Die Forderung der Mitte-Frauen war klar: Ein reines Männerticket für die Bundesratswahl, das geht nicht. «Jetzt braucht es eine Präsidentin und eine Bundesrätin», schrieb Christina Bachmann-Roth, Präsidentin der Mitte-Frauen, auf X – und bezog sich dabei auch auf den Rücktritt von Parteipräsident Gerhard Pfister.
Doch der Wunsch scheiterte an der Realität. Keine Mitte-Frau ist bereit, Bauernverbandspräsident Markus Ritter und dem Zuger Gesundheitsdirektor Martin Pfister Konkurrenz zu machen.
Recherchen zeigen, dass die Findungskommission mit vielen potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten gesprochen hat, um sie von einer Kandidatur zu überzeugen. Doch ausgerechnet mit den beiden Frauen, die sich bis zum Schluss alle Optionen offenhielten, führte man keine ernsthaften Gespräche.
Weder Ständerätin Andrea Gmür noch Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter wurden von einem der beiden Co-Präsidenten der Findungskommission kontaktiert, bearbeitet und zu einer Kandidatur ermuntert. Auch von keinem anderen Mitglied.
Andrea Gmür bestätigt auf Anfrage, sie sei bis am letzten Freitag von keinem Mitglied der Findungskommission kontaktiert worden. Die Fraktion hatte an jenem Tag eine Klausur. Die meisten Mitglieder schienen davon auszugehen, dass die Ständerätin kandidiert. Um 16 Uhr gab sie aber ihren Verzicht bekannt.
Ähnlich erging es Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter. Auf Anfrage sagt sie:
Schneider-Schneiter weilte allerdings noch eine Woche im Ausland. Am Montagmorgen, kurz vor Ende der Frist, verzichtete sie auf eine Kandidatur.
Ganz anders war dies, als es um eine Kandidatur von Nationalrat und Bauernpräsident Markus Ritter ging. Da wenige Tage nach Viola Amherds Rücktritt weit und breit kein Bundesratskandidat in Sicht war, sprach Philipp Bregy, Co-Präsident der Mitte-Findungskommission, im Bundeshaus intensiv mit dem Bauernpräsidenten – und ermunterte ihn zu einer Kandidatur.
Auch der Zuger Regierungsrat Martin Pfister, der sich sozusagen in letzter Sekunde als zweiter Bundesratskandidat ins Rennen begab, konnte in der Schlussphase auf den Support der Findungskommission zählen – nämlich von Gerhard Pfister, dem anderen Co-Präsidenten der Findungskommission. Das bestätigte Pfister an diesem Montag auf eine entsprechende Frage.
«Selbstverständlich haben wir miteinander die Frage diskutiert», sagte Pfister.
Die Findungskommission hat zudem in einem Brief alle Regierungsrätinnen und Regierungsräte dazu aufgefordert, sich doch eine Kandidatur zu überlegen.
Warum ist man nicht auch proaktiver auf Gmür und Schneider-Schneiter zugegangen? Philipp Matthias Bregy, Mitte-Fraktionschef und Co-Präsident der Findungskommission, sagt:
Vor allem in den letzten Tagen vor Ablauf der Frist habe man «zahlreiche Gespräche geführt, so auch mit den erwähnten Personen».
Der Präsident der Partei, der Fraktionschef und drei weitere Mitglieder des Präsidiums der Mitte bilden auch gleich die Hälfte der Findungskommission. Die andere Hälfte setzt sich aus dem Fraktionsvorstand zusammen.
Das ist zwar die historisch übliche Zusammensetzung bei der Mitte. Es stellen sich damit aber gewisse Fragen, denn die Führung von Partei und Fraktion wacht damit nicht nur über das Wohlergehen ihrer Organe, sondern auch über die Bundesratskandidaturen. Selbst die SVP setzt unabhängigere Findungskommissionen ein.
Einiges deutet darauf hin, dass die Parteispitze – und damit die Findungskommission – bei der Bundesratssuche jene Mitte-Politikerinnen und -Politiker zu einer Kandidatur ermutigte, die ihr genehm sind. So beispielsweise die Zürcher Nationalrätin Nicole Barandun. «Man hat mehrere Gespräche mit mir geführt und mich zu einer Kandidatur ermuntert», sagt sie.
Gmür wie Schneider-Schneiter hingegen hatten Kritik an Gerhard Pfister und der Parteispitze geäussert. Die Ständerätin forderte, dass die Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Führungsstil von Generalsekretärin Gianna Luzio von einer externen Stelle aufgearbeitet werden müssten, bevor Gerhard Pfister Bundesratskandidat werden könne. Und Schneider-Schneiter sagte diese Woche dem Basler Onlinemagazin «Bajour»:
Zu diesem nach aussen hin deutlichen Ungleichgewicht in der Behandlung zweier männlicher und weiblicher Kandidaturen wollen sich weder Gmür noch Schneider-Schneiter äussern. Auch Christina Bachmann-Roth, die Präsidentin der Mitte Frauen Schweiz, sagt nichts dazu.
Die Mitte-Frauen müssen aber auch vor der eigenen Türe kehren. Kommunikativ machten sie als Gruppe in den vergangenen Wochen keine gute Falle. Noch wenige Tage vor Ende der Bewerbungsfrist zeigten sie sich gegenüber CH Media davon überzeugt, dass sich eine Kandidatin finden werde. Wenig später holte auch sie die Realität ein.
Unglücklich auch die Reaktion aufs Männerticket. Die Mitte-Frauen verschickten ein verwirrendes Communiqué, das man so verstehen konnte, dass die Frauen noch immer auf ein Dreierticket pochen – 50 Minuten später folgte ein «Korrigendum».
Mitte-Parlamentarierin Nicole Barandun kritisiert die chaotische PR der Mitte-Frauen. «Die Art und die Häufigkeit der Kommunikation finde ich schwierig», sagt sie. Natürlich dürfe man fordern, dass eine Frau aufs Ticket muss. «Aber jetzt nimmt das Ganze eine Intensität an, die aus meiner Sicht nicht mehr gerechtfertigt ist.»
Auch die Aargauer Ständerätin Marianne Binder, Mitglied der Parteileitung und der Findungskommission, geht auf Distanz: Die Verlautbarungen von Frauen-Präsidentin Christina Bachmann-Roth würden diejenigen der Frauen in der Fraktion nicht widerspiegeln, sagt sie.
Gleichzeitig erhält Bachmann-Roth aber auch viel Support und Wertschätzung. Sie habe alles versucht, eine Frau zu einer Kandidatur zu bewegen, heisst es. «Ich schätze sie sehr – sie ist gradlinig, mutig und intelligent», sagt etwa Ständerätin Andrea Gmür. «Ich wurde mehrfach von ihr kontaktiert. Es ist ihre Aufgabe, Frauenkandidaturen öffentlich zu forcieren.»
Bachmann selbst sagt, es sei wichtig gewesen, «sofort hinzustehen und eine Frau auf dem Ticket zu verlangen». Damit sei es den Mitte-Frauen gelungen, «die Forderung nach einer Frau in die öffentliche Diskussion zu bringen». Sie betont: «Wir waren mit allen in Kontakt.»
Dass letztlich keine Frau ins Rennen stieg, habe nichts mit dem Geschlecht zu tun. «Meistens waren die Absagen persönlich begründet», sagt Bachmann-Roth.
Babette Sigg, Bachmann-Roths Vorgängerin an der Spitze der Mitte-Frauen, sieht ein Thema, das bei möglichen Kandidatinnen «allgegenwärtig» gewesen sei: die Work-Life-Balance. «Frauen, aber auch Männer, wollen sich nicht mehr einfach für ein Amt aufopfern, sie müssen einen klaren Gewinn für sich daraus ziehen können.» (aargauerzeitung.ch)