Auch Russlands Kohlesektor steht am Abgrund
Laut Berichten von Forbes und dem polnischen Fernsehsender TVP schreiben heute mehr als die Hälfte aller russischen Kohleproduzenten Verluste. Schon im Jahr 2024 musste sie massive Abschreibungen tätigen – 2025 wird zum endgültigen Desaster.
Alleine in den ersten sieben Monaten verlor der Sektor 2,8 Milliarden Dollar. Wie das nationale Energieministerium berichtet, stellten 23 Hersteller (13 Prozent) den Betrieb ein. Weiteren 53 (31 Prozent der übrig gebliebenen) droht zeitnah dasselbe Schicksal.
Einst der Stolz der Nation und das viertwichtigste Exportgut, verliert der fossile Energieträger immer mehr an Bedeutung. Heute fristet die Kohleindustrie in Russland beinahe schon ein Nischendasein und trägt nur noch zu einem Prozent zu den Staatseinnahmen bei. Dafür gehört sie zu den verlustreichsten Sektoren des ganzen Landes. Vor allem kleine und mittelgrosse Unternehmen stecken in ernsthaften Schwierigkeiten. Zwar führte die Regierung Subventionsprogramme ein, diese waren aber nicht mehr als eine Schmerztablette für einen todkranken Patienten.
«Die Kohleindustrie durchlebt gerade eine ihrer schlimmsten Krisen seit den 90er-Jahren», warnte Wladimir Korotin, Geschäftsführer von Russian Coal gegenüber der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Und sogar Wladimir Putin musste im September an einem Wirtschaftsforum zugeben: «Die Kohleproduzenten durchleben gerade eine schwierige Zeit.»
So schnell wird sich das auch nicht ändern. Laut Schätzungen der Weltbank fällt der Kohlepreis 2025 um 27 Prozent und um weitere fünf im Jahr 2026. Analysten gehen davon aus, dass sich die Kohlepreise frühestens 2027 wieder erholen – wenn überhaupt. Entscheidend wird dabei auch die Nachfrage sein. Diese befindet sich gerade im Wandel.
Chinas Bedarf an Kohle hat 2025 mutmasslich den Höhepunkt erreicht. Spätestens 2026 ist es aber soweit. Der traditionell hungrige Abnehmer von russischen Kohlen setzt auf Erneuerbare und baut Wind- und Solarkraftwerke in schwindelerregendem Tempo. Eine der Folgen wird ein Nachfragerückgang von fossilen Energieträgern sein. Indien, der andere Riese, baut ebenfalls kräftig Erneuerbare hinzu – hinkt in der Entwicklung aber China weiterhin hinterher. Doch Indien alleine kann die russischen Kohleproduzenten nicht retten.
Denn neben den tiefen Preisen machen ihnen primär steigende Transport- und Logistikkosten Schwierigkeiten. Laut «Forbes» sind sie eine direkte Folge des Ukrainekrieges und der erhobenen Sanktionen. Früher frassen sie 50 Prozent des Verkaufspreises weg – heute sind es 90. Nur schon um ihre Marktstellung nicht zu verlieren und nicht tausende Arbeitsplätze zu gefährden, müssen russische Firmen mit Verlusten verkaufen. Ewig lässt sich das nicht aufrechterhalten – 53 Prozent aller russischen Kohlebetriebe schreiben aktuell Verluste.
Betroffen ist dabei vorwiegend das Kusnezker Kohlebecken. Die Region lebt vom Kohleabbau – und von der Rüstungsindustrie. Zu Wladimir Putins 50. Geburtstag wurde in der Nähe der Stadt Nowokusnezk 2002 eine der angeblich modernsten Zechen der Welt eingeweiht. 1,5 Millionen Tonnen Kohle werden hier pro Jahr aus dem Boden geholt.
Nur fünf Jahre nach der Einweihung kam es dort zum schwersten Grubenunglück in der russischen Geschichte. Bei einer Methanexplosion in 270 Metern Tiefe verunglückten über 100 Bergleute.
Auch die Zukunft sieht für das Kusnetzker Becken düster aus: «Bei den derzeitigen Preisen, Wechselkursen, Finanzierungskosten und Logistik ist die Produktion von Kraftwerkskohle in Kusbass durchweg unrentabel», erklärte Roman Golovin, Strategiedirektor bei der Siberian Coal Energy Company kürzlich. Ein Blick ins Buch der Staatsausgaben 2026 zeigt: Auf noch mehr Hilfe von Mütterchen Russland kann er nicht hoffen. Die Kassen sind leer – und 38 Prozent aller russischen Staatsausgaben fliessen 2026 in die «nationale Sicherheit» und «die nationale Verteidigung».
