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Energie

Krieg in der Ukraine: Geheime Batterieparks sollen Blackout abwenden

A man cycles past an electricity facility after a Russian attack in Kharkiv, Ukraine, Friday March 22, 2024. Attacks on energy facilities in the Kharkiv region caused blackouts and disrupted critical  ...
Russland nimmt regelmässig die Energieinfrastruktur der Ukraine ins Visier, hier in Charkiw.Bild: keystone

Energiekrieg im Winter: Geheime Batterieparks sollen die Ukraine vor dem Blackout retten

Russlands Drohnenkrieg trifft gezielt die Stromnetze der Ukraine. Um Blackouts zu verhindern, setzt das Land nun erstmals auf ein Netzwerk aus riesigen Batteriespeichern, gebaut mit US-Technik. Das 140-Millionen-Dollar-Projekt könnte im Winter zur Lebensversicherung eines ganzen Landes werden.
11.10.2025, 14:1211.10.2025, 14:12
Anna Von Stefenelli / watson.de

Während Russland weiter auf die ukrainische Energieinfrastruktur zielt, bereitet sich das Land auf den nächsten Winter unter Beschuss vor. Drei Jahre lang haben Ingenieure Stromnetze repariert, während über ihnen Raketen einschlugen – und Millionen Menschen zeitweise ohne Licht und Wärme auskommen mussten.

In diesem Winter soll das anders sein: Ein neues Netzwerk aus gigantischen Batteriesystemen soll die Energieversorgung stabilisieren. Sie sollen die Versorgung selbst dann sichern, wenn russische Drohnen und Raketen wieder gezielt Kraftwerke und Umspannwerke treffen. Wie ein aktueller Bericht zeigt, setzt die Ukraine dabei auf US-Technologie, Geheimhaltung und eine nie dagewesene Dezentralisierung ihrer Energieversorgung.

Russland greift Energieinfrastruktur an: Ukraine reagiert mit Batterieparks

Laut Recherchen des Wall Street Journal stehen mittlerweile sechs neue «Batterieparks» an geheimen Standorten im ganzen Land. Sie liefern zusammen eine Leistung von rund 200 Megawatt. Das ist genug, um etwa 600'000 Haushalte für zwei Stunden mit Strom zu versorgen. Das entspricht etwa allen Privathaushalten in Köln.

epa10259373 A part of the city in darkness during cyclic power cutoffs to reduce the power grid load in residential area in Kyiv (Kiev), Ukraine, 22 October 2022. Russian troops on 24 February entered ...
Viele Orte in der Ukraine mussten wegen Stromknappheit nachts ohne Licht auskommen.Bild: keystone

Die massiven weissen Batteriemodule sind Teil eines 140-Millionen-Dollar-Projekts, das im August abgeschlossen wurde. Es soll Ausfälle im Netz überbrücken und Ingenieuren Zeit verschaffen, zerstörte Leitungen zu reparieren. Wie Kyiv Independent berichtet, verbindet sich das System direkt mit dem nationalen Stromnetz und springt ein, wenn konventionelle Quellen wie Kohle- oder Gaskraftwerke ausfallen.

Das leise Surren der Batterieparks bezeichnet Vadym Utkin, Berater für Energiespeicherung beim grössten privaten Energieversorger DTEK, gegenüber der Zeitung als «das beste Geräusch der Welt». Denn: «Es bedeutet, dass sie funktionieren.»

Menschen in der Ukraine waren massiver Kälte ausgesetzt

Seit Beginn der russischen Invasion wurden alle ukrainischen Wärmekraftwerke mindestens einmal angegriffen. Viele davon sind zerstört, andere nur notdürftig wieder in Betrieb. «Wir haben mehr als die Hälfte unserer Stromerzeugung durch Raketen und Shahed-Drohnen verloren», sagte die frühere Energieministerin Olha Buslawez dem «Wall Street Journal».

Auch das grösste Atomkraftwerk des Landes steht seit Beginn der Besatzung unter russischer Kontrolle und liefert keinen Strom mehr. Zwar stammt etwa die Hälfte der Energie weiterhin aus Atomkraft, doch Russland hat auch diese Infrastruktur gezielt ins Visier genommen. Das Ziel: die Bevölkerung zermürben, indem sie im Winter friert.

Russland produziert mittlerweile deutlich mehr Angriffsdrohnen als zu Beginn des Krieges. Immer häufiger fliegen Schwärme von Hunderten unbemannten Flugkörpern gleichzeitig auf ukrainische Städte. Das soll die Luftabwehr überlasten – und könnte diesen Winter besonders gefährlich machen.

Kiew fordert deshalb seit Monaten mehr westliche Luftabwehrsysteme. Besonders das US-Patriot-System gilt als entscheidend, um Raketen abzufangen. Nach Angaben des «Wall Street Journal» sollen noch in diesem Jahr zwei weitere Einheiten aus Deutschland geliefert werden. Doch die ukrainische Regierung betont: Das reicht nicht, um die gesamte Energieinfrastruktur zu schützen.

Batteriefabriken haben neue Brandschutzmechanismen

Die neuen Speicherblöcke sind nicht nur eine technische Innovation: Sie sind ein strategisches Element im Krieg. Denn sie machen das Netz dezentraler und damit schwerer angreifbar. Jedes Modul kann unabhängig betrieben oder ersetzt werden, ohne dass das gesamte System ausfällt. «Wenn ein Block getroffen wird, wäre das ärgerlich, aber kein Weltuntergang», sagt Utkin. «Ich würde fluchen, aber ihn einfach austauschen.»

Die Batterien stammen vom US-Unternehmen Fluence, das laut CEO Julian Nebreda trotz der Kriegsgefahr keine Sekunde gezögert habe, sich am Projekt zu beteiligen. Finanziert wurde es von DTEK und einem Konsortium ukrainischer Banken. Alle Systeme seien mit Brandschutzmechanismen ausgestattet. «In der Ukraine ist das besonders wichtig», sagt Nebreda zum «WSJ».

Neben den Batterien setzt die Ukraine zunehmend auf Wind- und Solarenergie. Erneuerbare Quellen sind weniger anfällig für gezielte Zerstörung. Fällt eine Turbine aus, drehen sich die anderen weiter. So soll das Energiesystem widerstandsfähiger werden. Die Batterien helfen dabei, Stromschwankungen auszugleichen und Energie zwischenzuspeichern. «Es gibt immer Unregelmässigkeiten im System, diese Maschinen räumen das sehr effektiv auf», sagt Utkin der Zeitung.

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33 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Fred_64
11.10.2025 14:29registriert Dezember 2021
Können wir nicht unsere Rechten mal in die Ukranine schicken?
Damit sie sehen...
- was ihr Freund Putin so macht
- wie die Ukraine Stromschwankungen ausgleicht
- und was mit einem AKW passieren kann.
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Fakten_Checker
11.10.2025 14:44registriert September 2025
Dezentrale Stromnetze, Batterien als Speicher so gehts. Auch Elektroautos können hier sehr nützlich sein. Wir sollten alle den Artikel dem Gmögigen im Bundesrat senden.
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ImmerMitderRuhe
11.10.2025 14:43registriert Februar 2023
Wäre vielleicht auch clever für unsere Stromversorgung. Kostet was, aber in turbulenten Zeiten wie diesen?
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33
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