Am Nachmittag nach der Bluttat ist das Doppelhaus-Quartier in Niederlenz wie ausgestorben. Obwohl vereinzelte Sonnenstrahlen ihren Weg durch wolkenbehangenen Himmel suchen, ist keine Menschenseele draussen. Und doch gibt es praktisch auf Schritt und Tritt Hinweise, dass hier vor allem Familien zu Hause sind. Schon an der Strasse, die zu den Häusern führt, mahnt eine gelbe Tafel mit einem aufgemalten Kind zur Vorsicht: «Geschwindigkeit anpassen – für uns!»
Schnee liegt auf den Dächern und in den kleinen Vorgärten des Quartiers mit lauter terracottabraunen Doppelhäusern. In einem Garten steht ein Schneemann einsam und etwas schief gebaut, wohl von Kinderhand erstellt. An vereinzelten Häusern prangen grosse Baby-Geburtstafeln mit lustigen Motiven. Schlitten, Bob und Traktoren versperren vielerorts den Zugang zur Haustür. Wo man auch hinschaut, lauter sichtbare Zeichen von spielenden Kindern.
Das Doppelhaus-Quartier wurde erst vor rund fünf Jahren gebaut. Eine Idylle am Dorfrand von Niederlenz mit freiem Blick auf Schloss Wildegg. Über die Familie sagten mehrere Nachbarn, dass sie eher zurückgezogen lebte. Bei gelegentlichen Quartierfesten seien sie nie dabei gewesen. Die vierjährige Tochter sei das einzige Kind gewesen. Es habe selten mit anderen Kindern gespielt.
Dieses Verhalten bestätigen auch Recherchen von Tele M1 in Urdorf ZH, wo die Familie vorher sechs Jahre gelebt hatte. «Sie gingen nie nach draussen mit ihrem Kind», erinnert sich eine ehemalige Nachbarin. Das sei schon sehr auffällig gewesen.
Der Fall erinnert im ersten Augenblick an das Familiendrama in Flaach ZH, wo eine Mutter am Neujahrstag ihre beiden Kinder getötet hat. Dort geriet die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) unter Beschuss, weil ihr die Familie und deren Probleme bekannt war. Bei der Tragödie in Niederlenz scheint dies aber nicht der Fall zu sein. Die Familie war der Kantonspolizei in der Vergangenheit jedenfalls nie aufgefallen. Auf Anfrage betont Christina Uster, Co-Fachbereichsleiterin Kindes- und Erwachsenenschutzdienst (KESD) Region Lenzburg: «Die Familie ist uns nicht bekannt als Fall.»
Auch Gemeinderätin Rita Eigensatz kennt die Familie persönlich nicht. «Es ist eine unvorstellbar furchtbare Tragödie, die Betroffenheit in der Gemeinde ist sehr gross», sagt sie. All jene, die nun Aufklärungsarbeit leisten müssten, würden vor einer sehr schwierigen stehen. «Im Moment gibt es vor allem viele Fragen, auf die nun Antworten gesucht werden müssen.»
(rst/roc)