Untauglich. Der Entscheid des Aushebungsoffiziers war für den ältesten Sohn von Markus Ritter ein Schock. Wegen gesundheitlicher Probleme mit den Augen musterte die Armee den damals 19-Jährigen aus und verknurrte ihn zum Zivilschutz.
Das liess sich Vater Ritter nicht gefallen. Der Mitte-Nationalrat, der bald neuer Verteidigungsminister werden könnte, intervenierte bei den Zuständigen der Armee – und schaltete gar den Bundesrat ein. Das zeigen Recherchen von CH Media.
Der Vorfall, der sich im Frühling 2017 abgespielt hat, illustriert, wie Markus Ritter tickt. Er ist es gewohnt, seinen Willen durchzusetzen. Und bekommt er nicht, was er will, kann es für die Betroffenen unangenehm werden.
Noch am Tag der Aushebung setzt sich Ritter an den Computer. «Lieber Guy», beginnt das E-Mail, das er um 20.39 Uhr verschickt. Der Bauernverbands-Präsident kennt den damaligen Verteidigungs- und heutigen Landwirtschaftsminister Guy Parmelin gut, auch dieser ist schliesslich Landwirt.
Im Schreiben schildert er Parmelin stichwortartig den Fall seines Sohnes. Nicht nur er, sondern die Hälfte der Gruppe sei ausgemustert worden. Ritters «persönliches Fazit»: «Ich bin sehr enttäuscht.» Sein Sohn werde gegen den Entscheid aber keinen Rekurs einlegen. «Wenn die Armee auf motivierte und bestens vorbereitete junge Männer wie unseren Sohn nicht angewiesen ist, dann ist es Zeit, der Armee ‹gute Nacht› zu sagen.» Die Nachricht endet mit den Worten:
Bundesrat Parmelin kann sich auf Anfrage von CH Media nicht an das E-Mail und seine Folgen erinnern. Seine Medienstelle will die Nachricht aber nicht als privates Anliegen verstanden haben, für das sich der Nationalrat Unterstützung von ganz oben erhoffte. «Er bat um weitere Informationen, so wie das andere Parlamentarierinnen und Parlamentarier oder Bürgerinnen und Bürger häufig tun», teilt das Departement mit.
Fakt ist: Die Nachricht hatte Konsequenzen. Während sich Parmelin nicht mehr erinnert, kann das Ritter sehr wohl. «Bundesrat Parmelin hat meine Informationen ernst genommen und hat die Prozesse auch überprüft», sagt er.
Wie Ritter bestätigt, hat er auch ein Gespräch mit den Verantwortlichen des Rekrutierungszentrums verlangt – und bekommen. Wie es aus Armeekreisen heisst, ist es äussert selten, dass Eltern wegen eines Aushebungsentscheids intervenieren.
Doch Ritter ist eben kein gewöhnlicher Vater, sondern ein bestens vernetzter Nationalrat. 21 Minuten nach dem E-Mail an Parmelin verschickte er ein zweites. Die Empfänger: Mitte-Sicherheitspolitiker aus National- und Ständerat. Auch ihnen gegenüber beklagt er sich über den Aushebungsentscheid. Verärgert schreibt er:
Ritter bittet seine Ratskollegen, «dringend zu intervenieren». Gemäss Informationen von CH Media soll das dann auch geschehen sein. Offenbar wurde der damalige Armeechef Philippe Rebord an einer Anhörung in der Sicherheitspolitischen Kommission mit der Kritik konfrontiert. Ritters Einmischen soll aber auch zur Folge gehabt haben, dass der Fall des Sohnes noch einmal angeschaut wurde.
Markus Ritter hält sein Vorgehen rückblickend für «richtig und angemessen». Sein Sohn habe sich sehr gewissenhaft auf die Armee vorbereitet. Grund für die Ausmusterung sei eine falsche ärztliche Diagnose gewesen. Von einer Fehldiagnose war in den E-Mails 2017 indes noch keine Rede.
«Wir haben beim Bundesrat interveniert, weil die Rekrutierungsstelle keinen Fehler anerkennen wollte und bei ihrem Entscheid zur Einteilung blieb», sagt Ritter. Damit tönt er zumindest an, dass es ihm auch um private Interessen ging. Dass sein Sohn keinen Rekurs eingelegt hatte, liege unter anderem daran, dass dieser keine Sonderbehandlung habe erhalten wollen.
Ritter betont, dass er damals auch einen «prominenten Vorstoss» hätte einreichen «und öffentlich die Schwächen der Armee zur Schau stellen können». Doch er habe der Armee nicht schaden wollen. Auch sein jüngerer Sohn wurde einige Jahre später – aus Sicht Ritters zu Unrecht – für untauglich erklärt.
Wie sieht Ritter das Ganze heute, als Bundesratskandidat und damit möglicherweise bald oberster politischer Chef dieser Armee, die er einst so heftig kritisierte? «Der Chef der Armee hat mir persönlich versichert, dass die Prozesse angepasst wurden», sagt Ritter auf Nachfrage. «Ich würde aber sicher nochmals gerne ein Gespräch mit dem Oberfeldarzt führen.» (aargauerzeitung.ch)