuliert aufzeigt.
Entsprechend sauer war die Regierung Macron über den Entscheid für den F-35. Die GPK kritisiert deshalb das VBS. Im Departement sei der Handlungsspielraum des Bundesrats «lange nicht klar» gewesen. Es habe im Bundesrat «widersprüchlich» informiert. Auch über das Ergebnis der Evaluation habe Viola Amherd den Gesamtbundesrat spät informiert.
Zum Skandal taugt dies kaum. Aber der GPK-Befund illustriert, wie schlecht Bundesbern strategisch aufgestellt ist. Die Vermutung der Kommission, dass es um die Kommunikations- und Führungskultur im Bundesrat nicht zum Besten stehe, lässt sich ebenfalls kaum widerlegen. Hilfe aus Frankreich im Streit mit Brüssel kann die Schweiz nun keine erwarten.
Der verkorkste Beschaffungsprozess wird am Endergebnis nichts ändern. Die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat wird die Armeebotschaft 2022 am Donnerstag durchwinken. In der Schlussabstimmung am Ende der Session wird das Geschäft definitiv verabschiedet. Somit kann Amherd nach einer «Anstandsfrist» den Vertrag mit den Amerikanern unterzeichnen.
Die im August eingereichte Volksinitiative wird obsolet. Dabei wäre eine Behandlung im Eilverfahren und eine Abstimmung am 12. März 2023, vor dem Ablauf der vorliegenden Offerte, im Prinzip möglich gewesen. Obwohl die Chancen der Initiative mit dem Ukraine-Krieg rapide gesunken sind, lehnte der Bundesrat eine Express-Behandlung ab.
Die Initianten reagierten empört auf das «feige Ausweichmanöver». Allerdings hat eine Volksinitiative keine aufschiebende Wirkung. Ob sie nach der Unterzeichnung des Kaufvertrags zurückgezogen wird, lassen die Initianten offen. Es ist durchaus möglich, dass sie sie aus Trotz dennoch zur Abstimmung bringen werden, um ein Zeichen zu setzen.
Auch wenn dem Kauf des F-35 nichts mehr im Wege steht, dürfte das letzte Wort noch lange nicht gesprochen sein. Die Kostenfrage wird nicht einfach verschwinden. Armeekritiker warnen vor einer Neuauflage der Mirage-Affäre aus den 1960er-Jahren. Offen bleibt auch, was die Schweiz mit der Beschaffung dieses Hochleistungsflugzeugs bezweckt.
Ein solcher «Ferrari der Lüfte» macht eigentlich nur Sinn, wenn er in eine gesamteuropäische Luftverteidigung integriert wird. Der Bundesrat öffnete letzte Woche die Türe einen Spalt weit, indem er eine verstärkte Kooperation mit Nato und EU in Aussicht stellte. Allerdings würden sich in diesem Fall einmal mehr heikle Fragen rund um die Neutralität stellen.
Wie es wirklich läuft: Der Auftrag der Armee ist unklar, über die Auslegung der Neutralität wird laviert und über den Flugzeugtyp politisch entschieden. Ev. stimmen noch ein paar Millionen Aviatikexperten dazu ab, ohne dass es Konsequenzen hätte.
Super!
E Gränni, Gränni sinds.
Abgestimmt ist abgestimmt, sorry🤦♂️
Die Linkee hätte bei JEDEM Flugzeug gleich gehandelt, weil sie die Armee per se abschaffen und bei jeder Gelegenheit schaden will. Darum geht es.