Bundeskanzlerin Corina Casanova tritt per Ende Jahr zurück. Die 59-jährige Bündnerin tritt im Dezember bei den Gesamterneuerungswahlen, bei welchen auch der Bundesrat neu gewählt wird, nicht für eine dritte Amtszeit an.
Anders als scheidende Bundesratsmitglieder vermeldete die Bundeskanzlerin ihren unerwarteten Rücktritt lediglich schriftlich. Sie habe ihren Entscheid, nicht für eine dritte Amtszeit anzutreten, am Montag dem Nationalratspräsidenten mitgeteilt, heisst es in der Mitteilung. Über Gründe und Zukunftspläne war am Montagmorgen nichts zu erfahren.
Die Rechtsanwältin begann ihre Bundeshauskarriere 1992 bei den Parlamentsdiensten. Später wurde sie persönliche Mitarbeiterin von Bundesrat Joseph Deiss und stellvertretende Generalsekretärin im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA).
Nach zwei Jahren als Vizebundeskanzlerin wurde sie im Dezember 2007 vom Parlament als Nachfolgerin von Bundeskanzlerin Annemarie Huber-Hotz ins Bundeskanzleramt gewählt.
«Unter ihrer Leitung hat die Bundeskanzlei bedeutende Reformen durchgeführt, um die Regierung in ihren Tätigkeiten wirksam zu unterstützen», heisst es in der Medienmitteilung vom Montag. Als Beispiele werden der Aufbau eines Präsidialdienstes zur Stärkung der Regierungsführung genannt, der Ausbau des Controllings der Geschäfte des Bundesrates und die kontinuierliche Lage- und Umfeldanalyse zu Handen der Regierung.
Wichtige Schritte habe sie auch bei der Digitalisierung von staatlichen Dienstleistungen initiiert – etwa mit der Entwicklung von Vote électronique und der Ausdehnung der elektronischen Stimmabgabe bei Abstimmungen und Wahlen auf immer mehr Kantone.
Doch auch im Bundesrat schritt unter Casanovas Führung die Digitalisierung voran: Seit drei Jahren laufen alle Bundesratsgeschäfte der Departemente und der Bundeskanzlei elektronisch ab. Nun soll die gesamte Bundesverwaltung mit einem elektronischen Geschäftsverwaltungssystem ausgestattet werden.
Mit ihrem Rücktritt eröffnet die Bundeskanzlerin die politischen Strategiespiele rund um die Bundesratswahlen vom kommenden Dezember. Allerdings dürften sich die Parteien bis nach den eidgenössischen Wahlen zurückhalten mit möglichen Sitzansprüchen auf den Posten des «achten Bundesrats».
Der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin nimmt nämlich an den wöchentlichen Bundesratssitzungen teil, hat eine beratende Stimme und kann Vorschläge unterbreiten. Überhaupt spielt die Bundeskanzlei als Stabsstelle des Bundesrats für das Funktionieren der Regierung eine wichtige Rolle. Das Interesse der Parteien, jemand aus den eigenen Reihen dort zu wissen, ist daher gross.
Bislang war das Amt mehrheitlich eine freisinnige Domäne. Seit 1848 stellten die Freisinnigen 9 der 13 Bundeskanzler und Bundeskanzlerinnen. Nach sechs Freisinnigen in den Jahren 1848 bis 1943 bekleidete bis 1951 der Katholisch-Konservative Oskar Leimgruber das Amt.
Es folgten der Freisinnige Charles Oser (1951-1967), der Christlichdemokrat Karl Huber (1968-1981), der Sozialdemokrat Walter Buser (1981-1991), der Freisinnige François Couchepin (1991-1999) und als erste Frau die Freisinnige Annemarie Huber-Hotz (2000-2007). Auf sie folgte die jetzt abtretende CVP-lerin Corina Casanova.
Die CVP dankte ihr am Montagmorgen «herzlich für ihre hoch geschätzte Arbeit in den vergangenen acht Jahren». Der Bundesrat verliere «ein wichtiges Führungsmitglied und eine Persönlichkeit, die sich dem Bundesrat und damit der Schweiz stets loyal gezeigt hat». (sda)