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Stromgesetz: So kämpft das Naturkomitee dagegen

Philippe Roch, Stiftungsrat Fondation Franz Weber, Vera Weber, Praesidentin Fondation Franz Weber, Pierre-Alain Bruchez, Anfuehrer des ersten Referendums gegen das Stromgesetz, Elias Vogt, Prasident F ...
Das Naturkomitee an der Medienkonferenz vom Dienstag.Bild: keystone

«Energiewende ja, aber nicht so!»: Naturfreunde gegen das Stromgesetz

Ein Naturkomitee mit illustren Namen bekämpft das Stromgesetz. Und malt den Teufel an die Wand: Bei einem Ja würden Landschaften durch Solarparks und Windräder zerstört.
17.04.2024, 17:59
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Für die Befürworter ist das neue Stromgesetz ein ausgewogener Kompromiss. Im Parlament wurde die auch Mantelerlass genannte Monstervorlage mit grossem Mehr verabschiedet. Anfangs sah es so aus, als ob es kein Referendum geben würde. Dann bildete sich ein «Naturkomitee» und schaffte es, die nötigen Unterschriften aufzutreiben.

Deshalb kommt es am 9. Juni zur Abstimmung. Und deshalb trat das Komitee am Dienstag vor die Medien. Es ist ein buntes Grüppchen. Lanciert wurde das Referendum von Pierre-Alain Bruchez, einem parteilosen Rentner, der in der Finanzverwaltung des Bundes tätig war. Er konnte zwei «alte Kämpen» aus der Umweltbewegung einspannen.

Pierre-Alain Bruchez, Anfuehrer des ersten Referendums gegen das Stromgesetz, vom Naturkomitee gegen das Stromgesetz, anlaesslich einer Medienkonferenz am Dienstag, 16. April 2024, in Bern. Am 9. Juni ...
Pierre-Alain Bruchez ist der Urheber des Referendums.Bild: keystone

Der 84-jährige Hans Weiss ist Mitbegründer der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz (SLS). Eine schillernde Figur ist der 74-jährige Philippe Roch. Sein Wechsel vom Chef des WWF Schweiz zum Direktor des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) sorgte 1992 für Wirbel. Vor zehn Jahren engagierte er sich für die Ecopop-Initiative.

Positive Aspekte im Gesetz

Allein hätte diese Rentner-Truppe das Referendum kaum geschafft. Es klappte erst mit dem Einstieg des Vereins Freie Landschaft Schweiz, gegründet vom Grenchner Elias Vogt, einem eifrigen Kämpfer gegen Windkraftanlagen. Und vor allem der Fondation Franz Weber, die von Vera Weber geleitet wird, der Tochter des 2019 verstorbenen legendären Aktivisten.

An der Medienkonferenz betonten sie, ihre Kampagne richte sich nicht gegen den Ausbau erneuerbarer Energien. Auch räumten sie ein, das Stromgesetz enthalte positive Aspekte wie die Förderung lokaler Elektrizitätsgemeinschaften oder Vorgaben für Energieeffizienz. «Wir sagen Ja zur Energiewende, aber nicht so», erklärte Pierre-Alain Bruchez.

Unnötig und teuer

Sie müsse durch Photovoltaik auf Gebäuden und Infrastrukturen erfolgen, lautete der Tenor der Voten. Alpine Solarparks hingegen seien unnötig, meinte Bruchez. Sie würden zwei- bis dreimal mehr Winterstrom liefern als Anlagen im Flachland, aber auch drei- bis viermal mehr kosten. Dagegen sei das Potenzial auf Bauten auch im Winter enorm.

Vera Weber, Praesidentin Fondation Franz Weber, vom Naturkomitee gegen das Stromgesetz, spricht an einer Medienkonferenz am Dienstag, 16. April 2024, in Bern. Am 9. Juni stimmt die Schweizer Stimmbevo ...
Vera Weber ist die treibende Kraft der Nein-Kampagne.Bild: keystone

Das bestreiten selbst die Befürworter des Mantelerlasses nicht. Und doch hinterliess die Medienkonferenz ein seltsames Gefühl. Das Naturkomitee vermittelte den Eindruck, bei einer Annahme würden unberührte Landschaften mit Solarparks zugepflastert, Anhöhen mit Windrädern verschandelt und Bergbäche aufgestaut und trockengelegt.

Windräder auf dem Säntis?

«Es geht um den Säntis, die Rigi, das Lauberhorn, den Pilatus oder den Chasseral», deklamierte Elias Vogt mit gehörigem Pathos. Darunter macht er es nicht. Auf Nachfrage konnte der 28-Jährige aber nur ein vages Windprojekt auf Rigi Kaltbad nennen. Es war typisch für die Strategie des Naturkomitees, den «Teufel» an die Wand zu malen.

So verwies Peter Lüthi, der ehemalige Regionalkoordinator des WWF Graubünden, auf den Entwurf des neuen Richtplans Energie in seinem Kanton, gemäss dem fast alle Bäche für die Nutzung von Wasserkraft infrage kämen. Richtpläne sind jedoch keine Baupläne. Sie ermitteln Potenziale, doch das heisst nicht, dass ein Kraftwerk gebaut wird.

Personal des Anstosses

Mit dem Stromgesetz würde die politische und juristische Mitsprache eingeschränkt oder verunmöglicht, hiess es weiter. «Das Beschwerderecht bleibt nur pro forma intakt», sagte Hans Weiss. Mehrfach wurde betont, das Stromgesetz verletze die Verfassung. Solche «legalistischen» Argumente aber haben es vor dem Stimmvolk erfahrungsgemäss schwer.

Thomas Vellacott, CEO WWF Schweiz, die Nationalraetinnen Nadine Masshardt, SP-BE, Martina Munz, SP-SH und Lisa Mazzone, Praesidentin Gruene Schweiz, von links, von der Umweltkampagne Ja zu sauberer En ...
WWF-Chef Thomas Vellacot, die Nationalrätinnen Nadine Masshardt und Martina Munz (SP) sowie Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone (von links) setzten sich am Montag für ein Ja ein.Bild: keystone

Schwierig für das Naturkomitee könnte auch sein Personal werden. Philippe Roch ist eine polarisierende Figur, vor allem in der Westschweiz. Elias Vogt stösst mit seinem Selbst- und Sendungsbewusstsein auch moderate Umweltschützer vor den Kopf. Und Vera Weber hat sich mit der Zweitwohnungsinitiative gerade in den Berggebieten viele Feinde gemacht.

Grosse Verbände sind dafür

Das wahre Problem der «Naturfreunde» aber besteht darin, dass grosse Umweltverbände den Mantelerlass befürworten: WWF, Greenpeace, Pro Natura und der von Weiss mitbegründete Landschaftsschutz. Auch die Grünen engagieren sich dafür. Ihre neue Präsidentin Lisa Mazzone war im Ständerat an der Erarbeitung beteiligt.

Beim Naturkomitee kommentiert man dies «mit grossem Erstaunen und Unverständnis», so Philippe Roch: «Diese Organisationen haben ihre Seele verloren.» Sie seien bereit, «für ein kleines Stück Energiewende einen grossen Preis zu bezahlen», meinte Elias Vogt. Hans Weiss nennt noch einen Grund: «Sie wollen nicht mit der SVP gegen das Gesetz kämpfen.»

Das Nein der SVP

Auf Betreiben von Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher hat die SVP die Nein-Parole zum Stromgesetz beschlossen und ihren Bundesrat Albert Rösti desavouiert. Das könnte auch für das Naturkomitee zum Problem werden. Hans Weiss machte sich im Gespräch mit watson keine Illusionen: Er denkt, dass die Nein-Kampagne scheitern wird.

An der Medienkonferenz empfand man einige Sympathien für die Sorge der Naturfreunde um unberührte Landschaften und eine intakte Natur. Und musste doch den Kopf schütteln über die Ängste. Denn auch bei einem Ja am 9. Juni wird die Energiewende primär auf Gebäuden und Infrastrukturen erfolgen – also im Sinne des Naturkomitees.

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201 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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PVJ
17.04.2024 18:30registriert Februar 2014
Das Problem mit PV ausschliesslich auf bestehender Infrastruktur: Diese produziert im Winter zu wenig Strom. Deshalb braucht es Wind, alpine PV und zus. Wasserkraftspeicher. Wir brauchen mehr Winterstrom, wenn wir unsere Energieversorgung klimaneutral umbauen wollen.

Die sog. Naturfreunde, insb. der Verein freie Landschaft, sind willige Helfer jener rückwärts gerichteten Kreise, die das Verfehlen der Klimaziele in Kauf nehmen und lieber auf fossile Energieträger setzen. Oder die von neuen Kernkraftwerken schwadronieren, die frühestens nach 2040 am Netz sein werden.
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s'Paddiesli
17.04.2024 18:43registriert Mai 2017
Ich bin auch für Naturschutz, aber solche "Naturschützer" begreifen nicht, dass es keine Natur mehr zu schützen gibt, wenn diese Massnahmen nicht umgesetzt werden.
Man muss auch bereit sein, etwas zu opfern für das grössere Ganze.
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Helvetiavia Philipp
17.04.2024 18:21registriert Februar 2018
Umweltschützer so: "Was wollen wir? Erneuerbare Energien! Wann wollen wir sie? Sofort! Wollen wir Wasserkraftwerke! Bhüetisneiau! Wollen wir Windräder? Pfui Däibel! Wollen wir Solarzellen? Ja, auf den Dächern! Und im Winter, wenns neblig ist, dürfen dann Solarzellen in den Bergen Strom generieren? Niemals! Soll der Strom im Winter aus Gaskraftwerken kommen? sicher nöd!

Solange nicht nur die SVP sondern auch die Umweltschützer den Ausbau der Erneuerbaren verhindern, bleiben AKWs unsere einzige Hoffnung.
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