1169 Neuinfektionen waren es gestern. Die Zahl ist seit einer Woche kaum noch rückläufig. Zu tun hat das vermutlich mit dem Anstieg der neuen Varianten, deren Anteil an den Infektionen nun bei 58 Prozent liegt. Das gilt wohl auch für Österreich, das wie andere Nachbarländer einen leichten Anstieg verzeichnet. Als zusätzlichen Grund werden nicht die Ladenöffnungen, sondern die erhöhte Testaktivität genannt. Extrem fallen die Zahlen in Grossbritannien, was mit der hohen Zahl an Geimpften erklärt wird.
Ein Besuch des Nikolaus am 5. Dezember in einem belgischen Altersheim endete tödlich. Als Superspreader steckte er die Bewohner an, 26 starben, schreibt «Nature». Damit nimmt der Artikel auf, was man schon länger weiss: «Nur ein relativ kleiner Teil der Infizierten ist für die Weiterverbreitung des Virus verantwortlich», sagt der Infektiologe Philipp Kohler vom Kantonsspital St.Gallen.
Im renommierten Wissenschaftsmagazin «Nature» befürchten die Forscher, dass die Mutanten das Superspreading verschlimmern könnten. Mit Bestimmtheit könne man das noch nicht sagen, aber wahrscheinlich sei das schon.
Superspreader verbreiten die Coronaviren vornehmlich in «Point of Interest». Im «Nature» wird eine Studie zitiert, nach der Restaurants und Fitnessstudios Hotspots für Übertragungen sind. Demnach lag der Anteil der Restaurants in den USA bei 20 Prozent.
Auch zeigte sich, dass vor allem arbeitende und aktive Menschen Superspreader sind. Das müsse man berücksichtigen, so die Forscher. Zum einen mit retroperspektivem Contact Tracing: Gesucht wird nach der Person, die den Infizieren angesteckt hat. Denn diese könnte mehrere infiziert haben. Statt alles lahmzulegen, müsste gezielt dort eingegriffen werden, wo Superspreader am gefährlichsten sind.
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Deshalb sollte man sich jetzt, wo die Fallzahlen sinken, auf Hochrisiko-Orte konzentrieren. «Der Fokus der Prävention soll klar auf Indoorveranstaltungen liegen, wo viele Leute auf engem Raum zusammenkommen», sagt Kohler. Entscheidend sei dabei auch, wie lange sich Leute in einem Raum aufhalten und ob laut geredet wird oder ob die Leute körperlich aktiv seien. Büros, Restaurants oder Fitnesszentren haben deshalb ein deutlich höheres Risiko als zum Beispiel Läden. Im Verhältnis dazu sind Aussenbereiche kaum entscheidend.
Dass die Fallzahlen nun stagnieren, noch bevor die Lockerungen in Kraft treten, muss mit dem Verhalten der Leute zusammenhängen. Auch wenn stets vor einer neuen Welle gewarnt wird, folgt das Verhalten der Bevölkerung der aktuellen Lage: Wenn die Fallzahlen sinken, werden die Massnahmen tendenziell weniger strikt befolgt. Die Zürcher Forschungsprojekt Corona-Immunitas zeigt das mit einer regelmässigen Befragung der Bevölkerung: Die Risikoeinschätzung einer Ansteckung folgt der Kurve der Fallzahlen.
Interessanterweise schätzen die Fribourger und Neuenburger, die stärker vom Virus betroffen waren und sind, das Risiko seit Monaten immer mindestens doppelt so hoch ein wie Berner oder Zürcher. Ebenso hoch wie die Westschweizer sehen auch die Tessiner das Risiko – obwohl diese jedoch von der zweiten Welle weniger stark erfasst wurden. Womöglich hält der Schock der ersten Welle noch an.
Andererseits hat die höhere Risikoeinschätzung die Westschweiz nicht vor einer zweiten Welle bewahrt. Die Faktoren, welche zu einer dritten Welle führen könnten, sind aktuell klar die Mutationen. Dass die Läden und Museen nächste Woche öffnen, hat vermutlich einen geringen Effekt. Die Wellenbewegung unterbrechen können auf Dauer nur die Impfungen.
Wenn das Virus weg ist, bleiben oft Langzeitfolgen. Gemäss einer Studie des Forschungsteams Corona-Immunitas, leidet ein Viertel aller Patienten ein halbes Jahr danach noch an Symptomen wie Müdigkeit, Atemnot und Husten.
Viele der Geheilten können deshalb nicht sofort nach Hause sondern müssen in Reha-Zentren verlegt werden. Im Kanton Genf bleiben diese unter kantonaler Obhut und werden an verschiedenen Standorten der Genfer Universitätsspitäler HUG betreut. Das HUG hat deshalb auch bei den Post-Covid-Fällen den Überblick. Die Grafik oben zeigt eindrücklich, dass die Kurve dieser Fälle viel langsamer abflacht: Gestern waren 61 Akut-Patienten im Unispital, gegenüber immer noch 188 Post-Covid-Fällen.
Viele davon werden in einer speziell geschaffenen Abteilung im Hôpital Beau-Séjour behandelt. Therapiert werden die neurologischen, respiratorischen und psychischen Folgen. Mediensprecher Nicolas de Saussure sagt: «Es ist uns wichtig, dass die Leute verstehen, dass zehn Tage Spitalaufenthalt oft nicht genügen.»
Corona-müde.