Kein Tag, an dem nicht neue Fakten enthüllt werden, die mit Details und Fakten aufzeigen, wie Lobbyisten und PR-Firmen die Schweizer Politik aktiv mitgestalten. Nach der Lobbyaffäre um Kasachstan, der Enthüllung der bezahlten USA-Reisli für Nationalräte, sind nun auch Insider-Informationen aus Abstimmungskämpfen ans Licht gekommen.
Wie der «SonntagsBlick» publik macht, steht hinter dem Ja-Komitee zur Abstimmung über die Präimplantationsdiagnostik (PID) die PR-Agentur Farner Consulting. Ihr Gründer, der verstorbene Rudolf Farner, habe mal gesagt, er könne für eine Million Franken auch aus einem Kartoffelsack einen Bundesrat machen. Seine PR-Profis machen es ihm nach: Sie kämpfen für 200'000 bis 300'000 Franken für ein Ja im Auftrag der Schweizerischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin (SGRM).
Vertrauliche Dokumente, die dem Blatt vorliegen, beschreiben detailliert, wie PR-Firmen im Auftrag von Organisationen und Firmen eine bestimmte Meinung im Volk durchsetzen wollen. Die Rede ist von «zentralen Botschaften» und «Wordings».
Mit durchdachten Sätzen, die von einem Team von Ghostwritern in Form von «Standpunktartikel, Leserbriefe etc. von Komiteemitgliedern» erdacht und verfasst werden, soll eine einheitliche Kommunikation geschaffen werden. Ziel: Den Inhalt der Abstimmung im Sinne der SGRM einfach zu erklären. «Fachchinesisch» sei zu vermeiden, «die Vorlage ist auch so komplex genug». Und: «Wir sprechen nicht von Embryo, sondern von entwickelter Eizelle».
Prominenter Gegner der PID-Abstimmung ist der Thurgauer CVP-Nationalrat Christian Lohr. Ihn schockiert es, dass die Befürworter bewusst auf die Verwendung der Begriffe wie «Embryo» verzichten wollen. «Diese Versachlichung der Diskussion verletzt die menschliche Würde», lässt sich Lohr zitieren. Was der Sinn und Zweck einer solchen Kampagnenstrategie sei, ist für Lohr klar: «Da stecken natürlich auch finanzielle Interessen dahinter.»
Prominentes Opfer der PR-Manipulation war die Aargauer Ständerätin Pascale Bruderer (SP), die selbst die Änderung in der Präimplantationsdiagnostik befürwortet. An der Medienkonferenz des Ja-Komitees sagte sie einen Satz, der später verändert auf der Webseite des Befürworterkomitees aufgeschaltet wurde.
Bruderer zeigte sich gegenüber «SonntagsBlick» überrascht, dass ihr Satz nachträglich verändert wurde. Sie verlangt nun vom Befürworterkomitee, dass ihr ursprüngliches Statement aufgeschaltet wird.
SGRM-Präsident und Auftraggeber von Farner, Professor Christian De Geyter, rechtfertigt das Engagement der PR-Firma im Abstimmungskampf. «Wir sind Laien, wir brauchen professionelle Unterstützung», sagt de Geyter gegenüber «SonntagsBlick». Er widerspricht dem Vorwurf, die SGRM täte dies allein aus finanziellen Interessen. «Die Präimplantationsdiagnostik wird sich für die Ärzte nicht rentieren.» (pma)
Das Originaldokument mit allen Slides kann auf der Webseite des «SonntagsBlick» heruntergeladen werden.