Dass Netflix und Konsorten die vollen Kinosäle zunehmend der Vergangenheit angehören lassen, ist keine Zukunftsmusik mehr. Auch die Kinobetreiber haben sich damit abgefunden und sind derzeit daran, ihre neue Rolle zu definieren. Jüngst kündigte der Chef der Schweizer Pathé-Kinos an, Serien auf der Leinwand zu zeigen. Auch die Arthouse-Gruppe Neugass Kino, die das Riffraff und Houdini in Zürich und das Bourbaki Kino in Luzern betreibt, versucht mit dem neuen Filmverhalten der Zuschauer mithalten zu können. Sie testet derzeit ein On-Demand-Angebot. Wer ihre Webseite besucht, gelangt in der Navigation neu auf eine Plattform, die Kinofilme zum Streamen anbietet.
Hier findet der Nutzer Filme wie «Diego Maradona», «Zwingli» oder «Vice» – alles Streifen, die kürzlich noch im Kino liefen. Springt der Independent-Kinobetreiber nun auf den Streaming-Zug auf? «Nein», winkt man bei der Neugass Kino AG ab. Man wolle definitiv nicht mit Netflix in Konkurrenz treten, sagt der Geschäftsführer Res Kessler. «Es ist ein langjähriges Projekt, das nun realisiert wurde. Wir wollten eine Alternative zum Mainstream Streaming-Angebot bieten.»
Sie gingen deshalb eine Zusammenarbeit mit der Streamingplattform für Independent-Filme «cinefile» ein. Auf dieser Webseite ist das Kinoprogramm der Arthouse-Kinos aufgelistet und in Absprache werden von den Kinos ausgewählte Filme zur Ausleihe aufgeschaltet. «Wir wollen dem Publikum damit eine Mehrleistung bieten», sagt Kessler. Sie verfolgten dabei primär keine kommerzielle Motivation.
Dass sich das Streaming-Geschäft für Riffraff und Co. bisher nicht rentiert, zeigen die Zugriffszahlen auf «cinefile». Gerade einmal 100 Filme wurden dank der Verlinkung auf den Webseiten der Arthouse-Kinos geschaut. «Wir sind immer noch in der Testphase und wollen zuerst schauen, ob es technisch überhaupt funktioniert», sagt «cinefile»-Geschäftsführer Andreas Furler.
Bisher sei das On-Demand-Angebot vom Betreiber der drei Kinos noch nicht aktiv beworben worden. Als Nächstes ginge es darum, herauszufinden, wie die Kinobesucher für die Streamingplattform abgeholt werden können. «Die Arthouse-Kinoketten sind ziemlich unter Druck und überlegen sich sehr intensiv, wie sie am neuen Geschäft partizipieren können, ohne das eigentliche zu beeinträchtigen», sagt Furler. Die Streamingplattform und Kinokette versuchten das Offline- und Online-Angebot durch Rabattcodes für Kinotickets zu verknüpfen. «Doch das funktionierte nicht. Die Streamingkunden lösten den Gutschein nicht ein, weil die meisten bereits über ein Arthouse-Kinoabo verfügen», sagt Furler.
Auch wenn es mit den Zugriffen über die Webseiten der Kinos noch harzt, zeigt sich «cinefile» mit ihren Zahlen abseits der Zusammenarbeit zufrieden. Seit der Einführung eines Flatrate-Abos hätten sich die Nutzerzahlen innerhalb eines Monats verdoppelt. Das erstaunt auch deswegen, weil es noch zwei weitere Arthouse-Streaminganbieter in der Schweiz gibt und diese Filme ein Nischenprodukt sind. «Es gibt viele Leute, die einen Ort suchen, wo das Streaming anders aufbereitet ist als bei den grossen Playern. Bei uns müssen sie sich nicht zuerst durch eine grosse Menge an Schrott-Filmen kämpfen», sagt Furler. Dafür müssen sie bei der Bild- und Audioqualität Abstriche machen. Die Filme sind nur in HD und Stereo verfügbar. «Das wollen wir aber noch verbessern», so Furler weiter.
Bei der Arthouse-Kinogruppe blickt man gespannt auf die Zukunft des Kinokonsums. «Wir erwarten nicht, dass die Leute wegen Netflix aufs Kino verzichten. Gleichzeitig sind wir auch offen für Veränderungen, die wir wegen der Streaminganbieter in Gang setzen müssen», sagt Kessler von der Neugass Kino AG.