Österreich hat 1307 Windenergieanlagen, Bayern 1241, Baden-Württemberg 779, Rheinland-Pfalz 1791. Und wie viele hat die Schweiz? 41. Ausserordentlich wenige im internationalen Vergleich. Das hat damit zu tun, dass Windenergieprojekte systematisch bekämpft werden - vor allem vom Verband Freie Landschaft Schweiz.
Eigentlich hat das Bundesgericht die Nutzungspläne von fünf Windparks mit einer Produktionsleistung von 162 Gigawattstunden genehmigt. Doch die fünf Windparks können nicht gebaut werden. Sie brauchen noch eine Baubewilligung. Auch diese kann bis vor Bundesgericht angefochten werden.
Betroffen sind folgende Anlagen: 4 Anlagen auf dem Grenchenberg, 8 Anlagen im Lausanner Windpark «EolJorat Sud», 6 Anlagen im Windpark «Sur Grati» VD, 2 Anlagen in Charrat VS und 7 Anlagen im Skigebiet Crêt Meuron NE.
Das will Mitte-Nationalrätin Priska Wismer-Felder ändern. Die Bäuerin ist Vizepräsidentin von Swiss Eole, der Vereinigung zur Förderung der Windenergie. Sie wird am Montag einen Antrag in der Umweltkommission (Urek) des Nationalrats einreichen. Die Kommission berät dann die Solar-Offensive in den Alpen, die der Ständerat am Donnerstag für dringlich erklärte. Sie soll in dieser Session im Parlament durchgepeitscht werden.
Wismer-Felder will dafür Artikel 71 a des dringlichen Bundesbeschlusses ändern. Er regelt die Übergangsbestimmungen zur Produktion von zusätzlicher Energie. Der Ständerat hat ihn auf die Photovoltaik begrenzt.
Die Mitte-Nationalrätin will ihn auf alle erneuerbaren Energien ausweiten - vor allem auf die Windenergie. «Wenn das Bundesgericht den Nutzungsplan eines Windprojekts abgesegnet hat, dann muss es auch gebaut werden können», sagt sie. So seien alle wesentlichen Elemente des Windparks definiert und die Umweltverträglichkeit überprüft. Dass auch die Baubewilligung einsprachefähig ist, versteht sie nicht. «Hier sieht man sich nur an, ob der Bau wirklich dem Nutzungsplan entspricht.»
Wismer-Felder betont, dass die Einsprachemöglichkeit bis vor Bundesgericht beim Nutzungsplan erhalten bleiben soll. Das Verfahren würde beschleunigt, ohne aber das Mitspracherecht von Gemeinde, Kanton und Umweltverbänden zu verhindern.
Heute dauern solche Verfahren bis zu 20 Jahre. Deshalb arbeitet auch Umweltministerin Simonetta Sommaruga an einem Gesetz, das den Bau neuer Wasser-, Wind- und Solaranlagen beschleunigt. Es gilt aber nur für neue Projekte. Auch die EU geht voran: Sie will die Bewilligungen bei Windenergieprojekten künftig in zwei Jahren durchziehen.
«Es ist kein Wunder, dass die Krise nun alle Projekte an die Öffentlichkeit schwemmt, die bei Windenergie, Geothermie, Biomasse und Wasserkraft verhindert wurden», sagt Wismer-Felder.
Sie kennt die Situation aus eigener Anschauung. Sie ist federführend an einem Bürgerprojekt beteiligt, das drei Windenergieanlagen auf dem Stierenberg auf 872 Metern über Meer plant. «Wir würden mit unserem Projekt nicht von meinem Antrag profitieren», betont sie - denn es befindet sich erst im Planungsstadion.
Die drei Anlagen auf 18000 Quadratmetern würden 20.7 Gigawattstunden Strom pro Jahr produzieren, 14 im Winter. Zum Vergleich das Projekt Gondosolar in Gondo, wo auf 100000 Quadratmetern eine hochalpine Freiflächen-Solaranlage geplant ist: Sie produziert 23.3 Gigawattstunden Strom, wovon 13 im Winter.
«Im Vergleich mit der Photovoltaik braucht Windenergie deutlich weniger Platz», sagt Wismer-Felder. Vor allem aber liefere sie zwei Drittel des Ertrags im kritischen Winterhalbjahr. «Unser Projekt entspricht nationalen Interesse», sagt sie. Doch es gebe heftigen Widerstand. «Eine Gemeindeinitiative will mit einer Schutzzone die Windenergie verhindern.»
Beim Verband Freie Landschaft Schweiz, der Windanlagen bekämpft, beobachtet man diese Entwicklung mit Sorge. «Wir bedauern, dass das Parlament nun in orchestrierter Abfolge Vorstösse macht für einen totalen Kahlschlag des Umweltschutzes», sagt Präsident Elias Meier.
«Was die Windanlagen betrifft: 250 Meter grosse Windturbinen verursachen in der Schweiz massive Schäden. Ausserdem ist unser Land das schwächste Windland Europas.» Windenergie falle nur dann an, wenn es auch sonst in Europa winde. «Weht kein Wind», sagt Meier, «braucht es Gas oder Öl. Das verschärft die Krise.» (aargauerzeitung.ch)