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Bundesrat lockert Vorschriften für Kriegsmaterial-Transporte – mit einer unglaublichen Begründung

Ein Militärtransporter vom Typ Hercules C130 der holländischen Luftwaffe.
Ein Militärtransporter vom Typ Hercules C130 der holländischen Luftwaffe.Bild: EPA

Bundesrat lockert Vorschriften für Kriegsmaterial-Transporte – mit einer unglaublichen Begründung

19.08.2015, 15:3119.08.2015, 17:24
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Der Bundesrat lockert die Regeln für die Durchfuhr von Kriegsmaterial mit zivilen Flugzeugen. Genau genommen gibt es heute keine spezifischen Regeln. Angewendet wurden aber bisher die strengeren Regeln, die für den Landweg gelten.

Das will der Bundesrat nun ändern. Er hat am Mittwoch beschlossen, die Kriegsmaterialverordnung zu ergänzen. Die neue Regelung stelle die Kohärenz mit der bisherigen Praxis sicher, schreibt das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF).

Gleichzeitig ermögliche sie die «Wahrung der öffentlichen Interessen der Schweiz und lasse mehr Spielraum in der Einzelfallbeurteilung, um übergeordneten aussen- oder sicherheitspolitischen Interessen Rechnung zu tragen».

EDA wollte Änderung

Die Änderung erfolgte auf Basis eines Vorschlags des Aussendepartements (EDA), wie Simon Plüss vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) auf Anfrage sagte. In der Vergangenheit habe es etwa dann Probleme gegeben, wenn ein Land Kriegsmaterial durch die Schweiz habe transportieren wollen, das auf der Grundlage einer UNO-Resolution mit militärischen Mitteln in einem anderen Land engagiert war.

In solchen Fällen gab es Stimmen, die einen Überflug wegen der Ausschlusskriterien in der Kriegsmaterialverordnung als unzulässig erachtet haben. Künftig haben die Bewilligungsbehörden mehr Handlungsspielraum. In der Praxis werde sich wohl aber nicht viel ändern, sagte Plüss. Die Regelung schaffe primär Rechtssicherheit und Transparenz.

Geringeres Risiko für Glaubwürdigkeitsverlust

Der Bundesrat schreibt in den Erläuterungen zur Änderung der Kriegsmaterialverordnung, die Verantwortung und damit das Risiko eines Reputations- und Glaubwürdigkeitsverlusts für die Schweiz sei bei der Durchfuhr in der Luft geringer als bei der Durchfuhr auf dem Landweg.

Dieser Unterschied rechtfertige, dass die für die Durchfuhr von Kriegsmaterial in der Luft geltenden Vorschriften weniger strikt seien. Folglich müssten auch die Regeln für die Durchfuhr von Kriegsmaterial mit Zivilluftfahrzeugen gelockert werden.

Konform mit Völkerrecht und Aussenpolitik

Konkret werden künftig Kriegsmaterialdurchfuhren durch den Schweizer Luftraum mit zivilen Flugzeugen bewilligt, wenn dies dem Völkerrecht, den internationalen Verpflichtungen und den Grundsätzen der schweizerischen Aussenpolitik nicht widerspricht.

Zusätzlich werden die für alle Kriegsmaterialgeschäfte geltenden Bewilligungskriterien zur Beurteilung herbeigezogen. Anders als für Aus- und Durchfuhren auf dem Landweg sind die Kriterien aber nicht als Ausschlusskriterien zu verstehen.

Menschenrechtsverletzungen berücksichtigen

Eine Durchfuhr von Kriegsmaterial mit einem zivilen Flugzeug könnte also erlaubt werden, obwohl das Bestimmungsland in einen bewaffneten Konflikt verwickelt ist. Ob dies der Fall ist, soll bei der Beurteilung lediglich berücksichtigt werden.

Dies gilt ebenso für die Frage, ob im Bestimmungsland Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzt werden. Auch das Risiko, dass das Kriegsmaterial gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wird oder an einen unerwünschten Endempfänger weitergegeben wird, soll erwogen werden. Die neuen Regeln gelten ab dem 1. Oktober 2015.

Bestimmungen für Export gelockert

Im letzten Jahr hatte ein Entscheid des Parlaments zu reden gegeben, die Regeln für den Kriegsmaterialexport zu lockern. Zuvor durften Waffen und Munition gemäss Kriegsmaterialverordnung nicht in Länder geliefert werden, in denen Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzt werden.

Das Parlament beschloss im Frühjahr 2014, Exporte nur noch dann zu verbieten, wenn ein hohes Risiko besteht, dass das zu liefernde Material für Menschenrechtsverletzungen eingesetzt wird. Es nahm einen Vorstoss an, für den sich auch der Bundesrat ausgesprochen hatte. (sda)

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6 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Scenario
19.08.2015 16:58registriert Mai 2015
Wer Wind sät, wird Sturm ernten... oder anders Ausgedrückt... Wer Waffen sät , wird Flüchtlinge ernten...
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Gantii
19.08.2015 15:50registriert Februar 2015
traurig. aber dann über die Flüchtlinge motzen.... 😡😡😡😡😡😡😡
aber zum glück können wir ja so unglaublich stolz auf unsere NEUTRALITÄT sein. die Wegschau-Taktik hat ja schon im 2. Weltkrieg super funktioniert, wieso nicht überall so? //ironieoff
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Margi Noser
19.08.2015 16:51registriert Dezember 2014
Die sollen sich alle in Grund und Boden schämen, pfui Teufel nochmals. Und sowas nennt sich neutrales Land. Ein Skandal ist das.

Für Macht und Kohle geht neuerdings auch die Schweizer Politik über Leichen, es ist auch in unserem Lande nicht mehr schön. Gut müssen das unsere Vorfahren nicht mehr erleben, die noch für Anstand und Menschlichkeit bzw. die Neutralität gekämpft haben :-(
Bundesrat lockert Vorschriften für Kriegsmaterial-Transporte in der Luft – mit einer unglaublichen Begründung
Die sollen sich alle in Grund und Boden schämen, pfui Teufel nochmals. Und sowas nenn ...
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