Als erste Partei hat die Mitte am Freitag das Wahljahr eingeläutet, mit dem traditionellen Dreikönigsgespräch in Bern. Sie tat dies mit einigem Optimismus. Die Fusion von CVP und BDP ging reibungslos über die Bühne, und die Ergebnisse von kantonalen Wahlen stimmen Parteipräsident Gerhard Pfister im Hinblick auf den 22. Oktober zuversichtlich.
Alles andere als reibungslos ist hingegen das Verhältnis zwischen der Schweiz und der Europäischen Union. Beide Seiten führen Sondierungsgespräche, aber ein Neustart nach dem Scheitern des Rahmenabkommens ist nicht in Sicht. Für Marc Rüdisüli, den Präsidenten der Jungen Mitte, ist dieser «Weder-Fisch-noch-Vogel-Zustand» unhaltbar.
Die Schweiz müsse sich «wieder stärker auf unsere Partner in der EU fokussieren und hier endlich vorwärtskommen und verbindliche Lösungen anstreben», forderte der 24-jährige Thurgauer in seinem Referat. Explizit erwähnte Marc Rüdisüli ein Stromabkommen. Hierfür brauche es «endlich Fortschritte bei den Sondierungsgesprächen».
Konkret verlangte der Präsident der Jungen Mitte, «dass der Bundesrat noch vor den Wahlen ein neues Verhandlungsmandat verabschiedet». Das entspricht kaum dem Schweizer Politik-Mainstream, den seine Mutterpartei exemplarisch verkörpert. In Bundesbern geht man davon aus, dass der Bundesrat den heiklen Entscheid bis zu den Wahlen aufschieben will.
Von Journalisten auf die Forderung von Rüdisüli angesprochen, reagierte Parteichef Gerhard Pfister zurückhaltend: «Es ist die Aufgabe einer Jungpartei, der Mutterpartei Dampf zu machen», sagte der Zuger Nationalrat. Natürlich könnten die Sondierungen mit Brüssel nicht endlos andauern, aber fürs Erste müsse man sie weitertreiben.
Innenpolitisch brauche es einen Konsens zwischen den Sozialpartnern zur Frage, wie Lohnniveau und Sozialwerke geschützt werden könnten. Das sei «anspruchsvoll», mahnte Pfister. Er verwies darauf, dass das Rahmenabkommen unter anderem an einem Verhandlungsmandat mit «zu starken roten Linien» gescheitert sei.
Unerwähnt liess der Zuger, dass er selber eine solche Linie gezogen hatte, als er die Rolle des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Vertragsentwurf in einem Interview als «toxisch» bezeichnet hatte. Damit leistet er seinen Beitrag zum Entscheid des Bundesrats, die Verhandlungen mit der EU einseitig und ohne Parlamentsentscheid zu beenden.
Nun scheint Gerhard Pfister einen Ausweg aus der Sackgasse zu suchen, in die er sich hineinmanövriert hatte. Allzu viel Kritik an seinem Parteinachwuchs kann er sich dabei nicht erlauben. Am Dreikönigsgespräch verwies er nicht ohne Stolz darauf, dass die Junge Mitte «den grössten Mitgliederzuwachs von allen Jungparteien» vorweisen kann.
Der Vorstoss von Marc Rüdisüli dürfte die proeuropäischen Kräfte in der Partei stärken. Allzu viel aber darf man sich nicht erhoffen. Ebenfalls am Dreikönigstag lancierten die grossen Wirtschaftsverbände (inklusive Bauernverband) das Wahljahr, mit dem Allerwelts-Slogan «Perspektiven statt Wunschdenken». Die Europapolitik wurde am Anlass in Bern mit keinem Wort erwähnt.
Warum nicht einen EWR-Beitritt diskutieren?
Liechtenstein und Norwegen scheinen damit gut zu fahren.