Die Ambition ist – je länger, je mehr – utopisch. Bis 2030 soll der Frauenanteil in der Armee 10 Prozent betragen, legte Armeechef Thomas Süssli 2020 als Ziel fest. Heute liegt der Anteil bei 1,5 Prozent.
Der St.Galler FDP-Nationalrat Marcel Dobler ist überzeugt: Dass man mit der Frauenförderung nicht vom Fleck kommt, liegt auch an Fehlanreizen. So fallen Frauen, die nicht oder nur in tiefem Pensum berufstätig sind, im Militär durch die Maschen.
Das zeigt der Fall von Major Tamara Rancetti, über den CH Media im Frühling berichtet hat. Die zweifache Mutter erhält gleich viel Erwerbsersatz wie ein Rekrut – obwohl sie fast 1000 Diensttage absolviert hat. 69 Franken sind das pro Diensttag – plus Kinderzulagen in derselben Höhe. Der Grund ist, dass sie nur ein sehr kleines Einkommen hat, weil sie sich hauptsächlich um die Kinderbetreuung kümmert. Rancetti ärgert das. Sie mache im Militär den gleichen Job wie ihre männlichen Kameraden, arbeite oft von 7 Uhr bis 22 Uhr – «verdiene aber einen Hungerlohn».
Auch Nationalrat Dobler findet das «absurd». Und er ist nicht der Einzige mit dieser Haltung. Sicherheitspolitikerinnen und -politiker aus allen Fraktionen unterstützen seine Forderung, die negativen Anreize für Frauen, die Karriere im Militär machen, abzubauen.
«Der Armee würden mehr Frauen guttun, gerade in Kaderpositionen», sagt Priska Seiler Graf, SP-Nationalrätin und Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats. Die heutige Regelung gelte es deshalb zu überdenken. Aber auch mehrere SVP-Nationalrätinnen und -Nationalräte gehören zu den Mitunterzeichnern des Vorstosses, darunter David Zuberbühler aus Ausserrhoden und die Aargauerin Stefanie Heimgartner.
Der Bundesrat indes sieht keinen Handlungsbedarf. Beim Erwerbsersatz handle es sich nun mal um Ersatz für ein Erwerbseinkommen – weshalb Hausfrauen nicht mehr als der Mindestsatz zustehe: So lässt sich die Argumentation des Bundes auf eine erste Anfrage Doblers zusammenfassen. Angesichts dessen, dass die Betroffenen im zivilen Leben kein Einkommen erzielen, könne die Entschädigung sogar «ein Anreiz sein, Militärdienst in einem höheren Dienstgrad zu leisten», ist der Bundesrat überzeugt.
Das bezweifeln Marcel Dobler und seine Unterstützer. Die Armee sucht händeringend nach mehr Personal. Eben erst hat der Nationalrat beschlossen, den Zugang zum Zivildienst zu erschweren, damit mehr junge Männer in der Armee dienen. «Das VBS muss nun prüfen, wie man das System ändern könnte», findet der FDP-Nationalrat. «Finanzielle Anreize müssen so gesetzt werden, dass sich Weitermachen auch für Frauen mit tiefem Arbeitspensum lohnt.»
Dabei geht es einerseits um die Höhe der Entschädigung an sich, aber auch um die Übernahme der Kosten für die Kinderbetreuung. Heute springt der Bund nur dann ein, wenn man mindestens zwei Diensttage am Stück absolviert. Dobler fordert, dass neu auch die Kinderbetreuung für einzelne Tage entschädigt wird.
Major Tamara Rancetti würde sich freuen, wenn die Forderungen im Parlament eine Mehrheit finden. Nicht nur für sich selbst, sondern vor allem für alle anderen Frauen – und Männer, die natürlich ebenso betroffen sein können. Über 200 Menschen hätten ihr geschrieben, als sie von ihrem Fall lasen, darunter auch Armeeangehörige, die selber betroffen sind. «Ich war überwältigt von all den unterstützenden Reaktionen», sagt sie.
Wir haben das schon damals angesprochen – geändert hat sich nichts.
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