Auf dem Vorplatz der Reitschule in Bern tummeln sich abends und an Wochenenden Jugendliche, Autonome und Flüchtlinge, trinken Bier und hören Musik. Bald könnten sich urbane, Latte-Macchiato-trinkende Gutverdiener zu ihnen gesellen.
Die Stadt Bern will nämlich das Eisenbahnviadukt auf der Schützenmatte, die sich direkt beim Vorplatz befindet, nach dem Vorbild des Projekts «Im Viadukt» in Zürich-Aussersihl aufwerten, berichtet die Zeitung der Bund. Unter den Brückenbogen der Bahnlinie Zürich Hauptbahnhof-Oerlikon findet man Boutiquen, Feinkosthändler, Cafés und Secondhand-Geschäfte. Die Preise der Waren sind in der Regel überdurchschnittlich hoch.
Zur Schützenmatte gehört neben dem Viadukt vor allem ein Parkplatz. Und da ist man sich in Bern generell einig: Dieser Raum könnte besser genutzt werden. Im vergangenen September verwandelte Stadtpräsident Alexander Tschäppät den Parkplatz für mehrere Tage in das «Labor Schützenmatte», bei dem Berner ihre Vorschläge für die Neugestaltung des Platzes einbringen konnten.
Die Pläne, den Platz nach Zürcher Vorbild zu gestalten, stossen in linken Kreisen auf Kritik. So schreiben die Jungen Grünen Bern in einer Mitteilung: Eine solche Umnutzung sei «unlogisch angesichts der Stadtentwicklung, die vor allem nach günstigem Wohnraum verlangt». Man hätte nichts gegen eine Umnutzung. «Jedoch sollte ein Projekt verfolgt werden, welches der breiten Bevölkerung zu Gute komme, statt lediglich ein paar besser Betuchten.»
Auch die Vertreter des Kulturzentrums sind nicht glücklich. «Der Vorplatz der Reitschule droht dadurch zum Ghetto zu werden», sagt Giorgio Andreoli von der Trägerschaft der Grossen Halle der Reitschule. «Unser Wunsch wäre ein möglichst offener und einladender Brückendurchgang.» Andreoli schlägt vor, den Raum unter der Brücke durch regelmässig stattfindende Ausstellungen und Märkte zu beleben.
Die Polizei forderte die Umnutzung des Viadukts bereits 2013 in einem Schreiben an den Gemeinderat. Sie erhofft sich davon, dass der Vorplatz so «weniger Personen beherbergen» würde und «Fluchtmöglichkeiten» eingeschränkt würden.
Die Reitschule bereitet den Ordnungshütern immer wieder Probleme. Zwei Polizeiberichte, die der SVP-Stadtrat Henri Beuchat Anfang Woche veröffentlicht hat, bestätigen dies. Der Politiker hatte aufgrund des Informationsgesetzes Einsicht in die Akten erhalten.
Darin sind Vorfälle von Gewalt und Drohung, Tätlichkeiten und Diebstählen aufgelistet und zum Teil detailliert beschrieben. Im letzten Jahr seien 18 Mal Flaschen auf Polizei oder Sanität geworfen worden, vier Polizisten seien bei Angriffen verletzt worden.
Die Regionalpolizei Bern wirft Reitschulbetreibern und -besuchern vor, auch bei Gewaltdelikten gegen Menschen nicht bereit zu sein, mit der Polizei zumindest minimal zusammenzuarbeiten. Nur in ausserordentlichen Situationen habe die Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule (IKuR) beziehungsweise der Sicherheitsdienst in den letzten Jahren eine polizeiliche Intervention «kurzfristig geduldet».
Nächste Woche beschäftigt sich der Berner Stadtrat wieder mit der Reitschule. Neu ist jedoch nicht mehr Polizeivorsteher Reto Nause (CVP) für die Reitschule zuständig, sondern Stadtpräsident Alexander Tschäppät (SP). Ob es ihm gelingt, die Wogen wieder etwas zu glätten? (rey)
Ich lebe im Quartier und muss sagen ich war noch nie in einem dieser Viaduktläden. Die Idee finde ich eigentlich cool aber die Läden sind wirklich ein bisschen "Upper-Class" und sind für mich jetzt überhaupt nicht "ahmächelig". Da hätte man mehr draus machen können, wie aus ganz Züri-West :-/ ein Trendquartier im Sturzflug.