Ohne Elektrizität geht in unserer modernen Welt gar nichts. Und die Nachfrage wird durch Digitalisierung und Elektromobilität weiter zunehmen. Die Schweiz deckt ihren Strombedarf mit Wasserkraft und AKW sowie einem wachsenden Anteil an erneuerbaren Energien. Im Winter aber ist sie auf Importe aus der Europäischen Union angewiesen.
Dies war lange kein Problem. Die Schweiz ist eine wichtige Stromdrehscheibe in Europa. Mit dem so genannten «Stern von Laufenburg» im Aargau schlug 1958 die Geburtsstunde des europäischen Verbundnetzes. Nun aber droht die Schweiz an den Rand gedrängt zu werden, denn die EU ordnet derzeit ihren Strommarkt neu.
Die Branche warnt immer eindringlicher vor den Folgen dieser Entwicklung: Es drohe «ein Stromkollaps», schrieb Michael Frank, Direktor des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE), in einem Tamedia-Gastbeitrag. Die Strombinnenmarkt in Europa werde stark optimiert und die Schweiz «zu einem Drittland degradiert».
«Die Importabhängigkeit wird bis 2035 noch massiv zunehmen», präzisiert Frank auf Anfrage von watson. Gemäss den Energieperspektiven 2050+ des Bundes werde der Import im Winter 2035 15 TWh (netto) betragen, «was rund 40 Prozent der Nachfrage ausmacht». Ob die EU diesen Bedarf decken kann oder will, ist beim heutigen Stand mehr als fraglich.
Es bestehe die Gefahr, dass die Schweiz künftig weniger Strom importieren könne, sagte Yves Zumwald, CEO der Netzgesellschaft Swissgrid, an einer Medienkonferenz. Dabei gäbe es ein einfaches Mittel, um dies zu verhindern: ein Stromabkommen mit der EU. Ein solches wurde unter der früheren Energieministerin Doris Leuthard weitgehend ausgehandelt.
Seit Jahren jedoch liegt der Entwurf in der Schublade, denn die EU ist nicht bereit, das Abkommen abzuschliessen, solange die Schweiz ihrerseits die Unterschrift unter das institutionelle Rahmenabkommen verweigert. Dieses steht nach der jüngsten Eskalation jedoch vor dem Aus – und damit auch die Aussicht auf ein Stromabkommen.
Kritiker des Rahmenvertrags wie der frühere SP-Nationalrat und Preisüberwacher Rudolf Strahm meinen, die Schweiz könne den nötigen Strom notfalls in Laufenburg «abzapfen». Dies aber ist lupenreines Wunschdenken. Das zeigt ein Interview mit Jörg Spicker, Senior Strategic Adviser bei Swissgrid, das der VSE auf seiner Website publiziert hat.
Worum geht es? Ein europaweites Verbundnetz ist für die Versorgungssicherheit sehr wichtig. Es trägt dazu bei, Schwankungen im Netz auszugleichen und Ausfälle wie auch Überproduktionen zu kompensieren. Weil Sonnen- und Windenergie unregelmässig anfallen, bemüht sich die EU um eine verstärkte Koordinierung des Stromverbunds.
Bis 2025 müssen unsere Nachbarländer mindestens 70 Prozent der grenzüberschreitenden Kapazitäten für den Handel innerhalb der EU reservieren. Mit Folgen für die Schweiz: «Es ist davon auszugehen, dass im Fall von Engpässen die Solidarität zuerst unter den EU-Mitgliedstaaten spielt und die Schweiz erst danach beliefert würde», meint Spicker.
Abgekoppelt wird die Schweiz nicht, aber sie würde nach Ansicht des Swissgrid-Experten «zum reinen Transitland» verkommen. Damit dürfte sich ein Phänomen verstärken, das die Branche schon heute stresst: Eine Zunahme ungeplanter Stromflüsse durch die Schweiz. Swissgrid muss in solchen Fällen immer häufiger eingreifen, um das Netz stabil zu halten.
Dafür wird Wasserkraft benötigt, die dann im Winter fehlt, was das Importproblem verschärft. Zwar schliesst Swissgrid Verträge mit europäischen Netzbetreibern ab, doch auch die müssen von den EU-Regulatoren genehmigt werden. «Mit einem Stromabkommen wären diese aufwendigen vertraglichen Regelungen alle nicht mehr notwendig», betont Spicker.
Ohne Rahmenabkommen aber bleibt das Dossier blockiert. In der Debatte über den Vertrag ist es ein Nebenschauplatz. Sie wird dominiert von den Reizthemen Lohnschutz und Unionsbürgerrichtlinie. Der Schweizer Strombranche, die eigentlich der öffentlichen Hand gehört, fällt es offenbar schwer, sich bei der Politik Gehör zu verschaffen.
«Wir denken, dass die Wichtigkeit eines Stromabkommens für die Schweiz den meisten politischen Akteuren durchaus bewusst ist», meint VSE-Direktor Michael Frank. Man habe die Bedeutung dieses Abkommens auch immer betont. «In der Diskussion rund um das Rahmenabkommen sollte man dem Stromabkommen aber deutlich mehr Gewicht geben.»
Ein stabiles und sicheres Stromsystem sei für Wirtschaft und Gesellschaft absolut zentral, betont Frank. Die Konsequenzen des fehlenden Abkommens seien bisher nur schleichend – sowie vor allem monetär und auf Ebene der Prozesse – spürbar gewesen. «Grössere systemrelevante Probleme werden sich erst noch bemerkbar machen», warnt Frank.
Der fehlende «Leidensdruck» ist ein Grund, warum die Dringlichkeit zu wenig erkannt wird. Ein Insider verweist zudem auf ein Glaubwürdigkeitsproblem: Lange hatte die Branche vor einer «Stromlücke» gewarnt, die nie eingetreten ist. Die «Energiewende» in Deutschland führte im Gegenteil zu einer Stromschwemme und einem Preiszerfall im internationalen Handel.
Nun fragt sich, ob die Schweiz wirklich warten will, bis es zu spät ist. Fehlender Strom lässt sich nicht einfach aus China oder den USA importieren, und der Ausbau der heimischen Produktion braucht Zeit und Geld. «Damit die Versorgungssicherheit in Zukunft gesichert ist, muss die Schweiz so oder so ihre Hausaufgaben machen», meint Michael Frank.
Konkret bedeute dies, dass sie in erster Linie den Ausbau der inländischen Erneuerbaren – Wasserkraft, Photovoltaik, Windkraft und Biomasse – «massiv vorantreiben» müsse. Ein Stromabkommen hält er dennoch für quasi alternativlos. Es würde «die Versorgungssicherheit, die Betriebssicherheit und Netzstabilität sowie den Marktzugang sichern».
Wir sollten die Stromerzeugungskapazitäten in der Schweiz ausreichend ausbauen.
daneben ist Photovoltaik stark ausbaufähig, Wasserkraft lässt sich optimieren und in Sachen Windenergie sind wir (trotz genialen CH-Ingenieuren, die leistungsfähigere, deutlich leisere Aggregate konstruierten) ein völliges Entwicklungsland.
Wo , nur, bleiben
🇨🇭 - Innovationen???