Das Parlament sucht auf dem Weg zu einer erneuerbaren Stromversorgung einen mehrheitsfähigen Kompromiss. Der Ständerat hat bei der zweiten Beratung des Energie-Mantelerlasses den Spagat zwischen Nutzungs- und Schutzinteressen versucht. Viele Punkte bleiben strittig.
Insgesamt sechs Stunden dauerte die erste Runde der Differenzbereinigung in der kleinen Kammer. Vor einer Woche hatte das Geschäft nicht wie geplant zu Ende beraten werden können. Das holte der Ständerat am Donnerstag nun nach.
Er sprach sich dabei erneut gegen eine Liberalisierung des Messwesens aus, die der Nationalrat und der Bundesrat befürworten. Die kleine Kammer war einstimmig der Ansicht, dass das Messwesen im Monopolbereich der Netzbetreiber verbleiben sollte, da es eng mit dem Netzbetrieb zusammenhänge und entscheidend für die Sicherheit und Stabilität des Netzes sei.
Der Ständerat sprach sich auch dafür aus, dass Gebiete, die sich für die Nutzung von Solar- und Windenergie eignen, in den kantonalen Richtplänen ausgeschieden werden sollen. Die Anlagen müssen aber standortgebunden und deren Bedarf muss ausgewiesen sein. In diesen Fällen soll die Nutzung der Solar- und Windenergie Vorrang haben gegenüber anderen nationalen Interessen.
Es verbleiben zahlreiche weitere Differenzen zwischen den Räten. Kommissionssprecher Beat Rieder (Mitte/VS) machte bereits zu Beginn der Debatte klar, dass am Ende kaum ein perfektes Gesetz resultieren werde, mit dem alle zufrieden seien. Dennoch sei das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien – Energie-Mantelerlass genannt – dringlich.
Insbesondere im Winter ist der Strom in der Schweiz knapp. Um eine Strommangellage zu vermeiden, lockerte der Bundesrat im vergangenen Jahr die Restwasservorschriften für Wasserkraftwerke, forcierte ein Gaskraftwerk im aargauischen Birr, richtete Sparappelle an die Bevölkerung und schuf eine Energiereserve.
Für Energieminister Albert Rösti ist es oberstes Ziel, die Gefahr einer Mangellage möglichst rasch zu beseitigen, wie er im Ständerat sagte. Der Energie-Mantelerlass solle deshalb möglichst im Herbst von den Räten verabschiedet werden.
Ob dies realistisch ist, scheint zumindest fraglich. Wie die Wasser-, Wind- und Solarkraft konkret gefördert werden soll, ist umstritten. Alleine die Diskussion über die sogenannten Restwasserbestimmungen dauerte in der kleinen Kammer fast zwei Stunden.
Schliesslich setzte sich ein Einzelantrag von Stefan Engler (Mitte/GR) hauchdünn durch. Demnach soll der Bundesrat zur Erreichung der Produktions- und Importziele sowie bei einer drohenden Mangellage die Betreiber von Wasserkraftwerken verpflichten können, ihre Stromproduktion befristet zu erhöhen. Gelten würden nur noch die minimalen Restwassermengen nach aktuellem Gewässerschutzgesetz.
Der Nationalrat hatte im Frühling beschlossen, die Restwasservorschriften für bestehende Wasserkraftwerke zu sistieren, bis genügend Winterstrom vorhanden ist. Dies sorgte bei Umweltschützern für Empörung.
Der Ständerat kippte die insbesondere von den Bürgerlichen kritisierte Solarpflicht für sämtliche Neubauten aus dem Gesetz. Es handle sich dabei um einen zu starken Eingriff ins Privateigentum und die Hoheit der Kantone, so der Tenor. Stattdessen beschloss die kleine Kammer, die verpflichtende Nutzung von Solarenergie auf Gebäuden ab einer Fläche von 300 Quadratmetern unbefristet ins geltende Recht zu überführen.
Anders als der Nationalrat ist der Ständerat auch gegen eine Pflicht, Fahrzeugabstellflächen ab einer bestimmten Grösse mit Solarelementen zu überdachen. Die Mehrheit warnte vor einem Eingriff in kantonale Kompetenzen.
Die Ratslinke wollte eine umfassende Solarpflicht wie der Nationalrat durchsetzen, scheiterte aber mangels Unterstützung aus der Mitte des Rates. Für Lisa Mazzone (Grüne/GE) rückt damit eine Solar-Volksinitiative näher. Ansonsten drohe man auf dem halben Weg der Energiewende stehenzubleiben.
In einem anderen Punkt entschied der Ständerat dagegen im Sinne der Umweltschützer. Wie auch vom Nationalrat beschlossen, sollen Kraftwerke in Biotopen von nationaler Bedeutung sowie in Wasser- und Zugvogelreservaten weiterhin ausgeschlossen sein. In neu entstehenden Gletschervorfeldern und alpinen Schwemmebenen sollen solche jedoch grundsätzlich infrage kommen.
In zahlreichen weiteren Punkten gibt es Differenzen zwischen den Räten. Die Vorlage geht zurück an den Nationalrat. Energieminister Rösti zeigte sich überzeugt, dass am Ende ein guter Kompromiss gefunden werde. Im März hätte Rösti davor gewarnt, die Vorlage zu überladen: «Es gibt keinen Plan B, wenn dieses Gesetz scheitern sollte.»
(sda)