426 Franken pro Quadratmeter und Jahr sind ein stolzer Preis für ein Bürogebäude. Es ist eine Miete, die in den besonders teuren Städten Zürich oder Genf niemanden vom Hocker hauen würde. In der Stadt Bern zählt ein solcher Zins aber zum oberen Preissegment – eine Toplage in der Innenstadt, würde man angesichts dieses Betrags vermuten.
Doch hier geht es um eine Immobilie in Ausserholligen. Im Berner Aussenquartier an der Grenze zu Bümpliz ist eine Büromiete von 426 Franken pro Quadratmeter überrissen. Der Zins ist mehr als doppelt so hoch wie die Mieten, die im Stadtberner Marktgebiet Mattenhof/Weissenbühl üblich sind.
Die Median-Miete auf dem Büromarkt liegt hier derzeit bei 210 Franken pro Quadratmeter. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Erhebung des Dienstleisters CSL Immobilien hervor. Büroflächen kosten zwischen 165 und 300 Franken pro Quadratmeter, wobei die untersten und die obersten zehn Prozent in diesen Preisband nicht enthalten sind.
Stellt sich die Frage: Warum ist ein Mieter bereit, für ein Gebäude am Rande Berns derart tief in die Tasche zu greifen? Berechtigt ist diese Frage erst recht, weil die Spitzenmiete mit Steuergeld bezahlt wird. Es ist nämlich die Bundesverwaltung, die so viel Geld hinblättert – für das Hauptquartier der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza).
Auf 9.6 Millionen Franken beläuft sich die Jahresmiete des Bürokomplexes in Bern Ausserholligen. 22'540 Quadratmeter beträgt dessen Nutzfläche nach Angaben des Vermieters. Für kein anderes Mietobjekt in der Bundesstadt und ihrer Agglomeration greift der Staat tiefer in die Kasse, wie Recherchen der Redaktion von CH Media zeigen. Die Entwicklungshelfer des Bundes arbeiten in den teuersten Büros.
Warum liess sich die Eidgenossenschaft auf einen Mietvertrag mit solchen Konditionen ein? Schliesslich arbeiten beim Staat ausgekochte Immobilienprofis. Das Bundesamt für Bauten und Logistik kümmert sich um die, wie es selbst sagt, «wirtschaftliche Unterbringung der zivilen Bundesverwaltung».
Allein 1.7 Milliarden Franken gibt die Eidgenossenschaft gemäss Schätzungen jährlich aus, um eigene Gebäude zu unterhalten und weitere anzumieten. Der Wiederbeschaffungswert seiner eigenen Immobilien beläuft sich auf über 29 Milliarden Franken.
Genaue Zahlen sind Mangelware. Besonders die Mietverträge des Staates sind nicht transparent. Wie viel der Bund insgesamt für Mietrechnungen zahlt, ist nicht bekannt. Ebenso wenig, wem die angemieteten Gebäude gehören und wer von den hohen Mieten profitiert. Steht die Deza-Zentrale in Ausserholligen exemplarisch für eine grössere Misere?
CH Media hat die Vorgänge um das Gebäude rekonstruiert. Es ist eine Kaskade von Fehlentscheiden, die dazu geführt hat, dass in Ausserholligen seit der Jahrtausendwende Millionen an Steuerfranken verlocht worden sind.
Die Deza-Zentrale mit ihrer grün-grau schimmernden Fassade gehört zu den markanten Bauten am Europaplatz in Ausserholligen. Das Gebäude liegt verkehrstechnisch günstig. Seine Lage als schön zu bezeichnen, wäre allerdings vermessen: Es ist eingezwängt zwischen einer Gleisüberbauung und einem Bahnhof, nur ein paar Armlängen neben einem Autobahnviadukt, über den täglich Zehntausende Fahrzeuge brausen.
Bis zu 890 Angestellte arbeiten im Komplex. Manche von ihnen klagen hinter vorgehaltener Hand über die eher triste Atmosphäre in den Büros. Schon im Sommer 1999, als die Deza in den Neubau einzog, gab es Beschwerden – von Lüftungsproblemen über Lärm bis hin zu Störungen durch elektromagnetische Wellen der benachbarten Eisenbahn.
Die Atmosphäre ist das eine. Das andere sind die hohen Kosten, die sich seit Jahren wie ein roter Faden durch die Geschichte des Gebäudes ziehen. Gebaut wurde es in den 1990er-Jahren von einer eigens dafür gegründeten Immobiliengesellschaft. Sie besass den Komplex bis zu ihrem Konkurs im Jahr 2016; die Hintergründe der Pleite sind unklar, über die einstigen Kapitalgeber ist nichts bekannt.
Danach gehörte das Gebäude einem Fonds der britisch-südafrikanischen Bank Investec, bis es schliesslich Ende 2018 an die Allreal-Gruppe verkauft wurde. Der Zürcher Immobilienkonzern sicherte sich das Gebäude mit dem Ziel, damit Rendite zu erzielen. 112 Millionen Franken zahlte er dafür.
Allreal erwarb nur das Gebäude, nicht aber den Boden. Das Grundstück ist im Besitz von Privaten und des Bahnunternehmens BLS, die dafür Bauchrechtszinsen von 1.3 Millionen Franken pro Jahr kassieren. Diese überwälzt Allreal wiederum via Gesamtmiete an den Bund.
Die 426-Franken-Miete kann auch nicht einfach als Erblast eines Langfristvertrags abgetan werden. In den beiden vergangenen Jahrzehnten war ein solcher Preis im betroffenen Gebiet – das veranschaulichen frühere Marktstudien – stets viel zu hoch. Zur Jahrtausendwende betrug die Median-Büromiete im Marktgebiet Bern rund 170 Franken pro Quadratmeter, so Zahlen des Beratungsbüros Wüest & Partner.
Der aktuelle 20-Jahre-Mietvertrag läuft seit 2004. Im ursprünglichen Vertrag, der ab dem Einzug 1999 galt, lag die Miete bei 10.3 Millionen Franken und damit sogar noch ein wenig höher. Den Kontrakt inklusive Kaufrecht für das Gebäude schloss der Bund bereits 1993 ab, unter dem damaligen Finanzminister Otto Stich (SP). Die Rede war von einer «Bauinvestition mit einem langfristigen Mietvertrag», so wie es damals in Mode war.
Schon vor dem Einzug in Ausserholligen war klar: Die Mietkosten sind im Vergleich viel zu hoch. Unverhältnismässige Baunebenkosten und die langwierige Planung hätten das Projekt verteuert, begründete Stichs Departement damals den stolzen Mietpreis.
Sein Nachfolger Kaspar Villiger (FDP) versuchte dann, zu retten, was noch zu retten war. 1998 wollte er das Gebäude für 130 Millionen Franken kaufen – das komme unter dem Strich allemal billiger als ein Mietvertrag zu ungünstigen Konditionen. «Ich muss Ihnen sagen, das ist ein schlechter Vertrag», räumte der Bundesrat in einer Parlamentsdebatte ein.
Eigentum sei wesentlich wirtschaftlicher und werde mit jedem Jahr attraktiver, erst recht, weil der Bund seine Mittel günstig beschaffen könne. Zudem werde der Staat dereinst über den Restwert des Gebäudes verfügen. «Es gehört dann uns», sagte Villiger. Doch das Parlament wollte nicht auf ihn hören. Es verweigerte den Kauf des Gebäudes. Die Begründung: Der Preis sei derart überrissen, dass die Miete besser sei.
Unterdessen sind die Deza-Angestellten seit über 20 Jahren in Ausserholligen untergebracht. Die Mietkosten des Bundes summierten sich bis heute schätzungsweise auf über 230 Millionen Franken. Selbst wenn man die Baurechtszinsen ausklammert, für die der Bund auch nach einem Kauf hätte aufkommen müssen, sind Kosten von mehr als 200 Millionen Franken aufgelaufen – ohne dass das Gebäude dem Staat gehört. Eine Milchbüchleinrechnung, natürlich. Kostenfaktoren wie Rücklagen für Reparaturen sind darin ebenso ausgeblendet wie die Entwicklung der Teuerung.
Trotzdem: Wäre es im Nachhinein nicht besser gewesen, das Gebäude zu kaufen? Auf diese Frage will sich das Bundesamt für Bauten und Logistik nicht einlassen, die verlochten Millionen hin oder her. «Es ist schwierig, dies rund 25 Jahre später zu beurteilen», erklärt ein Sprecher auf Anfrage.
Warum hat der Bund nicht längst einen besseren Mietvertrag ausgehandelt? Und wie steht der Bürokomplex kostenmässig im Vergleich mit anderen Bundesgebäuden da? Auch dazu äussert sich das Bundesamt nicht. Sinnvoller sei der Blick in die Zukunft, findet der Sprecher. «Die künftige Unterbringung in einem bundeseigenen Gebäude wird langfristig wirtschaftlicher sein.»
Der Bund will die Kosten in den Griff bekommen. Ende 2023 läuft der Mietvertrag in Ausserholligen aus. Die Deza-Angestellten werden dann in ein neues, bundeseigenes Verwaltungsgebäude in Zollikofen einziehen; im Norden Berns, wo die Eidgenossenschaft schon einige Bürokomplexe aufgezogen hat. So sieht es die bundeseigene Unterbringungsplanung vor. 114 Millionen Franken soll der Neubau kosten. Weg von teuren Mieten, hin zu günstigerem Eigentum – das ist die Devise.
Ich habe selber während 6 Jahren in diversen Büros dieses Gebäudekomplexes gearbeitet. Einige meiner Kollegen hatten konstant gesundheitliche Probleme.