Nino Forrer geht auf einen Zürcher Polizeiposten und tritt an den Schalter. Er will wissen, was die Polizei macht, wenn sie eine Person mit einer kleinen Menge Cannabis erwischt, die für den Eigenkonsum bestimmt ist.
Der Schalterbeamte erklärt die Praxis. Bis zu zehn Gramm gelten als geringfügige Menge. In diesen Fällen zieht die Polizei die Droge ein, um sie später zu vernichten. Eine Busse gibt es nicht, weil Vorbereitungshandlungen für den Eigenkonsum bei diesen kleinen Mengen nicht verboten sind.
Forrer legt ein Plastikbeutelchen mit einem Gramm Cannabis auf den Schalter und sagt: «Dann würden Sie das jetzt also sicherstellen?» Der Polizist blickt verdutzt. Er versucht, die Situation einzuschätzen. Steht ein Spassvogel vor ihm? Oder meint der das wirklich ernst?
Forrer meint es ernst. Der 29-Jährige ist Hanfaktivist. Das Cannabis, das er der Polizei übergibt, enthält THC.
Forrer kritisiert die heutige Rechtspraxis. Es fehle eine Gesetzesgrundlage für die Sicherstellung geringfügiger Mengen Cannabis für den Eigenkonsum. Da dieser Besitz nicht verboten sei, dürfe die Polizei diesen folglich auch nicht einziehen, argumentiert er.
Der Polizist tut aber genau das. Er konfisziert die Droge. Forrer verlangt eine anfechtbare Verfügung. Jetzt wirkt der Polizist leicht genervt, weil der seltsame Vorfall damit Papierarbeit generiert. Der Beamte bleibt jedoch freundlich und stellt die gewünschte Quittung aus.
Forrer legt darauf Beschwerde beim Zürcher Obergericht ein. Nun wird dieses in einem Verfahren klären, ob die Sicherstellung legal ist.
Falls Forrer verliert, wird er vor Bundesgericht gehen. Er ist nicht Jurist, sondern arbeitet im IT-Bereich und macht die Eingaben ohne Anwalt. Falls er durch alle Instanzen verlieren sollte, rechnet er mit Kosten von 3000 Franken.
Der Einsatz lohnt sich aus seiner Sicht, weil der potenzielle Gewinn viel grösser sei. Er schätzt, dass die Schweizer Kifferszene jedes Jahr Ware im Wert von einer Viertelmillion Franken durch die Einziehungen verliert.
Der Selbstversuch ist speziell. Doch das juristische Vorgehen ist so üblich. Solche Präzedenzfälle haben die heutige Rechtspraxis geprägt.
Seit 2013 sind zehn Gramm Cannabis (etwa 30 Joints) als geringfügige Menge definiert, die für den Eigenkonsum besitzt werden dürfen. Denn die Konsumenten sollen nicht übermässig kriminalisiert werden.
Dennoch stellten viele Polizisten weiterhin Ordnungsbussen aus, wenn sie eine Person mit einer geringfügigen Menge erwischten. Die Polizei argumentierte, dass die Ware aus einer Straftat stamme (von einem Dealer) und für eine Straftat bestimmt sei (das Kiffen ist bis heute verboten).
2017 stellte das Bundesgericht aufgrund eines Präzedenzfalls fest, dass diese Bussen widerrechtlich seien. Durch einen weiteren Präzedenzfall wurden sie 2019 auch für Jugendliche abgeschafft.
Nun folgt aus Forrers Sicht der nächste logische Schritt: Wenn die Bussen nicht legal sind, müsse dies auch für die Sicherstellung gelten.
Rechtsexperten sind unterschiedlicher Ansicht. Der wichtigste Jurist auf dem Gebiet ist Stephan Schlegel, der mit Anwaltskollegen den massgebenden Kommentar zum Betäubungsmittelgesetz verfasst. In der vierten Auflage, die dieses Jahr erscheint, schreiben sie, dass die Polizei auch geringfügige Mengen von THC-haltigem Cannabis einziehen dürfe. Denn gemäss Strafgesetz könnten Gegenstände eingezogen werden, auch wenn sich eine Person damit nicht strafbar gemacht habe. Entscheidend sei, dass diese für eine Straftat bestimmt seien oder aus einer solchen stammten.
Der zweitwichtigste Jurist auf dem Gebiet ist Peter Albrecht. Er widerspricht Schlegel. Die Einziehung sei eine strafrechtliche Massnahme und nur zulässig, wenn ein strafrechtlich bedeutsames Unrecht stattfinde. Die blosse Erwartung einer künftigen Straftat genüge dafür nicht.
Nino Forrer sieht seinen Prozess als kleinen Schritt auf dem Weg zu einem grossen Ziel. Er ist für die Legalisierung aller Drogen in einem kontrollierten Verkaufssystem. Seinen bisher prominentesten Auftritt hatte er 2017 in der SRF-«Arena» als Sprecher des Vereins «Legalize it». Für seinen Gang vor Gericht sucht er nun mit einem YouTube-Video Unterstützerinnen.
(aargauerzeitung.ch)
Warum?
Siehe die letzten 50 Jahre Drogenrepression, Welche ausser Unsummen gekostet auch eine riesige Mafia und terroristische Strukturen geäufnet und schlicht kontraproduktiv waren.
Würde man nur einen Drittel des Geldes, welches man in Repression und Strafverfahren steckt, in Aufklärungs- und Jugendprojekte investieren, wäre die Welt eine bessere und weniger Menschen würden Drogen konsumieren.
Der War on Drugs ist schlicht kolossal gescheitert!
Zeit für einen radikalen Kurswechsel!