Metzger Christoph Jenzer ist wütend. «Das Gesetz ist ein Witz», schimpft der Inhaber eines traditionellen Fleischverarbeitungsbetriebs in Arlesheim. Er meint die Bundesvorschrift, die ihn unmittelbar nach der Produktion zwingt zu entscheiden, ob seine Fleischwaren frisch oder gefroren verkaufen werden. Hat er zum Beispiel für ein Grümpeli zu viel frische Würste produziert, weil es unerwartet geregnet hat, steht er vor einem Berg an Waren.
Einfrieren darf er sie nicht. In solchen Fällen sind Metzger oft gezwungen, Waren wegzuwerfen. Für Jenzer ist aber das Bekämpfen von Food Waste ein Anliegen, im Sinne des Klimaschutzes. Deshalb versieht er seit einiger Zeit seine Produkte mit zwei Verfallsdaten: Eines zeigt wie üblich an, bis wann die Ware «zu verbrauchen», ein anderes, bis wann es «gefroren bei – 20 Grad haltbar» ist. Damit verfolgt Jenzer eine doppelte Absicht.
Einerseits verhindern die beiden Daten Food Waste betriebsintern, wenn der Metzger seine Ware nicht innert nützlicher Frist los wird. Sie erleichtern ihm das nachträgliche Einfrieren. Dann ist bereits das Haltbarkeitsdatum für den gefrorenen Zustand auf dem Produkt vermerkt, wie vorgeschrieben. Andererseits sind die zwei Daten eine Hilfe für Konsumenten, die zu viel eingekauft haben und ihr Produkt einfrieren anstatt wegschmeissen wollen. Sie wissen dann sowohl, wann der letzte Zeitpunkt fürs Einfrieren ist, als auch bis wann die Ware im Tiefkühler haltbar ist.
Seine Lösung habe mit gesundem Menschenverstand zu tun, ist Jenzer überzeugt. Nur widerspricht sie den Vorschriften zur Etikettierung und dem Grundsatz, dass von Anfang an entweder für Frisch- oder für Gefrorenverkauf produziert werden muss. Doch Jenzer ist nicht der einzige, der über die Gesetzgebung schimpft. Für «widersinnig» hält sie Martin Zimmermann, der Präsident des Metzgermeisterverbands beider Basel und Inhaber einer Metzgerei in Gelterkinden.
Zimmermann räumt offen ein, dass er in Notsituation Fleisch zuerst einfriert und danach wieder aufgetaut an Endkunden liefert. Dies aber nur auf Verlangen und «unter klarer Angabe für den Verbraucher». Das betrifft zum Beispiel Teile wie Schweinshälse, die im Winter anfallen, aber im Sommer gebraucht werden. Wie viele Metzger in der Region gleich wie er handeln, kann Zimmermann nicht sagen. «Aber man kann fast nicht überleben, ohne es zu tun», ist er überzeugt. «Entweder man handelt korrekt, wirft viel weg und ist nach zwei Jahren Konkurs. Oder man muss die Preise um 10 Prozent erhöhen, wenn man nicht in einem Graubereich handeln will.» In einer Gesellschaft, die viel Wert auf Moral und Ethik lege, müsse man Food Waste beachten, findet er. «Und auch wirtschaftlich geht die aktuelle Gesetzgebung nicht auf.»
Hat Zimmermann keine Angst vor Lebensmittelkontrollen? «Doch, ich bin mit einem Bein fast schon im Gefängnis», sagt er, fügt aber an: «Die Inspektoren verstehen unser Problem und wollen wie wir auch kein Food Waste.»
Auch was Christoph Jenzer erlebt hat, bestätigt diese Vermutung. Das Amt rügte ihn zwar in einer Verfügung wegen der Doppeldatierung und forderte eine Korrektur. «Aber man sagte mir, dass man eigentlich gut finde, was ich mache, und dass die jetzige Regelung unlogisch ist», sagt der Betroffene.
Das Amt zeigte ihm sogar einen Weg für eine Lösung des Problems auf. Rolf Wirz, Sprecher der kantonalen Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion, sagt: «Herr Jenzer und unsere Kontrolleure haben unterschiedliche Interpretationen des Gesetzes betreffend Lebensmitteldeklaration.» Man sei deshalb interessiert daran, dass mit einer Einsprache eine saubere juristische Klärung stattfinde und Rechtssicherheit hergestellt werde. Und Wirz betont: «Das haben wir Herrn Jenzer auch so gesagt.»
Dieser liess sich das nicht zwei Mal sagen. Er wird demnächst Einsprache gegen die Verfügung erheben. «Wir werden die Sache weiterziehen, damit es schweizweit eine einheitliche Lösung gibt», kündet er an. Für ihn ist klar: Die heutige Regelung gehört abgeändert. Das Verbot, Fleisch nachträglich einzufrieren, habe man nach diversen Gammelfleischskandalen eingeführt, aus Sorgen um die Gesundheit der Konsumenten. «Die Zeiten haben sich aber geändert», findet er jetzt. «Wir haben die Verantwortung für die Gesundheit, aber auch fürs Klima.» (bzbasel.ch)
Bis es rechtlich über die Bühne ist, komme ich dich mal im Gefängnis besuchen 😉
wär ja toll, wenn ein solches denken auch bei den grossverteilern einzug halten würde..!
Und dies bitte früher als später, wenn man sieht, welche mengen in den einkaufszentren vor ladenschluss zum ent-sorgen eingesammelt werden. 🤦♂️