Geht es um Schiesslärm, zeigt sich der Föderalismus im Schweizer Parlament. In unregelmässigen Abständen erkundigt sich fraktionsübergreifend eine Nationalrätin oder ein Ständerat, ob der Bundesrat sich der Problematik rund um einen Schiessstand XY bewusst sei und ob er die hohe Zahl der Klagen kenne, die dieser verursache. Ja, beteuert der Bundesrat in diesen Fällen üblicherweise, das Problem sei bekannt. Die Schiessplätze der Schweiz würden aber lärmsaniert.
So sieht es die Lärmschutzverordnung aus dem Jahr 1986 vor, die 2010 aktualisiert wurde. Seither ist sie für die Armee verbindlich, davor galt lediglich eine Empfehlung. Schiessstände, welche die geltenden Emissionswerte überschreiten, muss die Armee anwohnerverträglich herrichten. Auch eine Frist sieht das Gesetz vor: Diese läuft am 31. Juli dieses Jahres ab.
Rund 45 Standorte seien davon betroffen, schreibt das Verteidigungsdepartement (VBS) auf seiner Website. Ende März lieferte das VBS eine Übersicht, wie es um die Umsetzung steht. Eine Karte lässt erkennen: Fast jeder Kanton beheimatet einen Schiessplatz, der unter obige Bestimmung fällt.
Nur die allerwenigsten davon wurden aber auch fristgerecht saniert: einer in Frauenfeld TG, einer in Spiez BE, dazu einer je in Bôle und Les Pradières im Kanton Neuenburg. Wobei: Sowohl in Frauenfeld als auch in Les Pradières sind die Schutzmassnahmen ungenügend. Die Grenzwerte werden noch immer überschritten, räumt das VBS ein.
So bald ändern wird sich diese Situation nicht: Von den verbleibenden 41 Schiessplätzen befinden sich lediglich 3 in der «Realisierungsphase». Diese beginnt, «sobald die rechtskräftige militärische Plangenehmigung (Bau- und Betriebsbewilligung) vorliegt, alle Planungsfragen bereinigt sind und der erforderliche Zahlungskredit freigegeben ist». Auch hier zeichnet sich in einem Fall ab, dass eine Sanierung das Einhalten der Grenzwerte nicht garantiert. Alle anderen Schiessplätze zwischen Bière und Bernhardzell verharren in der Konzept- oder Projektierungsphase. Von Konzept bis Realisierung verstreichen im Schnitt 6,5 Jahre, hat das VBS 2024 berechnet.
Das Departement erklärt die Verzögerungen mit neuen Stationierungskonzepten, die seit 2018 gelten. Diese Änderungen müssten neu berücksichtigt werden, schreibt das VBS auf Anfrage.
Im Fall von bleibenden Überschreitungen der Grenzwerte kann die Armee Ausnahmen beantragen: «Wie bei den Militärflugplätzen mit Kampfjetbetrieb müssen Erleichterungen gewährt werden, wenn die Lärmbelastung mit verhältnismässigen Massnahmen und ohne übermässige Einschränkung der militärischen Ausbildung nicht eingehalten werden kann.» In einigen Fällen sei dies bereits geschehen, andere stehen in Vorbereitung.
«Unverständlich» findet hingegen Gabriela Suter das Vorgehen der Armee. Die SP-Nationalrätin ist Präsidentin der Schweizer Lärmliga:
Die unregelmässig und plötzlich auftretenden Knalleffekte von Schiesslärm seien gesundheitsschädlich, weil der Körper bei jedem Knall Stresshormone ausschüttet. «Dies erhöht die Gefahr, an Herz-Kreislauf-Krankheiten wie Bluthochdruck und Diabetes Typ II zu erkranken.»
Bereits jetzt mussten sich die Schweizer Gerichte mehrfach mit Schiesslärm befassen. Es ist anzunehmen, dass Betroffene aus dem Ablauf der gesetzlichen Frist neue Hoffnung schöpfen – dem VBS droht damit eine Klagewelle.
Zu Hilfe eilt der Armee dagegen die Politik: Der Ständerat hat vergangenen Herbst ein Postulat der Sicherheitspolitischen Kommission zu diesem Thema an den Bundesrat überwiesen. Die Regierung muss nun überprüfen, ob die Lärmgrenzwerte rund um militärische Schiess- und Übungsplätze angehoben werden könnten. Dies, um Geld anstelle für Lärmsanierung zur Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit freizuschaufeln. (aargauerzeitung.ch)
Habt ihr noch Zahlen was all die Jahre Projektierung, Konzeptierung, Realisierung, Überprüfung und Nachbesserung bis jetzt gekosteten haben?
Unglaublich!
So sieht es die Lärmschutzverordnung aus dem Jahr 1986 vor, die 2010 aktualisiert wurde. Seither ist sie für die Armee verbindlich, davor galt lediglich eine Empfehlung.