Die Experten des Bundes haben am Samstag einmal mehr über den neusten Stand in Sachen Coronavirus informiert. Nach dem am Freitag verfügten Verbot von Grossanlässen mit mehr als 1000 Personen ging es in erster Linie darum, die Lage zu beruhigen.
In der Schweiz gebe es derzeit 12 bestätigte Fälle, sagte Daniel Koch, Leiter Übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit (BAG). Bei fünf weiteren sei der erste Test positiv ausgefallen. Für die Bestätigung fehlt noch das Resultat eines zweiten Tests. Bislang hätten sich alle Infizierten im Ausland angesteckt, genauer in Italien. Das werde aber nicht so bleiben, meinte Koch: «Es wird zu Übertragungen in der Schweiz kommen.»
«Beunruhigend», meinte Koch, Angesichts der bisher 885 bestätigen Fälle und 21 Todesopfer müsse von einer grossen Dunkelziffer ausgegangen werden. Dies bedeute für die Schweiz, dass sie kurz davor stehe, dass die Lage «ausser Kontrolle» gerate und die Ansteckungswege nicht mehr in jedem Fall zurückverfolgt werden könnten.
Sie solle sich über das Wochenende ruhig verhalten und nicht ihre ganze Lebensweise auf den Kopf stellen, meinte Koch. Es gehe darum, die Ressourcen zu schonen und nicht die Notfallabteilungen in den Spitälern mit leichten Fällen zu überlasten. «Wir werden es nicht schaffen, über längere Zeit jeden Fall, der hustet, vollständig zu testen und zu isolieren», so Koch. Man werde sich künftig auf die schweren Fälle konzentrieren müssen. Von den leichten Fällen sei deshalb sehr viel Selbstdisziplin und Selbstverantwortung verlangt.
Die Schweizer Behörden planen zumindest für die kommenden Tage keine neuen massiven Massnahmen wie Grenz- oder Schulschliessungen, hiess es in Bern. Grenzschliessungen seien im Moment keine Option, weil sie nichts brächten und zudem viele Grenzgänger von der Arbeit in Spitälern und Arztpraxen abhalten würden, so Koch.
Auch mache es keinen Sinn, die Schulen zu schliessen, da Menschen über 60 Jahre am meisten gefährdet seien. Kinder seien nicht die Hauptträger des Virus. Deshalb sei es auch keine gute Idee, wenn Familien nun Grosseltern zur Betreuung von kranken Kindern einsetzen, damit die Eltern weiter arbeiten könnten. «Man wird mit grösster Wahrscheinlichkeit die ältere Bevölkerung schützen müssen, damit wir nicht zu viele Todesfälle verzeichnen», so Daniel Koch.
Nächster Schritt ist Anfang kommende Woche eine neue Informationsoffensive. Es werde sich um schriftliche Empfehlungen an die Bevölkerung handeln, was sie noch mehr tun könne, um sich vor einer Ansteckung oder Übertragung des Covid-19-Virus zu schützen.
Aus dem Ausland seien im Moment keine weiteren Repatriierungen nötig, erklärte Hans-Peter Lenz, Leiter des Krisenmanagementzentrums im Aussendepartement EDA. Reisende würden aus eigenem Ermessen entscheiden und hätten kein Anrecht auf eine organisierte Ausreise aus einem Krisengebiet. Die Schweizer Vertretungen würden aber Beistand, Beratung und Unterstützung anbieten.
Die Ausbreitung des Coronavirus sei ein neues Konjunkturrisiko, sagt Eric Scheidegger, Chefökonom des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco): «Dieses Virus wird in der Weltwirtschaft und der Schweizer Konjunktur Spuren hinterlassen.» Besonders betroffen seien das Messewesen, der Tourismus und die Luftfahrt. Scheidegger rechnet mit ersten Auswirkungen im Verlauf des zweiten Quartals. Er erinnerte an die Möglichkeit, dass Unternehmen neu auch aufgrund von Auswirkungen des Coronavirus Kurzarbeit beantragen können. (sda/pbl)