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Dann untersucht er ja doch die FIFA? 🤔
Dienstagnachmittag, etwa 16 Uhr. Beim Kommissionszimmer 286 im Bundeshaus steht, ganz allein, Stefan Blättler (62) und blättert in einem Stapel Papier, der vor ihm auf einer Ablage liegt. Er war soeben in der SP-Fraktion, zuvor bei der CVP, etwa eine halbe Stunde später folgen die Grünliberalen, dann hat er sich allen Gruppierungen gestellt.
Er wirkt locker, offen, humorvoll. Selbstverständlich ist das nicht: Der Kommandant der Berner Kantonspolizei soll am Mittwoch von der Bundesversammlung zum Bundesanwalt gewählt werden.
In den Fraktionen zeigte sich, dass Blättler, 30 Jahre bei der Kapo Bern im Einsatz, keiner ist, der den Leuten nach dem Mund redet. Er machte deutlich, dass er, einmal gewählt, Fragen aufwerfen wird, die nicht alle freuen. Eine wird sein: Ist die Politik bereit, den Strafverfolgungsbehörden das nötige Instrumentarium zu geben, damit sie die Organisierte Kriminalität wirksam bekämpfen können? Es geht um Mittel wie Überwachung der Kommunikation oder Herauslesen von DNA-Spuren. Blättlers Meinung ist, das wurde in Hearings klar: Man kann den Pelz nicht waschen, ohne dass er nass wird. Aber es ist an der Politik, zu sagen, was möglich ist.
Blättler ist ein Anti-Lauber. «Ihm wird es nicht einfallen, über die Köpfe von Abteilungs- und Verfahrensleitern hinweg Parteivertreter zu treffen», sagt ein Politiker, der Blättler kennt. Kungeleien wie jene im «Schweizerhof» werde es mit ihm sicher nicht geben.
Die Kräfte seiner Leute wird der Lauber-Nachfolger kaum in Wolkenschiebereien wie Fifa-Verfahren verpuffen lassen. Er wird stark auf Organisierte Kriminalität, Geldwäscherei, Korruption und Wirtschaftskriminalität fokussieren. Er wird die Zusammenarbeit mit Behörden im In- und Ausland verstärken, weil er weiss, dass die Bekämpfung des grenzenlosen Verbrechens nur im Verbund erfolgreich sein kann.
Dazu passt: Eine der ersten Auslandreisen des neuen Bundesanwalts werde, so heisst es in Bern, nach Rom führen. Die Bekämpfung der Mafia hat für ihn hohe Priorität.
Das ist eine gute Nachricht für italienische Mafia-Jäger wie den Staatsanwalt Nicola Gratteri, der gerade letzte Woche in Lugano zu Gast war. Gratteri führte die Operation Imponimento gegen den ‘Ndrangheta-Clan der Anello-Fruci aus Kalabrien, der sich in der Schweiz breitmachte, vor allem im Aargau und im Tessin. Derzeit läuft in Italien das Gerichtsverfahren.
Gratteri sagte, die Zusammenarbeit mit der Schweiz habe sich zwar verbessert. Aber leider mangle es hier an wirksamen Instrumenten. Unser Datenschutz etwa stehe Telefonabhörungen im Weg. Er bedauerte, dass die Medien, im Gegensatz zu Italien, die Namen der verdächtigen Mafiosi nicht nennen dürfen, so blieben diese anonym.
Dabei: «Die ‘Ndrangheta geht in der Schweiz und anderen europäischen Längern auf Shopping-Tour. Die Mafiosi sind in die Schweiz gekommen, um von eurem Reichtum zu profitieren und ihn auszusaugen», so Gratteri. Mit den Erlösen aus ihren kriminellen Aktivitäten kaufen sie sich in Land und Wirtschaft ein. Die Schweiz müsse aufpassen, so Gratteri, dass sie nicht eines Tages in italienischen Verhältnissen aufwache.
Genau so sieht es, das machte er dieser Tage in Bern deutlich, der designierte Bundesanwalt. Unter Lauber wurde die Mafia-Bekämpfung stiefmütterlich behandelt, nur gerade ein Staatsanwalt beschäftigt sich laut Insidern damit.
Die Bundesanwaltschaft sagte auf Anfrage nur, dass bei Bedarf auch Strafverfahren in Lugano geführt würden. Aber klar scheint: Blättler wird in Sachen Mafia-Bekämpfung aufrüsten. Dafür dürfte er die Stäbe abbauen.
Wenn Blättler eine Schwäche habe, so Beobachter einhellig, sei es die fehlende Erfahrung in der Führung von Strafverfahren. Daher sei er auf gute Leute angewiesen. Ein Problem ist laut Insidern, dass in der aktuellen Spitze der BA nicht viel solches Wissen vorhanden sei.
So weisen manche darauf hin, dass es der heutige Vize-Bundesanwalt Montanari war, der 2007 ein erstes IT-Korruptionsverfahren gegen einen Abteilungsleiter des Staatssekretariats für Wirtschaft einstellte. Das Verfahren wurde später wieder aufgenommen, der Mann wurde diese Woche vom Bundesstrafgericht zu vier Jahren Haft verurteilt. Der Staatsanwalt aber, der dieses zweite Verfahren erfolgreich eröffnet hatte, wurde 2015 von Lauber und seiner Führungsriege in die Wüste geschickt. Er war einer jener Staatsanwälte, die sich nicht alles gefallen liessen.
Blättler werde auch personell über die Bücher gehen, sagen Beobachter. «Viele gute Mitarbeiter haben die BA unter Lauber verlassen.» Blättler werde wohl einige zurückzuholen. Klar ist, dass er die Geschäftsleitung umbauen wird: Lauber wollte dort keine operativen Staatsanwälte.
Die Auftritte des parteilosen Blättler beeindruckten Politiker. Doch bald gilt es ernst. Selbst die grüne Fraktionschefin Aline Trede, die Blättler aus Bern nur zu gut kennt, gibt ihm Kredit: Wenn er die gewisse Härte, die er als Polizeikommandant an den Tag lege, auch in Sachen Wirtschaftskriminalität einsetze, sei das «ja nicht so schlecht.»
(aargauerzeitung.ch)