Heikle Kunst: Ausstellung in Bern zeigt Aufarbeitung des Gurlitt-Erbes
Das Kunstmuseum Bern zieht Bilanz über eines der anspruchsvollsten Projekte seiner Geschichte: den Kunstfund Gurlitt. Es tut dies im Rahmen einer Ausstellung, in der die Aufarbeitung des heiklen Erbes im Zentrum steht.
Erstmals bietet sich so ein umfassender Einblick in die vielfältigen Dimensionen der Erforschung des umstrittenen Legats, welches das Kunstmuseum Bern vor rund acht Jahren angenommen hatte.
Die Exponate erscheinen mit den Spuren ihrer Geschichte. Sie dokumentieren Kunstraub- und Handel der Nazizeit, wirken aber auch in ihren ästhetischen Qualitäten als Objekte des Sammelns, wie das Kunstmuseum Bern in einer Mitteilung schreibt.
In Zürich habe im Fall Bührle niemand den Mut, zu entscheiden, «weder das Kunsthaus noch die Stadt und der Kanton als Geldgeber, sagte Brülhart im am Mittwoch publizierten Interview. Die Geschichte werde langsam belastend für den Kunstplatz Schweiz. Er sei im Ausland schon gefragt worden, ob das Kunsthaus Zürich »ein antisemitisches Museum sei«, so Brülhart.
Seiner Ansicht nach würde es dem Kunstplatz Zürich nicht schaden, wenn die Bührle-Stiftung zum Schluss käme, einige Werke zu restituieren.
Kunsthaus-Sprecher Björn Quellenberg wies die Kritik Brülharts zurück, wollte sich aber nicht im Einzelnen zu den Vorwürfen äussern. Grundsätzlich bewege sich das Kunsthaus »auf der Höhe der nationalen Debatte«, sagt Quellenberg dem »Tages Anzeiger«.
Die aktuelle, vertiefte Erforschung der Bestände im Kunsthaus orientiere sich wie in anderen grossen Kunstmuseen in der Schweiz am Begriff »NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter".
Quellenberg verwies zudem auf einen Runden Tisch zur Sammlung Bührle, der Ende August einberufen wurde und der die Provenienzforschung der Sammlung E.G. Bührle überprüfen soll. Den runden Tisch leiten wird der renommierte Zürcher Staatsrechtsprofessor Felix Uhlmann.Die Bührle-Sammlung gilt als belastet, weil Emil Bürle als Industrieller vom NS-Regime und als Sammler von der Judenverfolgung profitiert haben soll. (sda)
Die Ausstellung will Antworten geben zur Provenienzforschung, zu den Herausforderungen im Umgang mit den Forschungsergebnissen und zudem aufzeigen, wie das Kunstmuseum Bern seine Verantwortungen wahrgenommen. Die Ausstellung «Gurlitt - eine Bilanz» öffnet am 15. September ihre Tore und dauert bis Mitte Januar 2023.
Schweres Erbe
Mit der Annahme des Legats Gurlitt übernahm das Berner Haus ein Konvolut von rund 1200 Kunstwerken, die der deutsche Kunsthändler Hildebrand Gurlitt zusammengetragen hatte.
Gurlitt hatte im Nazi-Regime eine Rolle als Kunsthändler gespielt - eine facettenreiche, schillernde Figur. Die Werke vermachte er später seinem Sohn Cornelius, der sie bis in hohe Alter in seinen Wohnungen in München und Salzburg unter Verschluss hielt.
Erst durch einen Zufall stiessen die Behörden 2010 auf die Bilder in Gurlitts Wohnungen und beschlagnahmten sie. Zumindest Teile der Sammlung standen unter Raubkunstverdacht.
Der greise Cornelius Gurlitt vermachte das Werkkonvolut kurz vor seinem Tod 2014 überraschend dem Kunstmuseum Bern, das nach einiger Bedenkzeit das schwere Erbe mit der Verpflichtung zur Aufarbeitung annahm.
Das Haus baute dazu eine Provenienz-Forschungsstelle auf. Bald wurde auch klar, dass es in der Sammlung nur wenige Ölgemälde gab, die Millionen wert waren und wohl auch nur wenig wirklich als Raubkunst identifizierbare Werke.
Dennoch stellten sich zahlreiche Fragen zum Umgang mit Werken, deren Herkunft nicht eindeutig geklärt werden konnte oder die ihren Besitzern in der Not von den Nazis abgepresst worden waren.
Neun Werke zurückgegeben
Das Kunstmuseum erarbeitete Regeln, wie es mit den sich stellenden Fragen umgehen will. Das Haus verfolgt einen progressiven Ansatz. Nach mehrjähriger Forschungsarbeit wurden bisher neun Werke als Raubkunst identifiziert und an ihre ehemaligen Besitzer respektive deren Nachkommen zurückgegeben.
Viele Werke wiesen jedoch Lücken auf, was die Rückverfolgung ihrer Herkunft betrifft. Wo kein Verdacht auf Unrecht bestand, übernahm das Kunstmuseum die Werke in seinen Besitz. Wo Verdacht auf Unrecht bestand, gab das Museum seinen Besitzanspruch auf. (aeg/sda)
