Die Mitteilung, welche die Berner Bahn BLS am 22. März verschickte, tönte nach einer kleinen Sache. Zusammen mit den städtischen Verkehrsbetrieben Bernmobil teste sie an vier Standorten im Kanton Bern neue, bargeldlose Billettautomaten, hiess es. Diese sind kleiner und weisen einen Touchscreen auf, der sich an der Grösse von Smartphones orientiert. Bezahlt werden kann ausschliesslich kontaktlos, etwa mit Kredit- und Debitkarten, Twint, Google Pay oder Apple Pay. Mit dem Test wolle die BLS herausfinden, welche Anforderungen Automaten in Zukunft erfüllen sollen.
Der Test könnte allerdings weitreichende Folgen haben – und dazu führen, dass in Zukunft ÖV-Billette nicht mehr mit Bargeld bezogen werden können. «Wir müssen unsere aktuellen Billettautomaten im Jahr 2025 ersetzen», sagt BLS-Sprecherin Tamara Traxler. «In der aktuellen Studie testen wir nun, ob ein ausschliesslich bargeldloses Bezahlen von den Fahrgästen akzeptiert wird.»
Erste Rückmeldungen seien grundsätzlich positiv. Die Kunden seien mit dem Bezahlvorgang und der Bedienung zufrieden. «Es gibt aber vereinzelte Kunden, die den Automaten nicht genutzt haben, weil eine Bezahlung mit Bargeld nicht möglich ist.» Wichtig sei für die BLS, herauszufinden, warum jemand lieber bar bezahlen möchte. Dafür werde der Test durchgeführt.
«Kunden, die Bargeld aus Datenschutzgründen vorziehen, können wir entgegnen, dass beim bargeldlosen Bezahlen an den Automaten weiterhin unpersönliche Billette in Papierform herausgegeben werden», sagt die BLS-Sprecherin. «Mit den Daten für die Bezahlung kann kein direkter Rückschluss auf den Käufer gemacht werden. Zudem sind bargeldlose Billettautomaten deutlich günstiger in der Beschaffung und weniger störungsanfällig. So sparen wir Geld, das dem ÖV und damit letztendlich den Fahrgästen zugutekommt.»
Könnte es künftig Haltestellen geben, an denen Billette nicht mehr mit Bargeld bezahlt werden können? Traxler verneint das nicht. «Das wäre dann der Fall, wenn wir uns zur Einführung von bargeldlosen Automaten entschliessen würden und würde Standorte betreffen, an denen es keinen bedienten Verkauf in Reisezentren gibt», sagt sie. Solche gibt es allerdings nur in grösseren Bahnhöfen. Mit den neuen Billettautomaten wolle die BLS einen Beitrag leisten für einen «preiswerten ÖV und einen einfachen Zugang».
Die Berner Bahn ist damit nicht alleine. Auch die Verkehrsbetriebe St. Gallen (VBSG) haben beispielsweise bargeldlose Ticketautomaten im Einsatz. Selbst das Bundesamt für Verkehr (BAV) forciert diese Entwicklung. So sagt Katharina Merkle von Postauto: «Das BAV drängt auf die Entwicklung von digitalen Vertriebslösungen». Allerdings müsse man laut der Vorgabe der Behörde dabei stets an die sogenannten «Non-Digitals» denken. Merkle sagt:
Die Arbeiten für die Zukunft des Ticketkaufs hätten begonnen. Eine Arbeitsgruppe beschäftige sich mit der Thematik und könne sich «auf entsprechende Entscheide der Geschäftsleitung stützen».
«Auch in der Schweiz nimmt der Anteil an Zahlungen mit Kredit- und Debitkarten sowie via Smartphones zu», sagt Merkle. «Die Erfahrungen aus dem ersten Jahr mit der Coronapandemie prägen die gegenwärtigen Überlegungen ebenfalls. Denn sie hat den Trend hin zum bargeldlosen Beahlen verstärkt, galt doch Bargeld in der Anfangsphase der Pandemie als mögliche Übertragungsart von Viren.» Zudem sei der Ticketverkauf beim Fahrpersonal aufgrund der Corona-Regeln während Wochen eingestellt gewesen.
Insgesamt ging der Verkauf von Tickets beim Postauto-Fahrpersonal im Jahr 2020 um 65 Prozent zurück. «Es gibt heute viele digitale Alternativen, die von den Kunden immer besser akzeptiert werden, etwa Ticketing-Apps oder Fairtiq», so Merkle. Aufgrund dieser Trends prüfe Postauto alternative, bargeldlose Verkaufsmodelle für Tickets in den Bussen. Verschiedene Lösungen stünden zur Diskussion. Entscheide seien noch nicht gefallen. Ab dem Sommer oder Herbst werde Postauto zunächst Twint als Bezahlmöglichkeit in allen Bussen einführen. Das sei dank neu installierten Kassensystemen effizient und schnell möglich.
ÖV-Betriebe dürfen die Annahme von Bargeld verweigern. Das Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel (WZG) sieht zwar eine Annahmepflicht für Münzen und Noten vor. Dabei handelt es sich aber um sogenanntes dispositives Recht. Unternehmen können davon abweichen und etwa über einen Passus in den Geschäftsbedingungen die Barzahlung ausschliessen. Entscheidend ist, dass potenzielle Käufer im Voraus darauf aufmerksam gemacht werden und davon Kenntnis nehmen können.
SVP-Nationalrat Jean-Luc Addor forderte den Bundesrat deshalb letztes Jahr mittels Motion auf, das Recht auf Barzahlung in der Verfassung zu verankern. Die Landesregierung hält davon allerdings nichts, wie sie im August bekanntgab. Es gebe keine überzeugenden Gründe, die Vertragsfreiheit einzuschränken, schrieb sie in ihrer Antwort und beantragte die Ablehnung der Motion. Das Parlament hat noch nicht darüber befunden.
Trotzdem sorgen die Pläne der ÖV-Branche bei Sara Stalder, der Geschäftsführerin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS), für Kritik. Gesetzlich stehe dem Verhalten der Verkehrsbetriebe nichts im Weg, sagt sie, aber:
Es stimme, dass Automaten, die Bargeld annehmen, im Unterhalt aufwändiger seien. Der Verzicht darauf sei demnach aber «rein ein Entscheid zugunsten der Unternehmen», die von weniger Kosten für Betrieb und Unterhalt sowie von Datenspuren der Nutzer profitierten. «Es würde mich jedoch nicht erstaunen, wenn diese Bargeld-Abschaffung an den Automaten als innovative Superlösung für besseren Kundennutzen beworben würde», sagt Stalder.