Ein unangenehmer Duft weht um die neue Tierkadaver-Anlage in Frauenfeld. Vor der Tür steht Benjamin Fumey von der Hochschule Luzern (HSLU). Hinter der Türe arbeitet die erste von ihm entwickelte Demonstrationsanlage für Langzeit-Energiespeicherung, für die Fumey und sein Industriepartner Matica heute in Bern den renommierten Watt d'Or des Bundesamtes für Energie (BFE) in der Kategorie «Energietechnologien» erhalten werden.
Schon länger sucht die Forschung nach Speichermedien, die über lange Zeit nutzbar sind. Denn der Ausbau der erneuerbaren Energien führt zu saisonalen Schwankungen in der Stromerzeugung – zu viel im Sommer, zu wenig im Winter. Wegen der vielen Wärmepumpen in den Häusern steigt zudem der Stromverbrauch fürs Heizen stark an.
Natronlauge heisst die Antwort von Benjamin Fumey. Diese Flüssigkeit, Natriumhydroxid in Wasser gelöst, speichert Energie so wie Erdöl, wofür es aber Millionen von Jahren braucht. Das geht bei der Natronlauge viel schneller. Überschüssige erneuerbare Energie aus Fotovoltaik, Solarthermie-Anlagen oder Windkraft aus dem Sommer wird darin gespeichert. Die Idee ist nun nach 20 Jahren Forschung an einem ersten Ziel angekommen. «Im Sommer wird im thurgauischen Kaltenbach eine zweite Demonstrations-Anlage bei der neuen Post-Verteilzentrale eröffnet», sagt Marc Lüthi von der Firma Matica. Eine dritte wird in einer Mehrfamilienhaus-Siedlung in Deutschland gebaut.
In der vom BGE finanzierten Demonstrationsanlage im Tierkadaver-Gebäude stehen acht Tanks, die entweder mit Natronlauge oder Wasser gefüllt sind. Daneben ein Massen- und Wärmetauscher, SeasON genannt, der die Energieflüsse steuert.
Mit der erneuerbaren Energie wird von April bis Oktober die Natronlauge geladen. Das heisst, das Wasser aus der Natronlauge verdampft, zurück bleibt eine höher konzentrierte Natronlauge. «Diese konzentrierte Lauge speichert das Potenzial, später Wärme bereitzustellen», sagt Fumey. Je höher die Konzentration der Natronlauge ist, desto mehr Energie ist gespeichert.
Diese Energie wird im Winter aus der konzentrierten Natronlauge genommen, die somit entladen wird. Im nächsten Sommer wird die Natronlauge wieder mit Solarstrom vom Dach der Tierkadaver-Anlage geladen. Ein geschlossener Kreislauf. Angetrieben wird die Wärmepumpe chemisch und nicht mit Strom wie die gängigen Luft-Wasser-Wärmepumpen.
«Für einen saisonalen, grossen Speicher, der nicht täglich geladen und entladen wird, ist es zentral, dass das Speichermedium kostengünstig ist», erklärt Fumey. Genau das ist Natronlauge, weil sie ein Abfallprodukt aus der Kunststoffproduktion ist. Das Speichervolumen kann zudem leicht vergrössert werden. «Man muss einfach mehr Tanks mit Natronlauge dazu stellen», sagt der Energieforscher. Geht dem Haus oder der Firma die Heizenergie im Winter aus, kann zudem konzentrierte Natronlauge nachgeladen werden.
Pro Kubikmeter Natronlauge werden etwa 200 bis 350 Kilowattstunden Wärme gespeichert. Diese Speicherdichte der Natronlauge ist somit sechs Mal höher als bei einem Warmwasserspeicher. Für ein Einfamilienhaus braucht es für einen Winter je nach Hausstandard und Standort etwa 8 bis 10 Kubikmeter des Speichermediums Natronlauge.
«Natronlauge ist sehr stabil, es gibt im geschlossenen System keine Verluste, und sie zersetzt nicht», sagt Fumey. Es handelt sich nur um einen Lade-Entlade-Prozess, der zwischen konzentrierter und verdünnter Natronlauge schwankt. Die Natronlauge wird somit nicht aufgebraucht. «Sollte eine solche Anlage nach 40 Jahren ausser Betrieb genommen werden, ist die Natronlauge immer noch die Gleiche», erklärt der Forscher von der HSLU.
Fumey hat die Idee zusammen mit Robert Weber zuerst 14 Jahre im Rahmen eines EU-Projekts an der Empa erforscht. Diese Forschung nahm er dann vor drei Jahren nach Luzern mit. Nun geht es nicht mehr darum, die Brücke zwischen Grundlagen und angewandter Forschung zu bauen. Jetzt muss diese Idee zu einem käuflichen Produkt werden. Dass sie funktioniert, sei nun klar, sagt Fumey.