Problemschüler, jugendliche Komasäufer, junge Vandalen, kiffende Halbwüchsige oder Jugendbanden, die Passanten verprügeln – Kriminalität bei Minderjährigen ist ein oft diskutiertes Thema. Doch wie steht es tatsächlich um die heutige Jugend?
Zum ersten Mal überhaupt liegt eine Studie zur Jugenddelinquenz im Aargau vor. Der renommierte Kriminologe Martin Killias hat dafür mit zwei weiteren Forschern insgesamt 555 Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen 12 und 16 Jahren befragt.
Dabei wollte das Team einerseits herausfinden, wie oft die Befragten selber Straftaten verüben. Konkret geht es um Graffiti sprayen, Vandalismus, diverse Arten von Diebstahl, das Tragen von Waffen, Gruppenschlägereien, Drogenhandel, Körperverletzung und Tierquälerei.
Zudem fragte Killias die Schüler nach Erfahrungen als Opfer von Straftaten. Dabei wurden Raub, Körperverletzung, Diebstahl, Cyber-Mobbing, Hass-Delikte (rassistisch, ausländerfeindlich) sowie elterliche Züchtigung und Misshandlung durch die Eltern berücksichtigt – die Häufigkeiten von selber verübten Straftaten und erlittenen Delikten zeigen die beiden Listen:
Opfer geworden von
Delikte selber verübt
Ein grosser Anteil der Befragten hat eine Mutter oder einen Vater, der im Ausland geboren ist. Bei der Analyse zeigte sich, dass solche Jugendliche nicht unbedingt häufiger Opfer von Straftaten werden. «Dagegen verüben sie häufiger Delikte als ihre einheimischen Mitschüler», schreibt Killias in der Studie.
Jugendliche mit ausländischen Wurzeln tragen insbesondere häufiger Waffen, sind öfter in Gruppenschlägereien verwickelt und verüben mehr Vandalenakte.
Killias folgert: «Integration erweist sich daher als sehr wichtige Aufgabe, wobei erfreulicherweise festgestellt werden kann, dass die Herkunft weniger ins Gewicht fällt als viele andere Variablen.»
Ausserdem seien die Unterschiede zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund im Aargau weniger ausgeprägt als in der Schweiz insgesamt. Killias stellt fest: «Insofern ist die Integration im Kanton offenbar nicht schlecht gelungen.»
Die 80-seitige Studie identifiziert auch diverse Faktoren, die dazu beitragen, dass Jugendliche selber Straftaten begehen. Dabei gibt es verschiedene Problemfelder, wie die Grafik zeigt:
Vermehrt zu Delinquenz neigen insbesondere Jugendliche, die Suchtmittel konsumieren, die Schule schwänzen, am liebsten Ego-Shooter-Games am Computer spielen und ihre Eltern nicht darüber informieren, was sie im Ausgang unternehmen.
Killias hält fest: «Der Konsum von Alkohol und Drogen hängt signifikant mit verschiedenen Delikten zusammen.» Dies gelte insbesondere für Cannabis – im Klartext: Kiffen erweist sich «für deliktisches und gewalttätiges Verhalten als stärker problematisch als schwere Formen von Alkoholmissbrauch wie Rauschtrinken.»
Die weit verbreitete Annahme, dass Kiffen einen eher beruhigenden Effekt auf die Konsumenten habe, bestätigt sich in der Studie nicht. Vielmehr zeige sich auch bei Cannabis eine «enthemmende, gewaltfördernde Wirkung».
Ein weiteres, oft gehörtes Vorurteil wird in der Studie relativiert. Killias hält fest, dass um die 75 Prozent der Schülerinnen und Schüler im Aargau in ihrer Freizeit gerne gamen.
Computerspiele hängen laut der Studie insgesamt nicht mit Delinquenz zusammen, wohl aber einzelne besonders beliebte Games. «Namentlich die Ego-Shooter- und Kampfspiele korrelieren signifikant mit Delinquenz», schreibt Killias.
Die detaillierte Auswertung zeigt, dass Liebhaber von Gewaltspielen dazu neigen, selber in der Realität häufiger Waffen zu tragen.
Wer sich oft an Schlägereien beteiligt, begeht deutlich mehr Delikte, als wer dies nur gelegentlich oder nie tut. Dieser Zusammenhang ist bei Körperverletzung kaum überraschend besonders stark, beschränkt sich aber keineswegs auf die Gewaltdelikte.
Für die untersuchte Altersgruppe ist der Ablösungsprozess vom Elternhaus typisch. Jugendliche gehen im Aargau laut ihren eigenen Angaben ein- oder zweimal wöchentlich in den Ausgang, hauptsächlich am Wochenende.
Generell gilt, dass Jugendliche, die ihre Freizeit hauptsächlich im Kreis ihrer Familie verbringen, seltener Straftaten begehen als solche, für die Cliquen, grössere Freundesgruppen oder «Gangs» im Vordergrund stehen.
Einen wichtigen Einfluss auf strafbare Handlungen der Kinder haben das Vertrauensverhältnis in der Familie und die Kontrolle durch die Eltern.
Jugendliche, die ihre Eltern darüber informieren, was sie im Ausgang tun, begehen markant weniger Delikte als solche, die ihre Eltern im Ungewissen lassen. Dasselbe gilt, etwas weniger ausgeprägt, wenn Eltern wissen, wo die Kinder ihre Freizeit verbringen, mit wem sie zusammen sind und für was sie ihr Taschengeld ausgeben.
Auch die Vorgaben der Eltern haben eine Wirkung: Jugendliche, denen die Eltern nicht sagen, wann sie nach Hause kommen sollen, begehen deutlich mehr Straftaten. Ähnlich sieht es bei jenen Schülern aus, die ihre Eltern nicht informieren, wenn sie später nach Hause kommen als vereinbart.
Es wird schon fast als allgemeingültig angenommen, dass die Delinquenz mit tieferem Bildungsstand zunimmt. Dies gilt im Aargau allerdings nur eingeschränkt. «Zwar geben Bezirksschüler weniger oft an, Straftaten begangen zu haben, doch sind erwartungswidrig nicht Real-, sondern Sekundarschüler bei den meisten Delikten am stärksten belastet», schreibt Killias.
Ein klares Bild zeigt sich, wenn man die Zukunftspläne der Jugendlichen berücksichtigt. Am meisten Delikte begehen tendenziell Schüler, die eine Lehre anstreben oder direkt ins Berufsleben einsteigen, während jene, die einen Maturitätsabschluss anstreben, weniger Straftaten verüben.
Unabhängig vom Schultyp hat die Einstellung zur Schule konkrete Auswirkungen auf ihr Verhalten. Wer häufig die Schule schwänzt, hat eine deutlich höhere Tendenz, strafbare Handlungen zu begehen, als die seriösen Schüler.
Die weiteren Auswertungen zeigen auch: Wer gern zur Schule geht, wird seltener straffällig. Und: Beobachten sie an ihrer Schule oft Diebstähle, Vandalismus, Schlägereien und Drogenkonsum, neigen die Schüler selber eher zu Delikten.
Doch wie ehrlich haben die Jugendlichen die Fragen in der Studie beantwortet? Dazu hat das Team von Killias einige Fragen gestellt: «Im Zusammenhang mit Drogenkonsum haben im Aargau 1,5 Prozent der Befragten angegeben, eine inexistente Droge («Relevin») konsumiert zu haben.
Dies bedeutet, dass offenbar relativ wenige zum Spass oder aus Unverstand irgendwelche Fantasie-Antworten gegeben haben.» Es gebe deshalb keinen Grund, die Ergebnisse der Studie anzuzweifeln.
Hier geht es zum Kommentar von Fabian Hägler «Eltern sind für ihre Kinder verantwortlich»
haha! unglaublich sowas zu schreiben. ich denke die macher dieser studie sollten sich mal mit korrelation und kausalität beschäftigen.