Das Dublin-Abkommen soll gewährleisten, dass ein Asylgesuch nur in einem europäischen Staat gestellt werden kann. In normalen Zeiten sei das ein gutes System, sagte Simonetta Sommaruga am Donnerstag anlässlich eines Medien-Spaziergangs an der Aare in Bern. Wenn aber jeden Tag 1000 oder 2000 Flüchtlinge in Italien einträfen, komme das System unter Druck.
Darum könne man das Dublin-System kritisieren, «aber ich habe noch nie einen vernünftigen Vorschlag gehört, was denn die Alternative wäre», sagte die Justizministerin. Denn ohne die Assoziierung an das Abkommen werde die Schweiz zur «Asyl-Insel». Jeder Asylbewerber, der in Europa abgewiesen wurde, könnte in der Schweiz erneut ein Gesuch stellen.
Der grösste Einwanderungsdruck lastet heute auf fünf europäischen Ländern. Sie sind mit drei Vierteln aller Asylgesuche konfrontiert, hinzu kommen die nicht registrierten Flüchtlinge. Vor allem Italien wird dem Flüchtlingsstrom kaum mehr Herr.
«Es würde sich lohnen, das Dublin-System zu überdenken, weiter zu entwickeln, zu stärken», sagte Sommaruga. Konkrete Pläne, eine politische Agenda, gibt es im Moment aber nicht. Ein neuer Verteilschlüssel, etwa nach Bevölkerungszahl oder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, wäre eine Möglichkeit, das Problem zu entschärfen. «Aber das ist im Moment nicht mehrheitsfähig», ist die Bundesrätin überzeugt.
In der EU brauche es Einstimmigkeit, und kein europäisches Land wolle mehr Flüchtlinge. Darauf habe die Schweiz als assoziiertes Mitglied auch wenig Einfluss. Die Vorstellung, die Schweiz könne nach Brüssel gehen und den europäischen Staaten sagen, wie man das organisieren müsse, sei «an Naivität kaum zu übertreffen», sagte Sommaruga an die Adresse der SVP.
Diese will mit einer neuen Initiative erreichen, dass das Dublin-Abkommen in ihrem Sinn umgesetzt wird: Nur noch Flüchtlinge, die auf dem Luftweg direkt in die Schweiz einreisen, sollen ein Asylgesuch stellen können. Für Sommaruga ist das nichts als Schaumschlägerei. «Die Menschen würden trotzdem kommen.» (egg/sda)