Wenn Sex plötzlich nicht mehr sellt
Zwei Würfel, auf dem einen stehen Körperteile, auf dem anderen Aktivitäten: Kneten, kneifen, küssen, sowas.
Einfach würfeln und «de Rescht chunt us oisere Fantasie», sagt Cassy. Und dann kneten, kneifen und küssen sie. Einander und den Bachelor.
Julia sagt:
Cassy sagt:
Die Würfel zeigen «Lutschen» – und «Po».
Es passieren Dinge mit Schlagsahne.
Danilo sagt:
Julia sagt:
Ok, fein, Leute, ihr könnt das gerne so machen. Wenn ihr euch wohl fühlt dabei, bitte los. Da bin ich die Letzte, die euch aufhält.
Go, Coco, die keine Grenzen kennt und Danilo gerne mal was hinten reinschieben und mit ihm Dreier-, Vierer-, Fünfer-Gangbang machen will.
Nur hat die Fassade des Lusttempels, dieses reizüberladenen «Bachelor»-Universums gerade einen Riss bekommen. Und durch jenen Schlitz hab ich für einmal keine Haut gesehen, sondern eine Seele. Die Seele der gerade noch so inbrünstig leckenden Coco nämlich, die nicht weiss, wo ihr eigener G-Punkt liegt.

Bäm.
Da ist sie.
Die ganze traurige Wahrheit hinter dem ganzen Füdligewackel und Sahnegeschlecke, hinter den Dirty Talks und den sexuellen Würgewünschen, die so viel geiler sind als jeder Blüemlisex.
Die anatomische Unwissenheit ist nur das Symptom eines tiefer sitzenden, gesellschaftlichen Leidens.
Junge Frauen kennen ihre eigenen Körper nicht. Ihre ganze sexuelle Performance wurde längst von Bildern, von Vorstellungen, von Videos aus dem spreizbeinigen Pornomoloch namens Internet überlagert. Die Karte ihres Körpers ist besetzt, bevor sie selbst zur Erkundung schreiten.
Das zu sehen, bricht mir mein Mutterherz.
Es gibt natürlich vielfältige Gründe dafür, dass eine Frau keinen Orgasmus haben kann. Nervenschäden und Rückenmarksverletzungen, hormonelle Störungen oder die Einnahme von Antidepressiva. Auch anatomische Faktoren können eine Rolle spielen; im allertraurigsten Fall aufgrund einer Genitalverstümmelung.
Hier aber, in diesem thailändischen Bikini-Paradies, bei diesem Werbereigen um den einen Mann, glaub ich, wiegt besonders die psychologische Komponente schwer. Neben traumatischen Erlebnissen, die ich im vorliegenden Fall sehr gerne ausschliessen würde, sind es wohl ganz viele, ganz ungute soziale Faktoren, die die sexuelle Eigenmächtigkeit junger Frauen unterjochen.
Zu viel Müll, zu viel Erwartung, zu viel Meinung wird von aussen an sie herangetragen. Es macht mich rasend, dass sie erst durch diesen digitalen Schrotthaufen waten müssen. Dass Fetzen fremder Ansichten an ihren Körpern kleben, wenn sie ihn wieder verlassen. Und dass diese Fetzen sie verunsichern und von sich selbst entfremden.
Und dass das alles passiert, bevor sie ihren eigenen Körper gefragt haben, was er eigentlich mag. Bevor sie sich ihrer eigenen Bedürfnisse bewusst werden. Bevor sie ihre eigene Lust kennen – und verorten können.
Der G-Punkt allein, wenige Zentimeter an der vorderen Vaginalwand liegend, ist dabei wahrscheinlich gar nicht so entscheidend. Er ist Teil eines komplexen, erogenen Netzwerkes, in das auch die Klitoris eingebunden ist, die wiederum nicht nur aus dem winzigen sichtbaren Hügelchen besteht, auf dem die Eichel thront, sondern sich mit ihren beiden Schenkeln um die neun Zentimeter in die Vulva hineinstreckt mitsamt ihren lustbringenden Fähigkeiten.
1) Eichel in der Vorhaut und Klitorisschaft
2) Schwellkörper
3) Klitorisschenkel
4) Harnröhrenmündung
5) Vorhofschwellkörper
6) Scheidenöffnung
Bild: wikimedia
Sprich, alles ist miteinander verbunden, ein Geflecht aus schwellfreudigen Bereichen, die miteinander agieren, um ihrer Besitzerin sexuelle Freuden zu bereiten.
Und ob es am Ende nun ein klitoraler oder vaginaler Orgasmus ist, lässt sich wohl genau darum überhaupt nicht mehr sagen, sicher aber ist es ein Feuerwerk, ein formvollendetes Zusammenspiel aller Beteiligten.
Erkundet darum einfach die ganze verdammte Gegend, liebe Ladys, probiert euch aus, merkt euch, wo es euch am besten gefällt. Und dann sagt es eurem Gegenüber. Sagt es von mir aus Danilo.
Ich wünsche euch von Herzen unzählige Orgasmen. Und wenn es damit auch nach aller Selbstbefriedigung nicht klappen sollte, schliesslich muss der Orgasmus auch überhaupt nicht Ziel von Intimität sein, dann wünsch ich euch einfach ein erfülltes, selbstbestimmtes Körperleben. Eins, in dem ihr sagen könnt, was ihr wollt. Und was ihr nicht wollt. Wann ihr es wollt – und wann ihr es nicht wollt.
Ich wünsche euch, dass eure Lust nicht von zwei Stoffwürfeln bestimmt wird, sondern allein von eurer, irgendwann nicht mehr korrumpierbaren Vorstellungskraft.
Und damit will ich mich von euch verabschieden. Es war sehr oft sehr schön mit euch allen. Neun Jahre lang hab ich euch zugeschaut beim Twerken, beim Saufen, beim Heulen, Knutschen und Fummeln, jetzt ist genug.
Für all diejenigen, die ich mit der heutigen Berichterstattung enttäuscht habe: Es tut mir leid. Ich hab die Folge nicht zu Ende schauen können. Cocos Bekenntnis hat mir das Genick gebrochen. Ich kann nichts Lustiges mehr an diesem Format finden. Mir ist das Lachen vergangen, die ethnologische Beobachtungslust, die fiesen Kommentare, alles.
Es wird Zeit für mich, dem «Bachelor» Adieu zu sagen. Ich danke euch allen fürs Lesen und Beteiligen, fürs Mitfiebern und Mitlachen, aber auch für die Anerkennung der tragischen Komponente, die solche Reality-Shows nun einmal mit sich bringen – und von der ich kein Teil mehr sein will.
