Ja. Auch die Omikron-Variante ist nicht harmlos. «Ältere Menschen und solche mit Risikofaktoren können immer noch schwerer krank werden. Deshalb sollten sie sich boostern lassen», sagt Huldrych Günthard von der Klinik für Infektiologie am Universitätsspital Zürich. Die Spitäler haben bereits jetzt eine beschränkte Kapazität an Betten aufgrund des Mangels an Personal. Eine weitere starke Coronawelle würde das Problem noch verstärken. Der Basler Epidemiologe Marcel Tanner erinnert daran, dass der zweite Booster von der Impfkommission grundsätzlich nur für Risikogruppen empfohlen ist: Für über 65-Jährige und Menschen mit entsprechenden Vorerkrankungen jeglichen Alters.
Nein, sagt Hulydrich Günthard. Hauptsache boostern, mit welchem Impfstoff, ist nicht entscheidend. Die Unterschiede zwischen den neuen Impfstoffen seien nicht riesig.
Ausschliessen lässt sich das nicht, weil immer wieder Untervarianten auftauchen, die besorgniserregende Mutationen am Spike-Protein haben. Bis jetzt haben sich diese Varianten weder durchgesetzt noch sind sie besonders gefährlich geworden. «Weil die jetzt zirkulierenden Omikron-Varianten klinisch nicht besonders bösartig sind und auch die sich am Horizont abzeichnenden neuen Varianten keine schwereren Verläufe zu verursachen scheinen, glaube ich nicht, dass in nächster Zeit eine besonders gefährliche Subvariante kommt», sagt Günthard. Auch der Epidemiologe Marcel Tanner sieht im Moment keine erschreckende Variante am Horizont.
Zum einen wegen der Welle im Frühling mit den Omikron-Untervarianten BA.1 und BA.2 und der starken BA.5-Welle im Sommer. Jetzt dominiert immer noch deutlich die Subvariante BA.5. «Es gibt Studien, die zeigen, dass eine Infektion mit BA.1 und BA.2 einen guten Schutz gegen BA.5 bietet», sagt Huldrych Günthard. Die Immunität der Bevölkerung gegen BA.5 ist gross. Zweitens hat das schöne Wetter diesen Herbst geholfen. Der Haupteffekt für den Rückgang seien somit wahrscheinlich die zwei natürlichen Omikron-Wellen.
Nicht zu vergessen sei aber, dass wenig getestet wird und die Dunkelziffer sehr hoch ist, sagt der Epidemiologe Marcel Tanner. Mindestens Faktor 6. Gleichwohl zeige die Tendenz der Fälle nach unten. Obwohl man sich noch mit Omikron infizieren könne, sei der Immunstatus der Bevölkerung weiter gestiegen durch durchgemachte Infektionen. Wir sind aber noch nicht in der kalten Jahreszeit. Wie sich die Infektionslage entwickelt, kann man erst besser beurteilen, wenn die Leute wieder mehrheitlich in Innenräumen sind. «Omikron hat uns, gleich mit welcher Variante, im vergangenen Jahr von der Epidemie in die Endemie getragen», sagt Tanner.
«Entspannung schon, aber wir sind noch nicht in der Situation, nichts mehr machen zu müssen. Die grosse Unbekannte ist nach wie vor Long Covid», sagt Günthard. Long-Covid-Patienten gehen von Arzt zu Arzt, die Kosten sind hoch, eine kausale Therapie gibt es noch nicht. Nach Günthard sollte man noch vorsichtig bleiben und auch wieder über Masken im ÖV nachdenken, um die Last von Long Covid zu reduzieren.
Tanner erinnert daran, dass wir nun schon ein Jahr mit Omikron leben. Für den Verlauf der Pandemie war es ein «Segen», dass Omikron Delta ersetzt hat. «Delta hat schwerer krank gemacht und auch zu mehr Long Covid geführt», sagt Tanner. Wichtig bleibe die Überwachung neuer Varianten. «Wir müssen uns bewusst sein, dass wir Corona immer noch immer unter uns haben und damit leben müssen.» Deshalb bleiben gewisse Grundmassnahmen wie Hygiene oder auch eine überlegte Lüftung der Innenräume in den Wintermonaten wichtig.
Der Anteil von BA.5 betrug Ende Oktober noch rund 87 Prozent, die Tendenz ist deutlich sinkend. Die Variante BQ.1.1. macht auch hierzulande schon geschätzte 10 Prozent aus und BA.2.75 immerhin 9 Prozent.
Im Labor lässt sich jeweils testen, wie gut Corona-Antikörper von Genesenen neue Varianten bekämpfen. Bezüglich der Varianten BQ.1.1. und BA.2.75.2 gibt es keine guten Nachrichten: Diese Varianten scheinen der bestehenden Immunität fast ebenso gut ausweichen zu können wie damals, als Omikron erstmals auftauchte und viele immerhin schon eine Immunität gegen Delta hatten. Die drei neuen Varianten haben sich genetisch schon so weit von der ersten Omikron-Untervariante BA.1 entfernt, dass diese alte Infektion kaum noch schützt – zumal sie, falls man damals erkrankte – schon mehr als ein halbes Jahr zurückliegt. Die Forschenden einer neuen Studie um den US-Forscher Chengzi Kaku zeigen, dass die Antikörper und B-Zellen einer alten BA.1-Infektion die Untervarianten BQ.1.1. und BA.2.75.2 kaum neutralisiert. Etwas besser dürfte der Schutz nach einer Infektion mit der aktuell noch dominanten Untervariante BA.5 sein gegenüber den oben genannten sein – denn die neuen haben sich aus BA.5 entwickelt. Daten dazu fehlen noch.
Wenn eine BA.1-Infektion kaum gegen die sich neu verbreitenden Untervarianten schützt, gilt dies auch für Boosterimpfungen, basierend auf BA.1, wie jene von Moderna, die aktuell in der Schweiz verimpft wird. Moderna verschickte Ende Oktober nur eine vermeintliche Erfolgsmeldung: Der neue Booster löse im Vergleich mit dem alten Impfstoff andauernd über drei Monate eine «überlegene neutralisierende Antikörperreaktion gegen Omikron BA.1 aus». Bloss ist die Evolution des Coronavirus schon zwei Schritte weiter. Die Impfung kann dennoch Sinn machen, weil sie zumindest für einige Wochen einen gewissen Schutz vor Ansteckung bietet. Auch frischt sie den Schutz vor schwerer Erkrankung auf.
Generell ist die Sterberate im Spital sehr tief. In der Regel sind es nun vor allem schwerkranke Menschen. Ist jemand zum Beispiel schwer an Leukämie erkrankt, kann eine Infektion mit Sars-CoV-2 zum Tode führen. Auf den Intensivstationen aber ist Covid im Moment keine dramatische Belastung mehr. Doch es gibt immer noch schwere Fälle. Günthard vom Universitätsspital Zürich erzählt von einer ungeimpften, schwangeren Frau, die es wie «zu alten Coronazeiten» erwischt hat. «Sie hatte aber Glück, unsere Behandlungen haben gegriffen und sie konnte die Intensivstation verlassen und das Kind kam gesund zur Welt.»
Erfolgreich sind die Frühtherapien mit dem Covid-Medikament Paxlovid. Nicht mehr so gut wie zu Beginn wirken gemäss Günthard die Antikörper-Therapien. In den Spitälern werden Kombinationstherapien, insbesondere bei schwer Immunsupprimierten Menschen gemacht, zu denen auch das Medikament Remdesivir gehört. «Mit Kombinationstherapien haben wir am Universitätsspital Zürich zum Teil gute Erfolge, die wir vor eineinhalb Jahren noch nicht hatten», sagt Günthard. Damit könne man Hospitalisationen und schwere Verläufe bei Risikopersonen verhindern. Während es bei Influenza immer noch kaum wirkungsvolle Medikamente gebe, sei man inzwischen bei Covid therapeutisch besser dran. Aber um diese optimal einsetzten zu können, muss frühzeitig getestet werden.
Paxlovid ist eines der wenigen Medikamente, das gegen die aktuellen Varianten wirkt. Das Virostatikum, also ein Medikament, das die Verbreitung von Viren hemmt, hilft zu bis zu 90 Prozent schwere Coronaverläufe zu verhindern, wenn es innerhalb der ersten fünf Tage nach Symptombeginn eingenommen wird. Bloss wird dies selten gemacht, weil behandelnde Ärztinnen und Ärzte Reaktionen mit anderen Medikamenten fürchten, welche ältere Leute oft einnehmen.
Bekannt ist bereits, dass schwere Verläufe häufiger zu Langzeitsymptomen führen, aber auch junge Frauen nach milder Krankheit nicht selten betroffen sind. Nun gibt es spezifischere Anhaltspunkte, wessen Immunsystem anfälliger ist und warum: Eine Studie der amerikanischen Harvard T.H. Chan School of Public Health zeigte, dass psychologischer Stress vor der Infektion das Risiko für Long Covid deutlich erhöht. Das Risiko war sogar stärker als Übergewicht, Asthma oder Bluthochdruck.
Dass psychische Krankheiten, aber auch Einsamkeit oder Sorgen das Risiko für andere Atemwegserkrankungen wie Grippe oder die gewöhnliche Erkältung erhöhen, war bereits bekannt. Doch Stress schwächt das Immunsystem nicht nur, es werden womöglich nach einer Infektion auch weniger neue Antikörper gebildet. Das legt eine andere Studie bei Long-Covid-Patienten nahe. (cpf/aargauerzeitung.ch)
Das Risiko auf LC ist zwar bei Omikron geringer, beträgt aber immer noch 5%. Zudem gibt es auch nach milden Erkrankungen ein deutlich erhöhtes Risiko auf Gefäss-, Herz und Hirnerkrankungen. Dazu kommt noch ein Angriff auf das Immunsystem (Reduktion der T und B Zellen), sodass dieses nicht mehr so gut gegen andere Krankheiten funktionieren kann (ähnlich wie bei HIV).
Ich finde wichtig darüber zu informieren. Wie man mit dem Risiko umgeht muss dann jeder Mensch selbst entscheiden.