Die Bedrohungen für die Schweiz haben sich seit dem sicherheitspolitischen Bericht 2016 nicht wesentlich verändert. Sie haben aber laut einem am Freitag veröffentlichten Bericht stark an Kontur gewonnen.
Der Bundesrat hat diesen ersten Bericht zur Beurteilung der Bedrohungslage gemäss Nachrichtendienstgesetz am vergangenen Mittwoch verabschiedet. Die Beurteilung der Bedrohungslage war bisher Teil des Geschäftsberichts des Bundesrats und stützte sich auf das Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS).
Im sicherheitspolitischen Brennpunkt stünden nach wie vor die erhöhte Terrorbedrohung durch dschihadistische Akteure, namentlich den «Islamischen Staat», der intensive und aggressive Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel durch mehrere Staaten sowie wachsende regionale Spannungen mit globalen Konsequenzen.
Generell erlebe die Machtpolitik derzeit eine Renaissance, was die Lösungsfindung in multilateralen Institutionen erschwere. Das sicherheitspolitische Umfeld der Schweiz sei zwar immer noch relativ stabil. Auch in Europa seien aber die wachsenden Spannungen zwischen westlichen Staaten und Russland und die zunehmenden Interessengegensätze innerhalb der westlichen Sicherheitsgemeinschaft spürbar.
Die Schweiz gehöre zur westlichen, von Dschihadisten als islamfeindlich eingestuften Welt und sei damit aus deren Sicht ein legitimes Ziel von Terroranschlägen. Anschläge auf weiche Ziele mit geringem logistischen Aufwand, ausgeführt von Einzeltäterinnen und Einzeltätern oder Kleingruppen, seien im Bereich Terrorismus derzeit die wahrscheinlichste Bedrohung für die Schweiz.
Mit der Renaissance der Machtpolitik habe auch der verbotene Nachrichtendienst weiter an Gewicht gewonnen. Derzeit seien in der Schweiz folgende Ziele nachrichtendienstlicher Tätigkeiten festzustellen: Behörden, das internationale Genf beziehungsweise Diplomatinnen und Diplomaten aus andern Staaten, die Rüstungsindustrie, der Technologiesektor, das Militär, der Banken- und Handelsplatz, Sportorganisationen, ausländische diplomatische Vertretungen, internationale Organisationen, Schweizer Unternehmen aus verschiedenen Branchen und Hochschulen. Zur Spionage würden häufig auch Cybermittel eingesetzt, meistens in Kombinationen mit traditionellen Methoden.
Cyberoperationen gegen kritische Infrastrukturen könnten schwere Schäden anrichten, heisst es im Bericht weiter. Mehrere Bundesstellen und Privatfirmen seien in den vergangenen Jahren Opfer ausländischer staatliche Cyberangriffe geworden. Diese dienten dem politischen oder wirtschaftlichen Nachrichtendienst. Die Opfer hätten hohen Schaden erlitten.
Ihre Stärken in Forschung und Entwicklung machten die Schweiz zu einem bevorzugten Ziel für Staaten, die nach politischer oder wirtschaftlicher Vormacht strebten. Ausserdem spielten kritische Infrastrukturen wie das Labor Spiez im Rahmen der internationalen Sicherheitspolitik eine wichtige Rolle.
Vermehrt stehe auch der Energiesektor im Fokus von Spionage - und Aufklärungskampagnen. Je häufiger Cyberangriffe etwa mit Schadstoffware würden, desto grösser sei das Risiko, dass auch die Schweiz und ihre kritischen Infrastrukturen zumindest Kollateralschäden erlitten.
Das Gewaltpotenzial des Rechts- und Linksextremismus in der Schweiz bestehe weiter. Gewalttaten Rechtsextremer seien kaum zu verzeichnen. In der Szene seien allerdings grössere Mengen funktionstüchtiger Waffen vorhanden, auch würden Kampfsportarten trainiert.
Anders als der Rechts- sei der Linksextremismus fähig, über längere Zeit gewaltsame Kampagnen zu führen. Er fokussiere seine Kräfte auf selbstgewählte Themen und versuche, direkt Wirkung zu erziehen. Eine stärkere Beteiligung an Gewalttaten sei etwa anlässlich von Demonstrationen erkennbar: Die Aggressivität gelte dabei nicht nur Sicherheitskräften, sondern Blaulichtorganisationen allgemein.
Letztlich sei es für einen Staat wie die Schweiz, der seine Interessen vor allem über die Durchsetzung und Weiterentwicklung internationaler Rechtsnormen zu wahren suche, von Nachteil, wenn Konflikte wieder vermehrt mit Machtmitteln und unter Missachtung geltender Normen entschieden würden.
Der Erfolg der Sicherheitspolitik der Schweiz hänge deshalb in einem wieder stärker von Konflikten geprägten Umfeld gerade auch von ihrer Fähigkeit ab, sich selbständig ein eigenes Bild der Ereignisse und Entwicklungen zu machen. (aeg/sda)