Schweiz
Blaulicht

Gefängnisaufseherin und Häftling in Italien gefasst – Videobotschaft war «nicht der entscheidende Hinweis»

Gefängnisaufseherin und Häftling in Italien gefasst – Videobotschaft war «nicht der entscheidende Hinweis»

Die Aufseherin (32) und der von ihr aus dem Gefängnis Limmattal in Dietikon befreite syrische Häftling (27) sind in Italien verhaftet worden. Die Flucht dauerte damit etwas mehr als sechs Wochen.
25.03.2016, 10:3725.03.2016, 16:53
Mehr «Schweiz»
Die 32-jährige Aufseherin hat den 27-jährigen Gefangenen aus seiner Zelle befreit.
Die 32-jährige Aufseherin hat den 27-jährigen Gefangenen aus seiner Zelle befreit.
Bild: Kapo Zürich

Die 32-jährige Frau und der 27-jährige Mann seien in der Nacht auf Karfreitag gegen 3 Uhr in einer Wohnung in Norditalien durch die Carabinieri festgenommen worden, teilte die Kantonspolizei Zürich mit. Auch das Fluchtauto sei sichergestellt worden.

Nach Angaben der italienischen Nachrichtenagenturen ANSA und AdnKronos sowie des Tessiner Radio und Fernsehens RSI wurden die beiden in Romano di Lombardia in der Provinz Bergamo verhaftet, rund hundert Kilometer südlich der Schweizer Grenze. Das Paar war international zur Fahndung ausgeschrieben gewesen.

Beim Zugriff standen rund 40 Beamte sowie Helikopter im Einsatz. Auch Polizisten der Kantonspolizei Zürich seien vor Ort gewesen, sagte Mediensprecher Daniel Schnyder auf Anfrage. Die beiden wurden in Haft genommen.

Sie seien bei der Verhaftung nicht bewaffnet gewesen, sagte ein Sprecher der Polizei von Mailand gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Sie hätten sich jedoch gegen die Festnahme gewehrt. Die ausgebildete Kampfsportlerin musste von vier Carabinieri überwältigt werden.

Das Duo wollte sich in den Nahen Osten absetzen, wie der Mailänder Carabinieri-Kommandant Paolo Storoni am Freitag vor den Medien sagte. Telefone der Verhafteten nach Deutschland und Österreich hätten auf die Absicht, sich in die Heimat des Mannes absetzen zu wollen, hingedeutet.

In der Umgebung, in der sie sich aufhielten, leben Menschen mit Ursprung aus dem Nahen Osten und den arabischen Ländern. Gemäss dem Carabinieri-Sprecher hat ihre Flucht nichts mit Terrorismus zu tun, sondern erfolgte aus Liebesgründen.

«Nicht der entscheidende Hinweis»

Die Kantonspolizei Zürich bestätigt auf Anfrage der «Nordwestschweiz» die Festnahme. Wie Sprecher Daniel Schnyder sagt, seien verschiedene Spuren verfolgt worden, die schliesslich dazu geführt hätten, dass man die Beiden habe ausfindig machen können. Die Videobotschaft, mit der sich das Ausbrecherpaar vor wenigen Tagen gemeldet hatte, sei dabei nur ein Puzzlestück von vielen gewesen: «Es war nicht der entscheidende Hinweis.»

Das Ausbrecher-Paar ist nun in Italien in Haft. Die Staatsanwaltschaft wird nun ein Auslieferungsgesuch an Italien stellen, wie es in der Mitteilung der Kantonspolizei heisst. Wird dieses bewilligt, werden die Beiden danach in der Schweiz in Haft genommen, wie Schnyder sagt. «Danach übernehmen die Strafverfolgungsbehörden.» Diese würden weitere Untersuchungen und Einvernahmen machen. Was dem geflüchteten Paar danach blüht, ist heute noch nicht klar. «Es ist noch zu früh, das zu sagen», so Schnyder.

Magdici drohen bis zu drei Jahre Haft

Gegenüber der Nordwestschweiz hatte die Leitende Staatsanwältin Claudia Wiederkehr am Tag nach der Flucht bereits gesagt, dass der Gefängnisaufseherin bis zu drei Jahre Haft drohen. Der Häftling hingegen muss mit keiner weiteren Strafe rechnen: Da er aus dem Gefängnis spazierte, ohne jemanden zu verletzen oder etwas zu beschädigen, hat er sich nicht strafbar gemacht.

Nach dem Willen des Bundesrats soll eine solche Flucht auch in Zukunft straffrei bleiben: Im Juni 2015 lehnte er in einer Antwort auf eine Motion von SVP-Nationalrat Lukas Reimann (SVP) ein «Verbot der Selbstbefreiung» ab. Dieses würde im Widerspruch zum anerkannten Grundsatz stehen, wonach Selbstbegünstigung an sich nicht strafbar sei, hielt er damals fest.

Das Paar war in der Nacht auf den 9. Februar aus dem Gefängnis Limmattal in Dietikon geflohen. Die Gefängnisaufseherin hatte den Häftling aus seiner Zelle befreit. Die Kantonspolizei Zürich teilte damals mit, aufgrund erster Ermittlungen könnten sich die beiden Flüchtigen nach Italien begeben haben.

Der Syrer ist wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Das Urteil ist nach Angaben der Direktion der Justiz und des Innern allerdings noch nicht rechtskräftig.

Erst vor wenigen Tagen hatten sie sich per Video-Botschaft gemeldet. Die Frau entschuldigte sich bei ihrer Familie und beteuerte, der 27-Jährige sei «der Mann ihres Lebens». Der geflohene Häftling kritisierte im Video vor allem die Haftbedingungen im Gefängnis Limmattal. (viw/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
61 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Luca Brasi
25.03.2016 11:43registriert November 2015
Oh, jetzt bekommt der Herr Kiko wieder den Knastfrass, den er anscheinend ja nicht mag. ;)
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
Triumvir
25.03.2016 10:42registriert Dezember 2014
Sehr schön. Dank an die italienischen Behörden. Jetzt kann die Gefängnisaufseherin den Knast bald aus einer anderen Perspektive betrachten und der Vergewaltiger seine Strafe korrekt verbüssen.
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
Mnemonic
25.03.2016 11:34registriert Mai 2015
Beide nicht die Hellsten Lichter. Q.E.D...
00
Melden
Zum Kommentar
61
Plus 530 Millionen: Kann die Armee überhaupt so viel Geld ausgeben?
National- und Ständerat wollen 2025 zusätzliche 530 Millionen Franken für die Armee. An Projekten fehlt es nicht, dennoch fragt man sich, ob die Milizarmee sie stemmen kann.

Die Debatte über das Bundesbudget 2025 versprach turbulent zu werden. Sogar ein Scheitern im Parlament und ein Notbudget des Bundesrats waren möglich. Nun scheint sie überraschend problemlos zu verlaufen. Nach dem Nationalrat stimmte am Montag auch der Ständerat dem Budget zu, womit ein Absturz schon einmal vom Tisch ist.

Zur Story